BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Straßen aus Kunststoff: Diese hohlen Gassen müssen kommen

| Keine Kommentare

Nie wieder Schlaglöcher und Baustellenstaus: Ein niederländisches Unternehmen will den Straßenbau revolutionieren – mit Fahrbahnen aus Plastik.

Eine Erfindung, die Umwelt und Autofahrer gleichzeitig entlastet, muss zwangsläufig verwegen sein. Das Vorhaben von Rienus De Vries klingt tatsächlich abenteuerlich: Der Niederländer will Straßen aus Plastik bauen. Sollte sein Plan aufgehen, wären nicht nur Schlaglöcher endgültig gestopft.

VolkerWessels

VolkerWessels

De Vries ist Geschäftsführer der Baufirma KWS Infra, deren Unternehmensgeschichte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts reicht. Mit dem Straßenbelag aus recyceltem Kunststoff will er nun buchstäblich neue Wege einschlagen. „Heutige Asphaltstraßen haben ihre Grenzen, zum Beispiel was das Anlegen und die Instandhaltung betrifft“, sagt De Vries. Große Teile der Niederlande liegen unter dem Meeresspiegel, konventioneller Straßenbau ist wegen des schwammigen Untergrunds an manchen Orten schwierig. Gemeinden wollen Straßen, die lange halten, Lärm reduzieren und nicht überschwemmt werden. Mit Plastik ließen sich diese Herausforderungen einfacher lösen. Instandhaltung ist überall eine Herausforderung: Asphaltbeläge werden abgefahren, müssen ausgebessert oder ganz erneuert werden.

Gleichzeitig schwimmen Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren. „Diese beiden Probleme wollten wir angehen.“

Die Plastikabfälle will De Vries einschmelzen und in Form bringen. Ihm schweben Bauteile vor, die der Hülle einer Streichholzschachtel ähneln: rechteckig und innen hohl. Im Freiraum unter der Fahrspur sollen Leitungen verlegt und Messgeräte installiert werden. Die Fahrbahn könne so gegossen werden, dass Wasser nach unten oder zur Seite abfließt. Nach den Vorstellungen von De Vries lassen sich die einzelnen Straßenteile aneinanderreihen und verbinden, so wie die Schienen einer Carrerabahn. Die Rutschgefahr auf der Plastikstraße soll dabei durch das Einarbeiten von Sand oder anderen Materialien in der Oberfläche gebannt werden.

Der Fahrbahnbelag aus Kunststoff soll robuster sein als Beton und Asphalt – während eine normale Asphaltdecke laut De Vries alle sieben bis zwölf Jahre erneuert werden müsse, hielten die Plastikteile den Verkehrs- und Witterungseinflüssen dreimal so lange stand. Sie sollen außerdem Temperaturen zwischen minus 40 und plus 80 Grad Celsius vertragen. Bei Abflussrohren oder Paletten aus Kunststoff sei die Langlebigkeit des Materials bereits unter Beweis gestellt worden, sagt De Vries. „Und nach 50 Jahren kann man dann alles komplett recyceln.“

Außerdem soll der Verkehr auf den Plastikstraßen auch noch leiser werden: Die Oberfläche lässt sich laut De Vries einfacher als Beton und Asphalt bearbeiten, um Abrollgeräusche zu vermindern.

Und die Umsetzung? Es ist kompliziert, sagt ein Experte
Weniger Lärm, geringere Kosten für die Infrastruktur – es wäre ja nur zu begrüßen, wenn De Vries seine ehrgeizigen Pläne in die Tat umsetzt. Doch was sagen andere Experten zu der Idee, die Straßen mit Plastik zu pflastern? Bei Andre Molenaar, einem emeritierten Professor für Straßen-Ingenieurwesen an der Universität Delft, stößt das Vorhaben noch auf Skepsis: „Materialien für den Straßenbau müssen hohe Anforderungen erfüllen, eine davon ist die Brandbeständigkeit.“ Einmal entflammt, könne Kunststoff sehr umweltschädlich sein.
Zudem sei er ohne Behandlung empfindlich für UV-Strahlung und werde porös. Einfach sämtlichen Plastikmüll zusammenwerfen und daraus einen Fahrbahnbelag machen, das sei nicht möglich. „Man wird eine genaue Auswahl treffen müssen“, sagt Molenaar, „und das macht den Recyclingprozess kompliziert.“

Innovationen beim Straßenbau hält der Professor jedoch für dringend notwendig – sowohl für die Umwelt, als auch für die Wirtschaft. Denn je robuster die Fahrbahn, desto weniger Baustellen und Staus: „Hinzu kommt ein geringerer Materialverbrauch und damit weniger Energiebedarf für dessen Produktion“, sagt Molenaar.

In dieser Hinsicht sind bereits Fortschritte erzielt worden. Ein australisches Unternehmen hat beispielsweise ein Produktionsverfahren für Asphalt entwickelt, bei dem statt Bitumen teilweise Rückstände aus Drucker-Tonern beigemischt werden und der Energieaufwand um fast ein Viertel sinkt. Und in einigen Ländern wird gebrauchtes Straßenbaumaterial nach Angaben des europäischen Asphalt-Dachverbandes zu 90 Prozent wiederverwertet.

Plastikpionierarbeit in Rotterdam
Und dann gibt es noch ein paar verspielte Ideen beim Straßenbau, wie etwa die des Designers Daan Roosegaarde: Er benutzt fluoreszierende Farbe für Fahrbahnmarkierungen. Bei Tageslicht speichert sie Energie, die die Streifen bei Nacht leuchten lässt. Am Ortsrand der niederländischen Stadt Oss wird der sogenannte Smart Highway bereits getestet.

Auch den Plastikvisionen von Rienus De Vries steht bald eine erste Bewährungsprobe bevor. „Wir starten allerdings nicht mit einer Autobahn“, sagt er. Um die richtige Materialmischung zu finden, sei er dazu noch auf der Suche nach Partnerunternehmen. Ein Radweg aus Kunststoff ist schon in Planung: Die Stadt Rotterdam hat bereits einen Platz für die Plastikfahrbahn ausgewiesen.

Quelle: Spiegel Online vom 15.08.2015 von Benjamin Dürr

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.