BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Ein Abend im Zeichen der Wissenschaft

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Wissenschaft am Donnerstag – Eine 3Sat Sendung

Fortschritt

Immer wieder passiert es, dass wir uns von einer Idee, einem Produkt, einer Lebensgewohnheit verabschieden, weil etwas Besseres auf dem Markt ist. Wer schreibt heute noch Briefe mit Tinte auf Papier? Und die Postkutsche gibt es auch schon lange nicht mehr. Doch nicht immer steht am Ende eine Verbesserung, mit der alle zufrieden sind. Und darf Fortschritt einfach von oben verordnet werden?

Sparlampe Foto 3Sat

Würden wir es uns gefallen lassen, wenn unsere Automobile gesetzlich verordnet nicht mehr als 3 Liter Treibstoff pro 100 gefahrene Kilometer verbrauchen dürften? Die EU hat rigorose Vorgaben für die Effizienz von Leuchtmitteln gemacht, die zur Folge haben, dass in diesem Jahr die letzten Glühlampen aus dem freien Verkauf verschwinden. Dass wir Strom sparen müssen, leuchtet allen ein. Doch jetzt kommt auch ans Tageslicht, dass die Energiesparleuchten gesundheitliche Probleme mit sich bringen und zwar nicht nur für diejenigen, die sie in China herstellen. Fortschritt ist in unserer hochentwickelten Gesellschaft offenbar kaum noch ohne Nebenwirkung zu erzielen. Es lohnt daher, sich das, was als Fortschritt verkauft wird, näher zu beleuchten.

Ausgebrannt
Vom Ende der Glühbirne
Im September 2012 werden auch die 25- und die 40-Watt-Glühbirnen aus den Läden verschwinden. Alle anderen herkömmlichen Birnen sind schon aus dem Verkehr gezogen. Dann gibt es keine Lampen mit dem Wolfram-Draht mehr zu kaufen. 

Glühbirne Foto 3Sat

Stattdessen sollen die Deutschen mit Energiespar-lampen ihre Häuser und Büros beleuchten. Ein großer Fortschritt, sagen die Befürworter, denn ein geringerer Energieaufwand ist gut fürs Klima. Kritiker sehen dies ganz anders: Für sie ist die Energiesparlampe eine große Mogelpackung. Sie prophezeien Giftmüllprobleme und ernsthafte Gefahren für die Gesundheit der Menschen – bei deutlich geringeren Energieeinsparungen als versprochen.

Die Weichen für die Energiesparlampen wurden 2009 in Brüssel gestellt, als Energieeffizienzvorgaben und somit faktisch ein Glühlampen-Verbot beschlossen wurde. Doch hat sich die EU-Kommission auch über das Recycling-Problem Gedanken gemacht?

Zukunftstechnologien in der Lichtbranche
Im Prüfzentrum Technik in Wilhelmshaven testet Wolfgang Herter nicht nur Energiesparlampen, sondern auch eine deutlich jüngere Licht-Technik, die LEDs. Ein Vorteil der Leuchtdioden ist, dass sie kein Quecksilber zum Leuchten brauchen.
weiter …

 

Im September 2012 werden nun auch die letzten und schwächsten Glühlampen verboten. Als Alternative sollen wir die Energiesparlampe kaufen. Fachhändler Stefan Schrader hält das nicht für richtig.

Ökologisch fragwürdig, gesundheitlich bedenklich Foto 3Sat

 

 

 

 

 

 

 

 

Stefan Schrader, Lampenhändler: 

„Die Energiesparlampe ist eine Entladungslampe und die ist nicht dafür konzipiert worden, dass man sie ständig ein- und ausschaltet. Aber wir Bürger werden ja jetzt gezwungen überall Energiesparlampen einzusetzen. So werden die Lebensdauern überhaupt nicht erreicht. Im Kleingedruckten steht 20 Jahre, aber nur, wenn sie nicht länger als 2,5 Stunden am Tag brennt. Ich finde das schon sehr abenteuerlich.“

Industrie und Politik preisen die Kompaktleuchtstofflampe als Öko-Birne.

Stefan Schrader Lampenhändler Foto 3Sat

 

Stefan Schrader, Lampenhändler: 

„Wie kann die eine Öko-Birne sein, wenn die voll mit Quecksilber ist? 2,3 mg reichen schon aus, um Erdreich zu verseuchen.“
Eine Öko-Mogelpackung?

Was ist dran an den Vorwürfen? Schon nach dem Verbot der ersten Glühlampen stieg der Energiesparlampen-Absatz im Jahr 2009 um 35 Prozent auf 27 Millionen Stück an. Wird uns nun eine Lampe als ökologisch wertvoll verkauft, die es gar nicht ist? In Wilhelmshaven im „Prüfzentrum Technik“ untersuchen Elektroingenieur Wolfgang Herter und seine Kollegen schon seit Jahren unterschiedliche Leuchtmittel. Wolfgang Herter testet auch, wie lange Energiesparlampen wirklich brennen.

Wolfgang Herter, Elektroingenieur:
„Was auf der Verpackung steht, das stimmt in der Regel nicht – dass die 8.000-10.000 Stunden halten sollen. Dann haben wir noch den Schalttest: Wenn man sich vorstellt, im Badezimmer ist 10-mal an- und ausschalten überhaupt kein Problem. So hat man noch nicht einmal eine Lebensdauer von einem Jahr für so eine Lampe.“
Energiesparlampen sind in jeder Form und Größe erhältlich, und alle haben eines gemeinsam: sie enthalten Quecksilber. Sobald der Glaskolben bricht, tritt Quecksilberdampf aus.

Gary Zörner, Chemiker: 

Chemiker Gary Zörner Foto 3Sat

„Jedes bisschen Quecksilber macht ein kleines bisschen dümmer. Und es muss alles getan werden, dass weltweit Quecksilber weder gewonnen, noch produziert, noch in Umlauf gebracht wird.“

In Europa dürfen nur Lampen hergestellt werden, die maximal 5 Milligramm Quecksilber enthalten. Wird bei der Produktion zu wenig in die Lampe eingebracht, funktioniert sie nicht. Mit zu viel Quecksilber dagegen schon. Und das ist das Problem.

Katja Winkelmann, Lichtplanerin:
„Und so wird eben bei den Billigprodukten oder bei vielen Produkten die in Asien produziert werden, wird einfach eine größere Menge Quecksilber eingebracht, damit es auf jeden Fall funktioniert. Also diese feineren Kontrollen, die es vielleicht in Deutschland gibt, die gibt es dort eben nicht, das heißt billigere Produkte haben natürlich einen höheren Quecksilberwert.“

Quecksilber ist nicht das einzige Giftstoffproblem

Sparlampenentsorgung Foto 3Sat

Die Mülltrennung klappt hierzulande wegen des ausgeprägten Umweltbewusstseins recht gut. Nur bei der Energiesparlampe gibt es ein massives Recyclingproblem. Nur 10 % der Lampen aus privaten Haushalten werden abgegeben. 90% der quecksilberhaltigen Birnen landen im Hausmüll und gelangen so in die Umwelt und ins Erdreich. Anders als bei Batterien, weiß kaum jemand, dass die Lampe nicht in den Hausmüll gehört. Das Recycling ist aufwendig: Glas, Quecksilber und Elektronik werden getrennt. 3% der giftigen Reste der Energiesparlampe sind nicht recycelbar. Sie werden unter Tage endgelagert. Wie unser Atommüll.

Die Frankfurter Öko-Test-Redaktion hat 16 verschiedene Energiesparlampenmodelle getestet und dabei festgestellt, dass Markenprodukte und Billiglampen oft die gleichen Schwächen haben. Und dabei ist Quecksilber nicht das einzige Giftstoffproblem der Lampen.

Jürgen Stellpflug, Öko-TEST:
„Sie dünsten teilweise. Wir sind darauf gekommen, weil uns Verbraucher darauf aufmerksam gemacht haben, dass die ESL stinken. Und wir haben es untersucht und tatsächlich festgestellt, diese Stoffe, die wir da untersucht haben, die will man im Schlafzimmer auf keinen Fall haben.“

Giftstoffmessung Foto 3Sat

 

Giftige Stoffe in unseren Wohnungen? Im Labor für chemische Analytik untersucht Gary Zörner für uns die Ausdünstungen verschiedener Lampenmodelle von unterschiedlichen Herstellern.

 

Gary Zörner, Chemiker: 

„Das schlimme ist , dass wir einen ganzen Cocktail an Giftstoffen haben. Diese Lampe müsste eigentlich sofort verboten werden.“
Nicht klar ist, warum überhaupt Giftstoffe aus der Lampe ausgasen können.

Wolfgang Maes, Baubiologe:
„Es wird sich nicht gekümmert. Das Geschäft steht offenbar im Vordergrund. Wir haben es mit Giftstoffen und mit biologisch kritischen Aspekten zu tun. Und die Hersteller lassen es, solange der Verbraucher es konsumiert, so sein wie es ist.“

 

Die Energiesparlampe – ein Kind Brüssels

EU Brüssel Foto 3Sat

Die Weichen für die Energiesparlampen wurden 2009 in Brüssel gestellt, als Energieeffizienzvorgaben und somit faktisch ein Glühlampen-Verbot beschlossen wurde. Doch hat sich die EU-Kommission auch über das Recycling-Problem Gedanken gemacht?

Energie-Kommissar Günter Oettinger lehnt ein Interview ab. Laut seiner Sprecherin müssten alle Bürger wissen, wohin mit der Lampe.

Marlene Holzner, Sprecherin des EU Kommissars für Energie:
„Was die Geschichte der Entsorgung angeht: Laut Gesetz sind die Geschäfte verpflichtet, die deutschen Bundesbürger zu informieren, wo und wie sie diese Lampen abgeben müssen.“

Rücknahme eine freiwillige Leistung
Hier irrt sich die Energie-Sprecherin der EU Kommission. Für die Entsorgung sind in Deutschland die Hersteller zuständig. Für den Handel ist die Rücknahme eine freiwillige Leistung. Marlene Holzner meldete sich am Tag nach unserem Interview und berichtigte ihre Aussage.
Vor dem Glühlampenverbot müsste sich die EU-Kommission ja eigentlich auch mit der Frage beschäftigt haben, ob die Energiesparlampe als Alternative gesundheitlich unbedenklich ist. Wir fragen die Energie-Sprecherin der EU Kommission.

Reporterin:
„Gab es nun vor diesem Glühlampenverbot Studien zu den Gesundheitsgefährdenden Eigenschaften der Energiesparlampen oder nicht?“

 

Marlene Holzner, Sprecherin des EU Kommissars für Energie:

EU-Sprecherin Marlene Holzer Foto 3Sat

„Bevor wir die Glühbirne vom Markt genommen haben, sind wir auch der Frage nachgegangen, wie ist das mit Quecksilber in der Energiesparlampe? Wir haben dazu unabhängige Wissenschaftler gefragt, die in unserem Beirat sitzen. Und die haben gesagt, dass es keine Gesundheitsrisiken gibt durch den Quecksilbergehalt in den Energiesparlampen.“
Einen Tag später gibt Frau Holzner per E-Mail zu: „Der EU-Kommission lagen die Studien-Ergebnisse erst im Mai 2010 vor.“

Gesundheitliche Aspekte spielten keine Rolle

Als die Richtlinie zur Energieeffizienz bei Leuchtmitteln beschlossen wurde, saß auch der Abgeordnete Holger Kramer mit im Parlament. Er hat die Auseinandersetzung mit den Gefahren der Spar-Birne ganz anders in Erinnerung.

Holger Krahmer, EU Abgeordneter (FDP):
„Es ist klar, dass die gesundheitlichen Aspekte keine Rolle gespielt haben. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine weitreichenden Untersuchungen dazu.“
Das Parlament segnete ab, was ein kleiner Kreis, beraten von Vertretern der Leuchtmittelindustrie, vorgeschlagen hatte. Ein übliches, aber undurchsichtiges Entscheidungsverfahren.

Holger Krahmer, EU Abgeordneter (FDP): 

EU-Abgeordneter Holger Kramer
Foto 3Sat

„Das beinhaltet, dass die EU-Kommission einen Ausschuss bildet, einen Verwaltungsausschuss, in dem diese Entscheidung gefallen ist. Es ist also eine reine Verwaltungsentscheidung gewesen, keine demokratische.“

Kein Umweltschutzgedanke!

 

Reporterin: 

„Wer entscheidet denn genau, wer in diesen Ausschüssen sitzt?“

Holger Krahmer, EU Abgeordneter (FDP):
„Das ist letztlich eine Entscheidung der EU-Kommission, in dem diese Entscheidung gefallen ist. Das ist also eine reine Verwaltungsentscheidung gewesen, keine demokratische.“

Reporterin:
„Wer entscheidet denn, wer in diesen Ausschüssen sitzt? Wie kommt es, dass Vertreter der Industrie da sitzen, wie z.B. Osram und Philips, wenn es um ein Glühlampenverbot geht?“

Holger Krahmer, EU Abgeordneter (FDP):
„Das kommt immer drauf an, wer kennt wen, wer wie vernetzt ist. Man kann davon ausgehen, dass es nicht um einen Umweltschutzgedanken ging, sondern stark geprägt war von wirtschaftlichen Interessen. Wir besorgen durch solche Entscheidungen Geschäftsmodelle.“

Zukunftstechnologien in der Lichtbranche

Zukunftstechnologien Foto 3Sat

Im Prüfzentrum Technik in Wilhelmshaven testet Wolfgang Herter nicht nur Energiesparlampen, sondern auch eine deutlich jüngere Licht-Technik, die LEDs. Ein Vorteil der Leuchtdioden ist, dass sie kein Quecksilber zum Leuchten brauchen.

Wolfgang Herter, Elektroingenieur:

„Diese LEDs sind sehr effektiv, verbrauchen also wenig Strom, um Licht zu erzeugen.“
Sind die LEDs die Zukunft unserer Innenraumbeleuchtung? Bei Philips in Aachen forschen Wissenschaftler an einer ganz neuen Lampengeneration, der organischen Leuchtdiode: OLED. Massentauglich ist die Technologie noch nicht, wir dürfen aber einen Blick auf die Prototypen werfen. Das Ergebnis wirkt wie leuchtendes Glas.

Kristin Knappstein, Philips:
„Das ist eine OLED, eine organische Licht emittierende Diode. Das ist ein neues Leuchtmittel, dass zur Familie der Halbleiterlichtquellen gehört. Also ganz ähnlich in der Lichterzeugung funktioniert wie eine LED. Das was die OLED von allen anderen Lichtquellen unterscheidet ist, dass sie keine Punktlichtquelle ist. Dadurch dass es eine Fläche ist, wird sowohl das Licht als auch die Hitze sehr schön verteilt und sie ist ideal dafür, um integriert zu werden. Das können Möbel sein, das können Flächen sein, das können Fenster sein.“

Umweltfreundlicher als andere Leuchtmittel

Neue Leuchtmittel Foto 3Sat

Die Firma Philips gewährt uns auch Einblicke in die Produktion der neuen Technologie. Erstaunlich: Denn über Energiesparlampen wollte dieses Unternehmen nicht mit uns reden. Die Fertigungsstätte ihrer neuesten Lampenentwicklung, mit höchsten Hygiene-Vorschriften, führen sie uns gerne vor.

Wolfgang Dötter, Philips:
„Wenn wir OLEDs herstellen wollen, ist der aller erste Schritt, dass wir mit einem Glas anfangen. Das ist ein Spezialglas, denn es ist ein elektrisches Bauteil, das heißt wir müssen es mit diesem Glas schaffen, sowohl elektrischen Strom leiten zu können, als auch Licht aus dem Bauteil raus kommen zu lassen. Dementsprechend muss es transparent sein.“

Wolfgang Dötter hofft, dass die organische Leuchtdiode die Zukunftstechnologie in der Lichtbranche wird. Auch weil mehr umweltfreundliche Materialien genutzt werden können als bei anderen Leuchtmitteln.

Wolfgang Dötter, Philips:
„Wir haben bis zu 20 verschiedene Schichten, die da deponiert werden, die dann diese organische Schicht machen. Das ist ein Team, das zusammen funktionieren muss. Jede Schicht hat ihre eigene Aufgabe. Das Ganze ist mehrere 100 Nanometer dick, das ist 10.000-mal so dünn wie ein menschliches Haar. Das ist auch für einen Physiker fast unvorstellbar dünn – eine faszinierende Technologie.“

Auch bewegliche OLEDs möglich 

OLED Foto 3Sat

Anders als die gängigen Leuchtmittel, wandeln OLEDs Energie effektiv in Licht um, ohne dabei heiß zu werden. Und verbrauchen dadurch weniger Strom.

Wolfgang Dötter, Philips:
„Die Lebensdauer hat zwischen 20.000 und 40.000 Stunden schon erreicht.“

Reporterin:
„Wenn die Lebensdauer einer OLED abgelaufen ist, wie sieht es dann mit dem Recycling aus?“

Wolfgang Dötter, Philips:
„Im Wesentlichen sind die Materialien die hier verbaut sind Glaswertstoffe, so dass sie die ganz einfach entsorgen können. Und die organische Chemie, das sind im wesentlichen Kohlenwasserstoffe, so dass das recycelbare Materialien sind.“

Mit dieser Technologie sind auch bewegliche OLEDs möglich. Leuchtende Folien, Lampenschirme, die selbst das Leuchtmittel sind. Oder Fenster und Wände die für sich die Raumbeleuchtung bilden. Leuchtende Aussichten, nur leider für den Hausgebrauch noch unbezahlbar.

Quelle: 3Sat-Sendung vom 19.04.2012 um 20.15 Uhr

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