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30 Jahre Tschernobyl Schadensbilanz für die Bundesrepublik Deutschland

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Deutscher Bundestag Drucksache 18/7996 18. Wahlperiode 29.03.2016

Vorabfassung – wird durch die lektorierte Version ersetzt..

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/7790 –

30 Jahre Tschernobyl – Schadensbilanz für die Bundesrepublik Deutschland

Vorbemerkung der Fragesteller
Am 26. April 2016 jährt sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zum 30. Mal. Hunderttausende verloren ihre Heimat und mussten evakuiert werden. Bis heute gibt es stark verseuchte Regionen in der Ukraine und vor allem in Belarus. Das traurige Erbe von Tschernobyl wird auch für kommende Generationen eine große Herausforderung darstellen. Tschernobyl wird für immer ein Symbol für die unkalkulierbaren Risiken der Atomenergie bleiben. Auch nach so langer Zeit ist die Situation vor Ort nicht wirklich unter Kontrolle. Geplant ist schon lange die Fertigstellung des neuen sicheren Einschlusses (sog. Sarkophag), der eine weitere Gefährdung der Bevölkerung und Umwelt durch radioaktive Strahlung verhindern soll, da der bisherige Betonschutz brüchig geworden ist. Mehrmals kam es in der Vergangenheit zu Verzögerungen und Finanzierungsschwierigkeiten am Bau. Im September 2014 drohte sogar ein Baustopp. Die Sicherung der Anlage hat bereits jetzt erhebliche Finanzmittel in Anspruch genommen. Ziel des sogenannten Shelter Implementation Plans ist es, die Ukraine bei der Schaffung eines umwelttechnisch sicheren Einschlusses für den explodierten Reaktor 4 zu unterstützen. 1997 wurden dafür ca. 715 Mio. Euro eingeplant. Nach einer vorübergehenden Kostenschätzung von 1,6 Mrd. Euro, liegen die Kostenschätzungen nunmehr bei 2,15 Mrd. Euro (vgl. Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit „Kernkraftwerk Tschernobyl. Zur Errichtung des New Safe Confinement, zum Shelter Implementation Plan sowie zur Aufstockung der deutschen Finanzhilfen“, Ausschussdrucksache 18(16)207, April 2015). Auch Deutschland beteiligt sich an der Sicherung, was die Fragesteller ausdrücklich begrüßen. Darüber hinaus fielen aber auch in Deutschland in den vergangenen Jahren viele andere Kosten an, die unmittelbar auf die Reaktorkatastrophe zurückzuführen sind. Welche dies waren beziehungsweise sind und mit welchen weiteren Kosten die Bundesregierung in Zukunft rechnet, soll Gegenstand dieser Kleinen Anfrage sein.

Vorbemerkung der Bundesregierung
Eine Gesamtsumme der aufgrund des Reaktorunfalls von Tschornobyl1 für Deutschland entstandenen Kosten ist nicht exakt zu beziffern. In dieser Antwort werden die Kosten (Darstellung der Beträge erfolgt in Euro, auch wenn die Zahlungen in D-Mark geleistet wurden) genannt, die im direkten Zusammenhang mit dem Unfall bzw. seinen Folgen stehen und die der Bundesregierung vorliegen bzw. ermittelt werden konnten. Kosten für Unternehmen und Privatpersonen, bedingt durch den Unfall von Tschornobyl, über einen Zeitraum von fast 30 Jahren sind für die Bundesregierung nicht ermittelbar. Das katastrophale Ausmaß des Unfalls von Tschornobyl war nach anfänglichem Zögern für die damalige Sowjetunion auch Anlass, sich für internationale Kooperationen zu öffnen. Basierend auf einem im Jahr 1986 abgeschlossenen Regierungsabkommen entwickelte sich eine kontinuierliche wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheitsforschung mit dem Ziel der Verbesserung der Sicherheit kerntechnischer Anlagen.

1) Von welcher Gesamtschadenssumme für Deutschland durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl geht die Bundesregierung bis dato aus, und woraus setzt sich diese zusammen? Falls keine Gesamtkostenschätzung verfügbar sein sollte, auf welche Summe belaufen sich die der Bundesregierung bekannten Kosten durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl für die Bundesrepublik Deutschland?
Eine Gesamtschadenssumme für Deutschland kann nicht ermittelt werden, da der Schaden nicht eindeutig zu bestimmen ist. Auf die Antworten zu den Fragen 2, 3, 4, 6, 7, 13 und 14 wird verwiesen.

2) Welche Kosten sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei Privatleuten und in der Wirtschaft angefallen, und welche in öffentlichen Haushalten?
Auf die Antworten zu den Fragen 3, 4, 6, 7, 13 und 14 wird verwiesen. Informationen über Kosten für Wirtschaft und Privatpersonen liegen der Bundesregierung nicht vor.

3) Welche Ausgaben hat die Bundesregierung direkt nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl für die Not- und Katastrophenhilfe getätigt (z. B. technische und medizinische Unterstützung)?
Der Reaktorunfall in Tschornobyl* hatte erheblichen Einfluss auf den Notfallschutz in Deutschland. Der Aufbau und Betrieb des Integrierten Mess- und Informationssystems (IMIS) ist ursächlich darauf zurückzuführen. Eine belastbare monetäre Quantifizierung dieser Auswirkungen ist jedoch nicht möglich. Im Zeitraum vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 ließ das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) im Auftrag der Bundesregierung das Programm „Strahlenmessung Tschernobyl“ durchführen. Die Ausgaben betrugen rund 6,6 Mio. Euro. Die Messungen bezogen sich nicht nur auf die Ukraine (ca. 50 Prozent), sondern zu je 25 Prozent auf die betroffenen Gebiete in Weißrussland und Russland.

* Im Rahmen der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage wird die ukrainische Schreibweise „Tschornobyl“ anstelle der bislang geläufigeren russischen Schreibweise „Tschernobyl“ verwendet. Ausgenommen sind Bezeichnungen von Forschungsvorhaben/Projekten und Richtlinien.

4) Wie viele Tonnen Lebens- und Futtermittel wurden seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl in Deutschland vernichtet (bitte nach Art der Lebensmittel und Jahren aufschlüsseln), und welche Kosten sind hierfür nach Kenntnis der Bundesregierung angefallen (Kosten der Entsorgung und Ausgleichszahlungen an Landwirte, Jäger und Lebensmittelunternehmen)?
Zu den Mengen der vernichteten Lebens- und Futtermittel liegen der Bundesregierung insbesondere für den Zeitraum bis zum Jahr 1995 keine Angaben vor. Auf Grundlage der vorgegebenen Pauschalen für Ausgleichszahlungen lässt sich eine Vernichtung von ca. 1.200 Tonnen Schwarzwild in der Zeit von 1995 bis 2015 abschätzen.
Die Ausgaben der öffentlichen Hand in diesem Bereich lassen sich wie folgt aufschlüsseln:
a) Ausgleichszahlungen/Entschädigungen, die der Bund in der Zeit von 1986 bis 1995 auf Grundlage mehrerer Richtlinien geleistet hat:

GrundlageKosten in Mio. Euro (gerundet)
Richtlinie vom 21. Mai 1986 zur Abwicklung von Ausgleichsansprüchen nach § 38 Absatz 2 des Atomgesetzes nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl (BAnz. vom 27. Mai 1986, S. 6417) – Ausgleichsrichtlinie – (Ausgleichszahlungen für Erzeuger von Milch und von bestimmten Gemüsearten wie Salat, Spinat, Lauch, Ausgleichszahlungen für belastetes Wildbret) 117
Richtlinie vom 2. Juni 1986 für Entschädigungen unter Billigkeitsgesichtspunkten wegen Einbußen bei bestimmten Gemüsearten (BAnz vom 12. Juni 1986, S 7237) – Billigkeitsrichtlinie Gemüse – (Entschädigungen für weitere Gemüsearten wie Blattsellerie, Brokkoli, Kohlrabi usw.) 38
Richtlinie vom 24. Juli 1986 für eine allgemeine Entschädigungsregelung unter Billigkeitsgesichtspunkten für Schäden infolge des Unfalls im Kernkraftwerk in Tschernobyl (BAnz vom 2. August 1986, S. 10388) – Allgemeine Billigkeitsrichtlinie – (Entschädigung bei Existenzgefährdung und in besonderen Härtefällen) 47

b) Folgende Ausgaben der Länder bis 1995 sind der Bundesregierung bekannt:

GrundlageKosten in Mio. Euro (gerundet)
Länderanteil der Erstattungen nach der Allgemeinen Billigkeitsrichtlinie 26
Landeseigene Billigkeitsrichtlinien (z. B. Baden-Württemberg, Bayern) 3

c) Molkepulver: Molkereien in besonders betroffenen Gebieten insbesondere in Süddeutschland waren angewiesen worden, die Molke von der Milch abzutrennen und einzulagern, da in der Milch der Kühe 134Cs und 137Cs mit Halbwertzeiten von 2 bzw. 30 Jahren festgestellt wurden. Aus der Molke wurden insgesamt 5 046 Tonnen Molkepulver gewonnen. Bei Messungen wurden Werte bis zu 8000 Becquerel pro Kilogramm festgestellt. Für die freie Verkehrsfähigkeit von Molkepulver lag der Grenzwert bei 1850 Becquerel pro kg. Das kontaminierte Molkepulver wurde ab Mai 1986 in Waggons der Bundesbahn auf Abstellgleisen bei Rosenheim gelagert. Für die nicht mehr verkehrsfähige Ware wurde eine Entschädigung von 3,8 Mio. DM (ca. 1,9 Mio. Euro) bezahlt. Im Jahr 1987 wurde das Molkepulver als radioaktiver Abfall deklariert und in den Besitz des Bundes überführt. Ab Februar 1987 wurden insgesamt 242 Bundesbahnwaggons mit dem radioaktiven Abfall (Molkepulver) in Niederbayern und in Meppen auf dem Gelände der Bundeswehr, später auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Lingen zwischengelagert. Mit einem Ionenaustauschverfahren wurde in errichteten Spezialanlagen ab dem Jahr 1989 das Molkepulver in Lingen behandelt. Danach betrug die Kontamination noch 100 Becquerel pro Kilogramm. Ende des Jahres 1990 wurde die Dekontamination abgeschlossen. Das konzentrierte Cäsium wurde in rund 180 Fässern gesammelt. Diese Fässer mit radioaktiven fixierten Ionenaustauscherharzen wurden im ERAM (Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben) endgelagert. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 34 Mio. Euro.
d) Ausgleichszahlungen des Bundes zwischen 1996 und 2015 betrafen kontaminiertes Wildbret, davon über 98 Prozent Schwarzwild. In den Ausgleichszahlungen ist ein Pauschalbetrag für entstandene Untersuchungskosten enthalten. Die Höhe der Entsorgungskosten ist nicht bekannt. Eine Differenzierung nach Empfängern wird nicht vorgenommen. Auf Grundlage der Ausgleichsrichtlinie hat der Bund ab dem Jahr 1996 Ausgleichszahlungen für kontaminiertes Wildbret in folgender Höhe geleistet:

Jahr Betrag in T Euro Jahr Betrag in T Euro
199652006240
199752007104
199852008380
1999262009425
2000262010215
2001262011614
2002462012335
2003302013898
2004702014582
2005702015918

5) In welcher Höhe sind bis dato Kosten für Dekontaminierungsarbeiten und oder Waldpflegearbeiten (inkl. Aufforstungen) angefallen, die aufgrund der Auswirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nötig wurden (bitte nach Jahren und Kosten bei Bund, Ländern, Kommunen und Privat, soweit die Bundesregierung hierüber Kenntnis hat, aufschlüsseln)?
Nach Kenntnis der Bundesregierung hat es vorsorgliche Maßnahmen (z. B. Austausch von Sand in Kindergärten) gegeben, die von Ländern bzw. Kommunen
oder privat durchgeführt worden sind. Diese wurden aber nicht dokumentiert. Flächendeckende Dekontaminationsmaßnahmen und Waldpflegearbeiten sind in Deutschland aufgrund der Auswirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschornobyl nach Kenntnis der Bundesregierung nicht erfolgt.

6) Welche Gesamtausgaben hat die Bundesregierung für die Finanzierung der Baukosten im Rahmen des Chernobyl Shelter Fund (CSF) getätigt?
Die Bundesregierung hat bisher etwa 97 Mio. Euro in den Chernobyl Shelter Fund (CSF) eingezahlt.

7) In welcher Höhe hat der Bund seit der Atomkatastrophe von Tschernobyl bis dato Zahlungen für damit in Verbindung stehende Maßnahmen, wie beispielsweise
a) Sanierung/Instandhaltung des Sarkophags;
b) Errichtung des Neuen Sicheren Einschlusses;
c) Sicherungsmaßnahmen an der Anlage (bitte einzeln auflisten);
d) Bau des Langzeitzwischenlagers für abgebrannte Brennelemente Interim Spent Fuel Storage Facility (ISF-2), Bau des Abfallbehandlungsgebäudes für flüssige radioaktive Abfälle Liquid Radioactive Waste Treatment Plant (LRTP) sowie Bau des Abfallbehandlungsgebäudes für feste radioaktive Elemente Industrial Complex for Solid Radwaste Management (ICSRM), und
e) Dekontaminierungsarbeiten oder Ähnliches (z. B. auch forstwirtschaftliche Maßnahmen), außerhalb Deutschlands geleistet?

Bezüglich der Fragen 7a bis 7c wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Eine direkte Zuordnung nationaler Beiträge zu einzelnen Maßnahmen ist nicht möglich, da sie nicht auf einzelne Gewerke bzw. Bauabschnitte, sondern auf den Erfolg des Gesamtprogramms gerichtet sind. Der Bau des neuen Brennelemente-Trockenlagers ISF-2 (Interim Spent Fuel Storage Facility-2) sowie der Anlage zur Behandlung flüssiger radioaktiver Abfälle LRTP (Liquid Radioactive Waste Treatment Plant) werden aus einem zweiten Fonds, dem Nuclear Safety Account (NSA), finanziert. In diesen hat die Bundesregierung etwa 26 Millionen Euro für Projekte in Tschornobyl eingezahlt. Der Bau des Industrial Complex for Solid Radwaste Management (ICSRM) wurde aus dem Haushalt der Europäischen Union finanziert. Informationen darüber, ob aufgrund der Auswirkungen der Reaktorkatastrophe von Tschornobyl Waldpflegearbeiten oder Aufforstungen erforderlich waren, liegen der Bundesregierung nicht vor. Der Bundesregierung liegen auch keine Informationen zu Kosten von Dekontaminierungsmaßnahmen außerhalb Deutschlands vor.

8) Welche Ausgaben hat die Bundesregierung bis dato für medizinische Einrichtungen im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl getätigt?
Einzelne Bundesländer haben in der Zeit nach der Reaktorkatastrophe besorgten Bürgern unter anderem Ganzkörpermessungen angeboten. Der Bundesregierung liegen zu den Kosten keine Informationen vor.

9) Ist der Bundesregierung darüber hinaus bekannt, welche Kosten im Gesundheitssektor in Deutschland angefallen sind, die auf die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zurückzuführen sind?
In Deutschland wurde eine große Zahl von Kindern mit Schilddrüsenkarzinomen aus der unmittelbar vom Unfall betroffenen Region behandelt. Die Kosten wurden in der Regel durch Spenden bzw. karitative Organisation getragen. Der Bundesregierung liegen zu den hierdurch entstandenen Kosten keine Informationen vor.

10) Welche Ausgaben hat die Bundesregierung bis dato für Denkmäler/Gedenkstätten o. Ä. im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl getätigt?
Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor.

11) Welche Ausgaben hat die Bundesregierung für die Schaffung und Förderung von Vereinen (z. B. Hilfe-Vereine für Tschernobyl-Geschädigte aus der Ukraine und Belarus oder Ferienaufenthalte in Deutschland für betroffene Kinder und Jugendliche) im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl getätigt? Welche Landes- und/oder kommunalen Mittel sind hierfür nach Kenntnis der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden?
Die Bundesregierung hat Verbände und Vereine darin unterstützt, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit bundesweit die Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschornobyl zu erläutern und das Bewusstsein für die Gefahren der Atomkraft zu wecken und zu erhalten. Ausgaben für solche Aktivitäten werden hier nicht als Bestandteil der Frage verstanden. Zu Unterstützungen der häufig kleinen lokalen Hilfe-Vereine durch Länder und Kommunen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.

12) Wie viele Unternehmen und/oder Privatleute haben sich im Bereich der Tschernobyl-Hilfe nach Kenntnis der Bundesregierung finanziell oder personell engagiert?
Das Engagement der deutschen Zivilgesellschaft für Tschornobyl-Opfer war von Beginn an sehr hoch und blieb nach Kenntnis der Bundesregierung über die Jahrzehnte hinaus groß. In den betroffenen Ländern, u. a. in Belarus, wird diese Unterstützung bis auf den heutigen Tag mit großer Dankbarkeit gewürdigt. Es hat ein erhebliches Engagement von privater Seite aus Deutschland in den von der Strahlung besonders betroffenen östlichen Landesteilen von Belarus gegeben (Oblaste Gomel und Mogiljow), im Bereich der medizinischen Hilfe (Apparate-Unterstützung), Kinderaufenthalten in Deutschland etc. Auch in der Ukraine wurden Hunderte von Hilfe-Maßnahmen seitens der deutschen Botschaft in Kiew unterstützt, jedoch nicht finanziert. Statistiken hierzu wurden nicht geführt.

13) Welche Ausgaben hat die Bundesregierung seit dem Reaktorunfall in Tschernobyl für die Arbeit der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe getätigt (bitte einzeln nach Projekten auflisten)?
Nachstehend erfolgt eine Auflistung von Ausgaben für Projekte, die die Bundesregierung für die Arbeit der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH getätigt hat und die im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe von Tschornobyl bzw. deren Folgen stehen. Auch wenn der Reaktorunfall in Tschornobyl Auslöser für die Durchführung der Projekte war, so dienen sie überwiegend der kontinuierlichen wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit und damit der Verbesserung der nuklearen Sicherheit weltweit. So sind beispielsweise die drei zuletzt genannten Projekte Forschungsvorhaben, die im Auftrag der damaligen Bundesministerien für Forschung und Technologie sowie für Wirtschaft und Technologie, zur Weiterentwicklung von Methoden für sicherheitsgerichtete Analysen von RBMK-Reaktoren (Reaktor Bolschoi Moschtschnoschti Kanalny) im Allgemeinen durchgeführt wurden. Insofern ist fraglich, ob Projekte, die der Forschung dienen, in einer Schadensbilanz zu berücksichtigen sind.

ProjektKosten in Mio. Euro (gerundet)
Fachliche Unterstützung des BMU/BMUB zum Tschernobyl Shelter Fonds – Sicherheitsrelevante Daten. 3
Sicherheit von kerntechnischen Anlangen in Mittel- und Osteuropa und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS): Tschernobyl-Reaktor, Block 4 0,9
Unterstützende Arbeiten und Analysen zur sicherheitstechnischen Bewertung weiterer Schutzmaßnahmen beim Unfallreaktor Tschernobyl, Block 40,9
Unterstützende Arbeiten und Analysen zur sicherheitstechnischen Bewertung weiterer Schutzmaßnahmen beim Unfallreaktor Tschernobyl, Block 46,1
Durchführung übergeordneter Aufgaben bei Untersuchungen zur Gewährleistung und Weiterentwicklung der Sicherheit von Kernreaktoren sowjetischer Bauart sowie diesbezüglicher bilateraler und internationaler Zusammenarbeit 9
Unterstützung des BMU durch Untersuchung und Bewertung der Sicherheit von Kernkraftwerken in den Staaten Mittel- und Osteuropas sowie bei internationalen Aktivitäten zur Verbesserung der Sicherheit und Minderung von Risiken – Durchführung übergeordneter fachlicher und organisatorischer Aufgaben 6,6
Untersuchungen zur nuklearen Sicherheit von Kernkraftwerken in Mittel- und Osteuropa sowie Beratung des BMU zur Minderung von Risiken – Durchführung übergeordneter fachlicher und organisatorischer Aufgaben 6,3
Wissenschaftlich-technische Untersuchungen zur nuklearen Sicherheit von Kernkraftwerken in (Ost- ) Europa und in EU-Partnerstaaten (INSC) sowie Einschätzung nuklearer Risiken – Übergeordnete fachliche Arbeiten 6,4
Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit den Technical Safety Organisations und atomrechtlichen Behörden zur nuklearen Sicherheit von Kernkraftwerken sowie Einschätzung nuklearer Risiken in Osteuropa und anderen Regionen 1,6
Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (WTZ) mit der UdSSR – Spezifikation des detaillierten Arbeitsprogrammes zur Weiterentwicklung von Methoden und grundlegender Arbeiten für sicherheitsgerichtete Analysen von RBMK-Reaktoren 0,5
WTZ mit der GUS: Weiterentwicklung von Methoden für sicherheitsgerichtete Analysen von RBMK-Reaktoren 2,2
WTZ mit der GUS: Weiterentwicklung von Methoden zur Analyse von Störfällen und Transienten in RBMK-Reaktoren 1,4

14) Welche weiteren Kosten sind der Bundesregierung für andere externe Untersuchungen, Gutachten o. Ä. bis dato entstanden (bitte einzeln nach Gutachter, Organisationen und Projekten auflisten)? Welche Kosten dieser Art sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei Landesregierungen oder Kommunen entstanden?
Informationen über externe Untersuchungen, Gutachten o. Ä., die bei Landesregierungen oder Kommunen entstanden sind, liegen der Bundesregierung nicht vor. Nachfolgend eine Auflistung von Projekten der Bundesregierung, die aufgrund des Reaktorunfalls von Tschornobyl durchgeführt wurden. Viele dieser aufgeführten Projekte dienen ebenfalls der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit – auch im Sinne einer Verbesserung der nuklearen Sicherheit – oder der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Insofern ist auch hier fraglich, ob solche Projekte im Rahmen einer Schadensbilanz zu berücksichtigen sind. Es werden auch Projekte aufgeführt, die nicht in vollem Umfang im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall von Tschornobyl stehen, sondern auch andere Themenbereiche abdecken.

Projekt Kosten in T Euro (gerundet)
Berechnung der externen Strahlenexposition der nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl in der Ukraine evakuierten Personen (Externe Strahlenexposition)215
Untersuchungen zur internen Strahlenexposition durch Jod und Strontium der Bevölkerung in der Ukraine nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl (Interne Dosimetrie) 240
Aus- und Fortbildung des leitenden KKW-Personals in der GUS 1600
Überprüfung von Ökosystemen nach Tschernobyl hinsichtlich der Strahlenbelastung der Bevölkerung 113
Entwicklung der Leukämieinzidenz bei Kindern und Erwachsenen in den vom Reaktorunfall in Tschernobyl betroffenen Regionen von Weißrussland und der Ukraine sowie in den anderen Teilen der beiden Republiken. 91
Überprüfung von Ökosystemen nach Tschernobyl hinsichtlich der Strahlenbelastung der Bevölkerung 116
Schilddrüsenexpositionen von weißrussischen und ukrainischen Kindern nach dem Tschernobyl-Unfall und resultierendes Schilddrüsenkrebsrisiko 555
Internationale Kooperation zur molekulargenetischen Untersuchung von Schilddrüsenkarzinomen in Belarus nach Tschernobyl 118
Nachsorge von Kindern mit Schilddrüsenkrebs post-Tschernobyl aus Weißrussland 328
Follow-up der Kinder, die in der früheren Studie "Biogramm" im Zusammenhang mit präkonzeptioneller Strahlenexposition nach Tschernobyl hinsichtlich des Geburtsausgangs untersucht wurden 216
Fachlich wissenschaftliche Unterstützung des BMU/BMUB bei der deutschen Beteiligung am Chernobyl Shelter Fund (CSF), Nuclear Safety Account (NSA) und den Stilllegungsfonds IIDSF (Ignalina), BIDSF (Bohunice) und KIDSF (Kosloduj) 1300
Unterstützung bei der Erarbeitung von Ausgleichsrichtlinien des Bundes 15
Unterstützungsleistungen für das BMU bei Osteuropa-Projekten im Zusammenhang mit Internationalen Fonds auf dem Gebiet der kerntechnischen Sicherheit und es Strahlenschutzes einschließlich Vertretung deutscher Interessen in internationalen Sitzungen 47

15) Mit welchen weiteren Kosten, die in Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl stehen, rechnet die Bundesregierung in den kommenden Jahren, und in welchen Bereichen – im Bundeshaushalt sowie bei Ländern, Kommunen und in der Wirtschaft bzw. bei Privatleuten?
Die von der Bundesregierung noch zu erfüllenden Beitragszusagen für die Tschornobyl Projekte (Chernobyl Shelter Fund und Nuclear Safety Account) belaufen sich auf etwa 19 Mio. Euro. Ausgaben für Ausgleichszahlungen für kontaminiertes Wild sind weiterhin zu erwarten. Im Haushalt des BMUB sind diese mit 330 000 Euro veranschlagt. Informationen über weitere Kosten für Länder, Kommunen, Wirtschaft und Privatpersonen liegen der Bundesregierung nicht vor.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
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ISSN 0722-8333

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