BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Unter der Müllkippe steht ein Gift-See voller Chemikalien

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Liebenburg: Ein Umweltskandal im Landkreis Goslar wurde jahrzehntelang vertuscht.

Ein lange verschwiegener und ignorierter Umweltskandal schlägt im Landkreis Goslar hohe Wellen: Unter der ehemaligen Mülldeponie Morgenstern zwischen Goslar-Hahndorf und Liebenburg befindet sich seit Jahrzehnten ein See aus Gift.

„Ich habe als Kind in der Nähe gespielt und kann mich noch an den Gestank erinnern.“  Friedhart Knolle, Umweltschützer beim BUND und Geologe  Foto Braunschweiger Zeitung

„Ich habe als Kind in der Nähe gespielt und kann mich noch an den Gestank erinnern.“
Friedhart Knolle, Umweltschützer beim BUND und Geologe
Foto Braunschweiger Zeitung

„Es ist einer der größten Harzer Umweltskandale“, diese Ansicht vertritt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Goslar. Dr. Friedhart Knolle ist Umweltschützer beim BUND und Hydrogeologe. Er befasst sich schon seit Jahrzehnten mit der Deponie Morgenstern und den unterirdischen Altlasten. Er hat sogar eine persönliche Bindung zu dem Problem: „Ich habe als Kind in der Nähe gespielt und kann mich noch an den Gestank erinnern.“ Jahrelang habe er auf die Behörden eingeredet, um den Fall öffentlich zu machen. Zunächst erfolglos.

Von einer „Vertuschungsstrategie“ spricht Knolle, der damals nicht aufgab. Im Jahr 2010 habe der Landkreis Goslar, Betreiber der Deponie, seine Strategie geändert. Seitdem lege er alles offen und beziehe die Öffentlichkeit ein, sagt Knolle.

Erst jetzt kommt also ans Tageslicht, was über Jahrzehnte vertuscht wurde. Von 1963 bis 1968 „entsorgte“ die auf dem Gelände ansässige Firma Florentz hier legal und illegal Chemikalienabfälle. Diese Altlasten könnten gefährlich für das Trinkwasser der anliegenden Gemeinden werden. Probebohrungen vor wenigen Wochen bestätigten: Unter der ehemaligen Mülldeponie ist ein See aus Gift. Zum Teil hochtoxische und krebserregende Dioxine und Furane belasten den Boden.

Wie groß dieser Gift-See ist, weiß niemand. Knolle geht mindestens von „einigen 1000 Litern“ aus. Es könnten aber auch mehr sein. Mittlerweile wisse man, dass das Ehepaar Florentz, die Betreiber der gleichnamigen Entsorgungsfirma, viele Flüssigkeitsabfälle nicht dokumentiert hat. Knolle spricht von ganzen Tankwagenladungen, die einfach verschwunden sind.

Man könne von einem Wunder sprechen, dass das umliegende Grundwasser noch nicht verseucht wurde. Bei Proben an Trinkwasserbrunnen im Vorharzgebiet wurden bisher keine Schadstoffe gefunden. „Das spricht dafür, dass das Gift unter der Deponie steht und nicht fließt“, so Knolle. Sicher könne man aber nicht sein.

Wie ist der Gift-See entstanden? Von 1938 bis 1963 wurde in der Grube Morgenstern sowohl ober- als auch untertägig Erz abgebaut. Bereits ab 1955 wurde hier ungeordnet Hausmüll abgelagert. Und ungeordnet heißt wirklich ungeordnet. Auch das ein oder andere Auto war dabei, „alles völlig unsortiert und ohne Basisdichtung“, so Knolle. 1963 kam dann noch die Firma Florentz hinzu. Im Tagebau entstand ein Fasslager, auch in den Untertagebau wurden Chemikalien gekippt.

1970 gab es einen Brand, der sich über das komplette Fasslager an der Oberfläche ausbreitete. Die zweimonatigen Löscharbeiten endeten damit, dass das Feuer und auch die Fässer mit Erde zugeschüttet wurden. 1976 pachtete der Landkreis das Gebiet und errichtete die geordnete Abfallentsorgungsanlage Morgenstern, die bis 1993 betrieben wurde.

Walter Böhm kann sich noch an die Firma Florentz erinnern. Der heute 74-Jährige war Ende der 1960er Jahre bei einer Goslarer Firma als LKW-Fahrer angestellt. Irgendwann habe er davon gehört, dass das Ehepaar Florentz Leute sucht, die beim Zuschütten des Hauptschachtes der Grube helfen. „15 Mark haben sie für eine LKW-Ladung groben Putz gezahlt“, erinnert sich Böhm, gutes Geld bei einem Wochenverdienst von 140 Mark. Ungefähr zehnmal ist er mit seinem LKW zur Grube gefahren. Heute vermutet er einen Vertuschungsversuch der Ehepartner, „die kurz vor der Pleite standen“. Böhm berichtet von einem unsäglichen Gestank, der aus dem Schacht kam, und ist sich sicher: „Alle Fässer mit Chemikalien haben sie in den Tagebau geschmissen. In den Schacht haben nur große Tankwagen abgeladen.“

Dieses Bild vom obertägigen Fasslager aus dem Jahr 1970 zeigt, in welchen Dimensionen die Firma Florentz auf dem Gebiet der ehemaligen Grube... Foto Privat

Dieses Bild vom obertägigen Fasslager aus dem Jahr 1970 zeigt, in welchen Dimensionen die Firma Florentz auf dem Gebiet der ehemaligen Grube…
Foto Privat

1968 starb das Ehepaar Florentz unter bis heute ungeklärten Umständen in der Firma. Böhm geht von Selbsttötung aus. Laut einem damaligen Zeitungsberichten kann es auch ein Chemieunfall gewesen sein.

Und wie geht es weiter? Der Landkreis Goslar ist um Aufklärung bemüht. Wasserproben, die auf dem Gelände der Deponie gesammelt wurden, werden nun analysiert.

„Mitte Mai soll ein Expertengutachten fertig sein“, sagte Sprecher Dirk Lienkamp. Dann sollen mehr Details über die Beschaffenheit der vorhandenen Schadstoffe und ihre Konzentration möglich sein. Zurzeit kalkuliert der Kreis mit Kosten von 13,5 Millionen Euro für die Sanierung.

Quelle: Braunschweiger Zeitung vom 02.05.2013 von Hendrik Roß

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