BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Im Müll stecken Millionen

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Der Grüne Punkt ist eine Erfolgsstory – dennoch steht die Erfassung des Verpackungsmülls vor einem Wandel

Der Grüne Punkt ist das Symbol für das Volk der Mülltrenner – international vielfach kopiert. Doch Lücken im Erfassungssystem und explodierenden Preise für Rohstoffe dürften schon bald zu Änderungen des Modells führen.

Berlin. Die Zahlen können sich sehen lassen: Nach Angaben von Branchenprimus Duales System Deutschland (DSD) sind die Kosten für die Sammlung und das Recycling von Verpackungsmüll seit 1998 um zwei Drittel gesunken (heute rund zehn Euro pro Bundesbürger und Jahr), 87 Prozent der Verpackungen des privaten Endverbrauchers werden verwertet, gleich 26 europäische Länder haben das deutsche Modell ganz oder in Teilen übernommen. „Der Grüne Punkt ist unbestritten das Vorbild in Europa und weltweit“, sagt Stefan Schreiter, Vorsitzender der Geschäftsführung beim DSD, nicht ohne Stolz.

Bei der Bremer Firma Nehlsen werden auch die Inhalte der Gelben Säcke recycelt.
Foto: Frank Thomas Koch

Trotz dieser Erfolgsbilanz dürfte aber auch für den Branchenprimus, der sich mit neun Konkurrenten den Markt teilt, die Zukunft etwas stürmischer werden. Denn Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) plant die bundesweite Einführung einer Wertstofftonne. In Altmaiers Augen ist die gegenwärtige Situation widersinnig: Der Joghurtbecher – da Verpackung – wird gesammelt und wiederverwertet, das kaputte Nudelsieb hingegen landet im Hausmüll – obwohl beide aus Kunststoff sind. Der Minister will diesem Unsinn ein Ende machen. Bundesweit soll es künftig eine einheitliche Wertstofftonne geben, die dann Gelben Sack und Gelbe Tonne ablöst.

Wertvolle Badewannen-Ente
Die Idee macht Sinn. Denn die Rohstoffpreise beispielsweise für Metalle sind in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert. Und Erdöl als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen wird zunehmend knapper. So gesehen ist die Badewannen- Ente im Müll nicht minder wertvoll als die weggeworfene Bratpfanne. Altmaiers Ziel: Pro Einwohner und Jahr sollen fünf bis sieben Kilogramm Metalle und Kunststoffe – der Kenner spricht von „stoffgleicher Nichtverpackung“ – zusätzlich recycelt werden.

Schon heute werden nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) mehr als 14 Prozent des Rohstoffbedarfs der deutschen Industrie durch Wiederverwertung gedeckt. Und das Potenzial scheint gigantisch: Rund 350 Millionen Tonnen Abfall fallen jährlich in Deutschland an. Nur 20 Millionen Tonnen davon sind Restmüll, der in der Regel verbrannt wird. Bauschutt – meist gespickt mit wertvollen Rohstoffen – kommt hingegen auf 190 Millionen. Schon heute werden mit dem Recycling hierzulande rund 50 Milliarden Euro umgesetzt.

Da wird auch schon mal mit harten Bandagen gekämpft. In Berlin etwa sorgte der „Müllkrieg“ zwischen dem Privatunternehmer Alba und der Berliner Stadtreinigung (BSR) für Schlagzeilen: Alba entsorgte im Rahmen eines Pilotprojekts viele Haushalte in der Bundeshauptstadt mit einer Wertstofftonne. Als die BSR erkannte, wie lukrativ das Geschäft ist, stellte sie ihre eigenen Boxen auf. Nach jahrelangem Hickhack und etlichen Terminen vor Gericht haben sich die Kontrahenten dann darauf geeinigt, den Markt aufzuteilen.

Ähnlich wie in Berlin gibt es mittlerweile in vielen Städten Wertstofftonnen, nach Angaben des BDE nutzen rund zehn Millionen Bundesbürger diesen Weg der Entsorgung. Doch die Regelungen sind häufig unterschiedlich. So kann der Berliner auch Elektroschrott in die Tonne werfen, der Duisburger hingegen soll es nicht.

In einem Thesenpapier zur Wertstofftonne hat Altmaier zwei spannende Fragen bewusst offengelassen: Wer finanziert das System und wer setzt es um? Das Duale System finanziert sich durch Lizenzgebühren, die Hersteller und Handel zahlen, damit der Verpackungsmüll gesammelt und wiederverwertet wird. Wer zahlt aber dafür, wenn vermehrt Kinderspielzeug aus Kunststoff gesammelt wird – Hersteller, Handel, Verbraucher?

Offen lässt der Bundesumweltminister auch die Frage, wer Herr über die Wertstofftonnen sein wird. Heute sammeln und verwerten sowohl kommunale Firmen als auch private Entsorger die gelben Säcke und Tonnen. Die Kommunen befürchten, dass sich die privaten Abfallentsorger die Rosinen aus dem Müll picken dürfen. Die private Konkurrenz indes verweist auf ihr Know-how in Sachen Wertstoffverwertung und fühlt sich für die Herausforderung gerüstet. BDE-Sprecher Karsten Hintzmann gibt zu bedenken: „Man kann mit der Abfallverwertung nicht schnell Geld verdienen. Voraussetzungen sind immer hohe Investitionen in Anlagen und Technologie.“

Davon macht sich Altmaier heute selbst ein Bild. Er besucht die Entsorgungsfirma Remondis im westfälischen Lünen und will sich dann auch zur Wertstofftonne äußern. Vielleicht gibt es danach ja weniger offene Fragen.

Quelle: Weser Kurier vom 30.10.2012 von Norbert Holst

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