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Börsianer Kai Böhling erläutert Silke Schulze die Eigenschaften

Bremer Bauteilbörse

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Bremen. Die Bremer Bauteilbörse hat den Recylinggedanken grundlegend weiterentwickelt. Seit acht Jahren vermitteln die Mitglieder des wirtschaftlich arbeitenden Vereins alles, was bei Abbruch- oder Umbauarbeiten anfällt und wiederverwendbar erscheint.

Börsianer Kai Böhling erläutert Silke Schulze die Eigenschaften einer Jugenstil-Holzpforte. Die Biolandwirtin sucht eine passende Tür für ihren 120 Jahre alten Bauernhof.

Börsianer Kai Böhling erläutert Silke Schulze die Eigenschaften

Foto: Marcus Reichmann

Nach anfänglicher Skepsis begeistern sich immer mehr Menschen für das Angebot. Die Börse lockt Kunden aus ganz Deutschland in die Verkaufsräume im Bremer Getreidehafen. Mittlerweile hat die Nachfrage nach gebrauchten Bauteilen längst das Angebot überschritten.

Silke Schulze ist erklärter Fan der Bremer Bauteilbörse. Die 51-Jährige lebt auf einem 120 Jahre alten Bauernhof in der Nähe von Worpswede. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie dort Biolandwirtschaft und ein gastronomisches Unternehmen. Stück für Stück hat das Paar das Gebäude in den vergangenen Jahren saniert. „Dabei war es uns wichtig, möglichst keine neuen Bauteile zu verwenden, um den ursprünglichen Charakter des Hofs zu bewahren“, erklärt Silke Schulze.

Die Beschaffung solcher Bauteile hatte sich stets schwierig gestaltet. Egal ob Fenster, Zäune oder Beschläge – immer musste das Paar viel Zeit und Geduld aufbringen, um seinen selbst gesteckten Prinzipien treu zu bleiben. „Wir haben hauptsächlich im Internet recherchiert – da findet man zwar was, aber das sind in der Regel Einzelteile, eine Auswahl sucht man vergeblich“, sagt Schulze. Außerdem stelle es einen enormen Aufwand dar, die einzelnen Verkäufer aufzusuchen, um die Ware in Augenschein zu nehmen. „Und Handwerker zu beauftragen, die Bauteile originalgetreu nachzubauen, dafür fehlen uns dann doch die nötigen Millionen“, so die Landwirtin.

Ein kleines Einkaufsparadies
Auf die Lösung des Dilemmas haben Silke Schulze Bekannte gestoßen. Die empfahlen ihr, doch einmal bei der Bremer Bauteilbörse vorbeizuschauen. Seit acht Jahren gibt es diese Einrichtung. Die Betreiber haben es sich zur Aufgabe gemacht, wiederverwendbare Bauteile, die bei Abbruch oder Umbau anfallen, weiterzuvermitteln. In ihrem Lager im Bremer Getreidehafen hält die Bauteilbörse so gut wie alles bereit, was in einem Gebäude vorkommt – meist in Dutzenden unterschiedlichen Varianten. Innentüren, Fenster, Fliesen, Badewannen,
Waschtische oder Handläufe, alle vermessen, gereinigt und katalogisiert, warten dort auf Interessenten. Für Silke Schulze ein kleines Einkaufsparadies. Vom Gatter für ihre Schafe bis zum Schmuckfensterchen ist die Worpswederin dort schon fündig geworden.

Gerade sucht sie nach einer passenden Tür für den sogenannten Sonntagseingang ihres Hofes. „Früher gab es bei vielen Gebäuden neben dem Eingang, der alltäglich genutzt wurde, zusätzlich einen repräsentativen Eingang – die Sonntagstür“, erklärt sie. Um eine solche Pforte stilgerecht zu ersetzen, sei es mit einem Besuch im Baumarkt nicht getan.

Für Kai Bohling sind Spezialwünsche seiner Klientel nichts Neues. Der Architekt arbeitet seit fünf Jahren bei der Bauteilbörse und kümmert sich unter anderem um die Beratung der Kunden. Gerade führt er Silke Schulze durch das 750 Quadratmeter große Lager. Wie bei einem überdimensionalen Buch blättert sich der 52-Jährige durch Haustüren, die zu Hunderten an den Wänden lehnen. „Diese riesige Auswahl an alten Sachen ist einfach großartig“, sagt Silke Schulze. Sie nimmt zwei Modelle in die engere Wahl: eine rund drei Meter hohe Jugendstiltür mit dezenten Schnitzereien und eine massive Schwingtür mit großzügigen Glaseinsätzen. Kai Bohling druckt seiner Kundin die Steckbriefe beider Exemplare aus. Darauf sind unter anderem Maße, Materialeigenschaften und Herkunft der Objekte zusammengefasst. Silke Schulze wird nun zu Hause prüfen, ob der Einbau der Türen überhaupt möglich ist. Theoretisch könnte sie die Informationen auch im Internet abrufen, denn dort sind sämtliche Artikel der Börse katalogisiert. Zusätzlich hat ihr Bohling eine Liste mit Handwerkern ausgedruckt, die sich auf die Montage von gebrauchten Bauteilen spezialisiert hat. „Nicht jeder hat dafür ein Händchen, aber wir haben da mittlerweile ein gutes Netzwerk, das wir unseren Kunden anbieten können,“ berichtet er.

Großer Andrang
Das Angebot der Bremer Bauteilbörse hat sich mittlerweile in der ganzen Republik herumgesprochen. „Dass ein Kunde aus Frankfurt am Main anreist, weil er nur bei uns das passende grüne 70er-Jahre-Waschbecken für sein Bad gefunden haben will, überrascht uns mittlerweile nicht mehr“, sagt Karin Strohmeier. Die Architektin hat die Bauteilbörse 2003 zusammen mit einer Kollegin gegründet. Pate standen die Betreiberinnen einer Schweizer Bauteilbörse, die das Modell dort bereits erfolgreich erprobt hatten. „Die Kolleginnen haben uns von Anfang an gewarnt: Sorgt dafür, dass euer Lager voll ist, die Menschen werden kommen wie ein Bienenschwarm“, erinnert sich Karin Strohmeier. Und tatsächlich sei genau diese Entwicklung eingetreten. „Wir könnten heute viel mehr verkaufen, wenn wir mehr gute Bauteile hätten“, sagt die Architektin. Die vier festangestellten Mitarbeiter der Börse verwenden einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit der Jagd nach Bauteilen. Oft sind Dutzende klärende Anrufe nötig, bevor ein Team ausrückt, um ein abrissreifes Gebäude von seinen noch verwendbaren Gegenständen zu befreien. Dabei arbeitet die Bauteilbörse mit Firmen, Banken, Kliniken oder Behörden zusammen. Aber auch viele Privatleute melden sich mittlerweile. „Nach wie vor gehen aber viele tolle Bauteile an uns vorbei“, bedauert Karin Strohmeier. Sie hofft, künftig noch mehr Menschen vom Prinzip der Börse überzeugen zu können. Vor allem die Zusammenarbeit mit großen Verwaltungseinheiten wie etwa der Immobilien Bremen sei durchaus noch ausbaufähig. Etwas neidvoll blickt sie nach Holland. Dort sei die Wiederverwendung von Bauteilen mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben, sagt Strohmeier.

Die Börsianer bezahlen grundsätzlich nichts für Teile, die sie ausbauen und vermarkten. „Unser Grundprinzip lautet: Wir ersparen dir die Entsorgungskosten, dafür gibst du uns die Bauteile umsonst“, erklärt Karin Strohmeier. Anders ließe sich das Modell nicht wirtschaftlich betreiben. Obwohl die Börse von den Kunden gut angenommen werde, reichten die Verkaufserlöse gerade aus, um die Kosten zu decken. „Reich wird hier niemand.“

Ein Argument, mit dem Strohmeier für eine stärkere Nutzung der Börse wirbt, ist der Nachhaltigkeitsansatz des Vereins. Vor allem betont die Architektin und gelernte Tischlerin die Rohstoff- und Energieeinsparung, die die Nutzung gebrauchter Bauteile mit sich bringe. Die Wiederverwendung spare jene Energie, die die Herstellung neuer Einheiten kosten würde. Bei Biobäuerin Silke Schulze stößt sie damit auf offene Ohren: „Das passt perfekt zu unserer Philosophie.“

Quelle: Weserkurier vom 11.01.2011 von Sebastian Manz

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