BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Berlusconi, die Stadt und der Müll

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Das Militär ist jetzt in Neapel eingerückt. Die Aufgabe der Spezialtrupps: Müll abtransportieren. Neapel erstickt im Abfall, in den Straßen stapelt sich der Dreck. Ratten bevölkern die Gassen. Eine dauerhafte Lösung ist nicht in Sicht. Die EU will Subventionen streichen und Bußgelder verhängen. Und für viele ist der Schuldige ausgemacht: Nicht unfähige und korrupte Lokalbehörden sondern Regierungschef Berlusconi selbst. Er sei ineffizient und inkompetent und vergesse über all seine Affären das Regieren. Der Müllskandal bedroht nun Berlusconis Macht.

Neapel mit Vesuv Foto: Weltspiegel

Silvio Berlusconi liebt Neapel‚ vor allem aber neapolitanische Volkslieder, die trägt er selbst vor. Auch ausländischen Staatsgästen, denen er gerne seine Darbietungen als CD mitgibt. Und tatsächlich, Neapel ist einzigartig und für Jahrhunderte war die Stadt der Könige am Fuße des Vulkans Reiseziel von Kulturtouristen aus aller Welt. Doch jetzt versperren Müllberge Straßen und Bürgersteige. Noch immer liegen bis zu 10.000 Tonnen Müll wild in der Stadt und auf den Feldern der Region Campanien. Die Menschen sind längst entnervt: „Das ist unser wahrer Vulkan, der Müll macht uns Sorgen“ beklagt sich eine Frau. „Hört auf zu drehen, Sie werfen uns immer nur noch mehr Dreck hin“, meint ein Passant. Ein anderer: „Die wahren Schuldigen sind die Politiker, die wollen das hier so, nicht wir, nicht wir Neapolitaner.“

Und Silvio Berlusconi ist bei seinem letzten Besuch in Neapel wohl auch klar geworden, das seine Politik hier in dieser Stadt völlig versagt hat. So nachdenklich, so allein hat man Ihn lange nicht gesehen. Ahnte er hier in Neapel, seiner Lieblingsstadt, sein politisches Ende? Waren es bisher vor allem seine allzu jungen Frauen seiner Mailänder Partys, die Berlusconis Ruf zusetzten, so sind es jetzt die Frauen in Neapel, die um ihre Familien, um ihre Kinder besorgt sind, die die Grenzen Berlusconis Politik deutlich machen. „Donne Vulcaniche“ nennen sie sich, die Frauen vom Vulkan, eine Bürgerbewegung gegen den Müllnotstand. Eine von Ihnen ist die Psychologin Giuditta Rosmarino. „Ich bin sehr traurig über all das hier, es kann nicht normal sein über Müllberge steigen zu müssen wenn man irgendwo hin will. Immer wieder muss man sich sogar ein Taschentuch vor die Nasen halten, um den ganzen Gestank nicht einatmen zu müssen – das alles ist sehr traurig.“ Die Gesundheit, die Frage, was kann man noch essen wenn so viel Müll herum liegt, was sind die Gefahren, wenn Ratten die Straßen bevölkern, das sind die Sorgen der ‚Donne Vulcaniche’. „Also wir haben zuhause einen kleinen Garten und in diesem Jahr werden wir daraus nichts ernten, weil ich Angst habe, dass die Früchte vergiftet sind. Ich kenne einen Bauern, der hat mir ganz deformierte Äpfel gezeigt.“

Passanten beklagen sich über den Müll in der Stadt. Foto: Weltspiegel

Ein kleiner Garten ist der Stolz vieler Neapolitaner, jetzt ist es eine Sorge. „Es ist schrecklich diese kaputten Äpfel zu sehen, ganz unförmig sind sie. Das ist, da bin ich mir sicher der Müll, denn sonst waren sie nie so“, sagt der Landwirt Aniello Matrone. Denn der Müll aus Neapel landet vor allem in den Deponien der Gemeinden am Fuße des Vesuvs auch im Nationalpark Vesuv, ein UNESCO Kulturerbe. Die Deponien aber gelten als unsicher, vor allem Campaniens Camorra ist hier mit im Geschäft. Es gibt nur eine einzige Müllverbrennungsanlage, mit EU Mitteln gebaut, doch die arbeitet an vielen Tagen nicht oder nur mit halber Last. Und obwohl Berlusconi bei seinem Besuch Ende Oktober dies alles sieht, macht er unhaltbare Versprechungen: Am 22. Oktober erklärt Berlusconi: „Die Lage in der Deponie Terzigno wird in 10 Tagen gelöst sein.“ Am 28 Oktober erklärt Berlusconi: „Ich sage euch, wenn ich alles zusammenfasse: in 3 Tagen sind 1.500 Tonnen Müll entsorgt.“ Am 27. November gab er zu Protokoll: „In weniger als 2 Wochen wird kein Müll mehr in Neapel liegen.“

Müll in Neapel Foto: Weltspiegel

Berlusconi hatte schon so viel versprochen, doch diesmal riss selbst der geduldigen EU Kommission der Geduldsfaden. Sie nahm selbst die Lage in Neapel in Augenschein. Das Ergebnis war ernüchternd. „Wir waren 2007 schon hier im Juli um Strafen zu verhängen, und die Lage war wie sie war“, sagt Pia Bucella von der EU Kommission. „Und wir waren im Februar 2008 hier und die Lage war genauso und jetzt sieht es in Neapel immer noch so aus.“ Und so sah es also an jenem Tag aus in Neapel, als die EU Kommission die Stadt prüfte: ein Schulausflug im Abfall und die Straßen zugemüllt, hoch, bis zum ersten Stockwerk. Über die Gründe der Müll-Misere, sind sich die ‚Donne Vulcaniche’ einig – und zuhause in der Familie spricht Giuditta offen davon: „Vor 40 Jahren gab es Mülldeponien, die nur die Camorra verwaltet hat, jetzt aber gibt es nicht nur die Camorra, jetzt machen die es mit dem Staat gemeinsam und das ist die traurige Wahrheit. Wir wollen aber nicht viel mehr, als endlich respektiert zu werden, behandelt zu werden wie italienische Staatsbürger.“

Quelle: Weltspiegel (SWR) vom 5.12.2010 von Bernhard Wabnitz, ARD Rom

[yellow_box]Anmerkung: Neuer Müll für Bremerhaven aus Neapel?[/yellow_box]

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