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Kritik an Öffnung des Wassermarktes

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Kommunale Versorger der Region sehen sich für einen Wettbewerb gerüstet / EU treibt Liberalisierung voran

„Besser kann es eigentlich nicht werden.“ Arno Seebeck, WAV-Geschäftsführer

„Besser kann es eigentlich nicht werden.“ Arno Seebeck, WAV-Geschäftsführer

Sturm im Wasserglas oder Privatisierungsflut: Die geplante Öffnung des Trinkwassermarktes in den EU-Mitgliedsstaaten hat bei der Lobby der deutschen Wasserversorger und Kommunalunternehmen eine mittlere Protestwelle ausgelöst. In der Region verfolgen die Versorger die Debatte mit entspannter Aufmerksamkeit.

Landkreis Osterholz. Wettbewerb beim Wasser – Damit bedrohe die EU die Qualität, Preisstabilität und Versorgungssicherheit. So warnen die Dachverbände der Versorgungsunternehmen. Marktliberale Stimmen wie das Bundeswirtschaftsministerium sehen dagegen beim Trinkwassermonopol noch Wirtschaftlichkeitsreserven.

Arno Seebeck, Geschäftsführer des Wasser- und Abwasserverbands (WAV) Osterholz. Foto: Lau

Arno Seebeck, Geschäftsführer des Wasser- und Abwasserverbands (WAV) Osterholz. Foto: Lau

Das Thema Liberalisierung ist längst auch zu den hiesigen Versorgern durchgesickert: Osterholzer Stadtwerke und Wasserverband Osterholz (WAV) verfolgen genau, wie in Brüssel um einen Kompromiss gerungen wird. Der Gedanke an mögliche Mitbewerber schrecke sie nicht, versichern Stadtwerke-Prokurist Oliver Milz und WAV-Geschäftsführer Arno Seebeck übereinstimmend. „Wir stellen uns gerne dem Wettbewerb und überzeugen durch unsere Leistungen.“ Beide Häuser seien sehr gut aufgestellt; ihr Erfolgsrezept sei das Engagement zum Wohle der Region.

Für fraglich halten es Milz und Seebeck dabei, ob Dritte eine vergleichbar zuverlässige Versorgung bei hoher Wassergüte würden leisten können.

Gerold Wittig, Geschäftsführer des WVV Wesermünde-Süd. Foto: Bär

Gerold Wittig, Geschäftsführer des WVV Wesermünde-Süd. Foto: Bär

Ein Blick ins Ausland zeige, dass derlei keineswegs selbstverständlich sei; damit spielen WAV und Stadtwerke auf Spanien, Portugal und Großbritannien an, wo die Wasser-Privatisierung längst Fuß gefasst hat. Explodierende Preise, marode Leitungen und Komplettausfälle haben dort Schlagzeilen gemacht. Gerold Wittig, Geschäftsführer des WVV Wesermünde-Süd sieht, die Entwicklung denn auch kritisch. „Die Richtlinie könnte die Schleusen zu einer Privatisierung des Wassers öffnen“, warnte unlängst in Bramstedt auf einer Verbandsversammlung. Das bisherige System, die Versorgung an ein dem Gemeinwohl verpflichtetes Unternehmen zu geben, habe sich hierzulande bewährt.

Oliver Milz, kaufmännischer Leiter und Prokurist der Osterholzer Stadtwerke. Foto: Valek

Oliver Milz, kaufmännischer Leiter und Prokurist der Osterholzer Stadtwerke. Foto: Valek

Tatsache ist: Der Binnenmarkt-Ausschuss des Europaparlaments beriet vergangene Woche über die Initiative von EU-Kommissar Michel Barnier. Dessen Konzessionsvergabe-Richtlinie soll, wenn sie denn so beschlossen wird, einerseits eine Diskriminierung auswärtiger Anbieter ausschließen, andererseits zumindest die rein kommunalen Wasserbetriebe einstweilen ebenso verschonen wie den Rettungsdienst. Darauf haben jetzt jedenfalls die deutschen Abgeordneten mit Ausnahme der Liberalen gedrängt.

Das beinahe 100 Seiten starke Papier mit dem Titel „Binnenmarktakte – Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen“ könnte im Frühjahr oder Sommer dem Europaparlament vorgelegt werden, heißt es. Neben dem Energie- und Wassersektor könnten auch Verkehrsversorgung und Postdienstleistungen betroffen sein. Die Richtung scheint dabei klar: Leistungen, die die öffentliche Hand nicht selbst ausüben kann oder will, müssen EU-weit ausgeschrieben werden, wie das bei großen kommunalen Bauvorhaben schon heute der Fall ist.

Gerungen wird bei den Wasserlizenzen um Details: Brüssel will unterbinden, dass Versorger ihre Geschäfte querfinanzieren, vor allem dann, wenn die Unternehmen bereits teilprivatisiert sind. Wer dann auch noch mehr als 20 Prozent seiner Kunden außerhalb der Stadtgrenzen hat, soll sich der Konkurrenz stellen müssen. Die Preisbildung, so die Hoffnung, könnte dadurch transparenter werden. Dies könnte eines Tages zuerst die großen Stadtwerke in Köln oder München treffen, hört man in Branchenkreisen. Übergangsfristen bis 2020 sind im Gespräch.

„Es gibt noch ein paar ungefangene Fische, aber besser kann es eigentlich nicht werden“, fasst Arno Seebeck seine Position zusammen. Er rechne zwar nicht vor Ende 2014 mit einem Bundesgesetz; die politischen Weichen aber würden in diesen Wochen und Monaten gestellt. Oliver Milz, dessen Betrieb letztlich WAV-Kunde ist, gibt sich entspannt: Der momentane Beratungsstand deute zwar auf eine Entwicklung wie beim Strom und Gas hin, aber die Stadtwerke seien ja auch auf diesem Sektor „von Anfang an gut dabei“ gewesen.

Die Versorger-Lobby trommelt dennoch weiter und argumentiert mit den gewachsenen Strukturen in Deutschland, wo die Wasserversorgung nun mal zu Kommunalhoheit und Daseinsvorsorge zähle. Wasser auf die Mühlen der Verbände ist dabei die Kampagne von Umweltaktivisten und Gewerkschaftern, „Wasser ist ein Menschenrecht“ (www.right2water.eu/de).

Die Hagener Kommunalpolitikerin Claudia Theis (Freie Wähler) hatte sich in der Bramstedter Versammlung auch gleich zu Wort gemeldet: „Wem fühlt sich eine Aktiengesellschaft wohl mehr verpflichtet: dem Allgemeinwohl oder den Aktionären?“, fragte sie in die Runde.

Bislang können Städte und Gemeinde selbst entscheiden, ob sie das Wassergeschäft in Eigenregie, gemeindeübergreifend oder zusammen mit privaten Partnern abwickeln. Die neue Rechtsunsicherheit könnte dazu führen, dass kostspielige Netz-Investitionen unterbleiben, warnen Skeptiker. Für die Planungen von WAV und Stadtwerken sei dies jedoch kein Thema, sagen die Osterholzer Verantwortlichen.

EU-Kommissar Barnier hat unterdessen abgewiegelt: Die Kommunen würden bei der Organisation der Wasserversorgung nicht beeinträchtigt. Niemand werde gezwungen, sein Wasserwerk zu verkaufen. Denn es seien ja auch noch andere Vergabekriterien denkbar als nur der günstigste Preis, so etwa Umwelt- oder Sozialstandards. Der Franzose sieht die Richtlinie im Kontext einer Anti-Korruptions-Offensive; seine Landsleute in Grenoble haben in den Neunziger Jahren allerdings beim sogenannten Waterleau-Skandal erlebt, dass Privatisierung keineswegs vor Bestechung schützt.

Quelle: Weser Kurier vom 31.01.2013 von Bernhard Komesker und Luise Bär

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