BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Vom Entsorger zum Umweltdienstleister

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Made in Bremen: Becker und Brügesch gewinnen aus Abfall Sekundärrohstoffe / Partner für Unternehmen

Bremen. Ausgerechnet Heidi Klum. Dass man das Topmodel einmal auf einem Entsorgungshof sehen würde – kaum vorstellbar. Und dann in diesem Zustand! Lädiert, ja nahezu verstümmelt liegt sie dort, eingepresst zwischen Tonnen von Altpapier. Lächelt wie eh und je, obwohl nur noch ihr Kopf zu sehen ist. Er flattert im Wind, als ein Schnipsel unter vielen, jede Sekunde könnte er aus dem Ballen fliegen, in dem immerhin eine halbe Tonne Altpapier zusammengepresst wurde.

Thomas Leschke (l.) und Benjamin Kreie teilen sich den Chefsessel. Foto Koch

Thomas Leschke (l.) und Benjamin Kreie teilen sich den Chefsessel. Foto Koch

Knapp 3.000 Tonnen Papier verarbeitet die Becker und Brügesch Entsorgungs-GmbH im Monat. Haushoch stapeln sich die großen Würfel, Millionen von Schnipseln dicht an dicht, einzelne Worte aus Zeitungen, bunte Papierreste. Was hier draußen auf dem 65.000 Quadratmeter großen Gelände liegt, ist normales Altpapier. Drinnen, in einer großen Halle, stehen hingegen Maschinen für die Vernichtung hochsensibler Daten.

Auf die ist das Unternehmen spezialisiert: Staatsanwaltschaft, High-Tech-Unternehmen und öffentliche Einrichtungen entsorgen ihre Dokumente in Datensicherheitsbehältern, die mit einem Zahlenschloss gesichert und nach verfolgbar sind – und Becker und Brügesch holt sie ab, um den Inhalt anschließend zu zerstören. Festplatten, CDs, Dokumente: „Wir zerkleinern alles bis zur Unkenntlichkeit“, sagt Geschäftsführer Benjamin Kreie. In der höchsten der fünf Sicherheitsklassen bleiben von den sensiblen Daten nicht viel mehr als staubkornfeine Reste übrig.

Die Datenvernichtung ist eine der wichtigsten Säulen des Entsorgungsunternehmens, das sich aus den beiden 2000 fusionierten Firmen Richard Becker Rohstoffe Recycling GmbH (gegründet 1951) sowie Brügesch und Co (gegründet 1904) zusammensetzt und zur Hälfte der Becker Holding gehört. Die macht heute mehr als 30 Millionen Euro Umsatz und wird von den Geschwistern Birgit und Björn Becker geleitet – die erst vor Kurzem von den Verbänden Die Familienunternehmer, Die Jungen Unternehmer und der Sparkasse Bremen als Unternehmer des Jahres 2016 ausgezeichnet wurden (wir berichteten).

Die Geschäfte von Becker und Brügesch führen Benjamin Kreie und Thomas Leschke. Sein gesamtes Berufsleben lang hat sich Kreie mit wenig anderem beschäftigt als mit Abfall: Der studierte Betriebswirt war selbstständig in der Altpapierbranche unterwegs, bevor er ins Unternehmen wechselte. Leschke ist Diplom-Wirtschaftsingenieur, ist vor über 30 Jahren aus der Logistik- in die Entsorgungsbranche gewechselt und war vor seinem Einstieg 2013 bei Becker und Brügesch in der Verbrennung von Abfällen beschäftigt.

Jetzt führen die beiden über das Gelände an der Warturmer Heerstraße in Woltmershausen. Vorbei an den Türmen aus gepresstem Altpapier zu einem der Mitarbeiter, der mit Ohrenschützern Styropor in eine riesige Anlage schmeißt. Die metallenen Zähne der Maschine zermalmen das Polystyrol mit lautem Knacken und Knallen zu feinen Kügelchen, die anschließend zu langen Stäben gepresst und auf einer Palette gestapelt werden.

„In einem Block sind zig Kilo Styropor“, sagt Leschke. „Im Verhältnis zum Transport des Materials in Säcken spart diese Methode bis zu 70 LKW-Ladungen ein.“ Bei mehr als 100 Tonnen Styropor, die Becker und Brügesch jedes Jahr verarbeitet, kann so auf eine Menge Fahrten verzichtet werden. „Das ist gut für die Umwelt und freut die Unternehmen, weil es Zeit und Geld spart.“

Das Umweltbewusstsein und der Blick auf die Wiederverwertbarkeit ist eine Entwicklung vor allem des vergangenen Jahrzehnts. So schrieb die neue Deponieverordnung 2004 vor, dass Abfälle mit einem höheren organischen Anteil als fünf Prozent vor der Ablagerung behandelt werden müssen.

Vor allem für die Industrie eine echte Umstellung, weil sie strengere Umweltauflagen einhalten muss. „Wir sind durch die politischen Rahmenbedingungen mehr und mehr zum Umweltdienstleister geworden“, sagt Leschke. „Wir sorgen dafür, dass möglichst wenige Abfälle entstehen, die nicht wieder verwertbar sind, und versuchen, die Entsorgungsprozesse zu vereinfachen.“

Deswegen nennt Kreie den anfallenden Müll nicht einfach Abfall, sondern Wertstoff – denn vieles kann separiert und wiederverwertet werden und wird so zum Sekundärrohstoff. „Nur das, was wirklich überhaupt nicht mehr genutzt werden kann, landet am Ende in der Verbrennung.“ Bis dahin versuche man aber, mit viel Kreativität und der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte Wege zu finden, die Rohstoffe aus dem Abfall zu gewinnen.

Ein Beispiel dafür sind die Kaffee-Pellets: Tausendfach liegen die dünnen braunen Stäbchen auf einem riesigen Haufen oberhalb des Geländes. Sie sind die gepressten Überreste aus der Kaffeeherstellung und dienen jetzt der Zweitverwertung als Brennstoffe zur Energiegewinnung.

Schnipseln an Schnipsel: Meterhoch türmt sich das Altpapier auf dem Firmengelände an der Wartumer Heerstraße. Foto Koch

Schnipseln an Schnipsel: Meterhoch türmt sich das Altpapier auf dem Firmengelände an der Wartumer Heerstraße. Foto Koch

Auch Glas und andere Industrieabfälle werden von Becker und Brügesch abgeholt, zwischengelagert und aufbereitet. Ein Großteil davon wird anschließend im europäischen Raum verkauft. Gerade Kunststoff wird hingegen auf der ganzen Welt vermarktet. „In Zeiten wie diesen, in denen der Ölpreis so niedrig ist, sinkt natürlich die Nachfrage nach den Kunststoffen“, sagt der 59-Jährige, der im Unternehmen für Technik, Betrieb und Verwaltung zuständig ist.

Doch das sei nicht die einzige Herausforderung. „Der Wettbewerb zieht an. Es gibt Konzentrationsprozesse auf dem Markt, die für Konkurrenz sorgen“, betont Kreie. Man sehe sich aber gut aufgestellt für die Zukunft. „Wir bringen ein hohes Maß an Flexibilität und Verlässlichkeit mit, die unsere Kunden zu schätzen wissen.“

Die strengeren gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Handhabung und Sortierung von Abfällen sorgen außerdem dafür, dass Unternehmen sich immer öfter Hilfe von außen holen. „Wir fungieren praktisch als Partner.“ Das reicht von der Installation eines Farbleitsystems bis zur ausführlichen Beratung, welche Aufbereitungsanlagen nötig sind. „Da lassen sich heutzutage durch intelligente Organisation große Summen einsparen.“ Durch diese Neuausrichtung sei Becker und Brügesch nicht mehr überwiegend Containerdienst, sondern „Umweltdienstleister mit angeschlossener Kompetenz und Logistik“.

Wenn man so viel mit Abfällen zu tun hat – hat das dann auch Einfluss auf das eigene Verhalten? „Natürlich“, sagt Leschke. „Man sieht den Abfall mit anderen Augen und weiß, welcher Rohstoff darin steckt.“ Im privaten Alltag äußert sich das bei den beiden Geschäftsführern vor allem im Bewusstsein für eine korrekte Mülltrennung. „Man sollte zum Beispiel Aludeckel immer komplett vom Joghurtbecher abziehen. Die Maschinen haben sonst Schwierigkeiten, sie voneinander zu trennen.“

Quelle: Weser Kurier vom 05.06.2016 von Tobias Meyer

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