BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Aus Müll wird Baustoff

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Von der Forschung zum Produkt (2): Nach jahrelanger Tüftelei haben Bremer Forscher Wege gefunden, Porenbeton zu recyceln

Bremen/Stuhr. Es ist ein Wettlauf gegen dieZeit, den die Bremer Forscher angetreten haben. Wird ein Haus abgerissen, entsteht eine Menge Bauschutt, der entsorgt werden muss. Und immer häufiger ist Porenbeton dabei – besser bekannt unter dem Markennamen Ytong-Stein. Genau das stellte die Wissenschaftler des Bremer Instituts für Werkstofftechnik, der Hochschule Bremen und der Bremer Forschungsvereinigung Recycling und Wertstoffverwertung im Bauwesen (RWB) vor eine große Herausforderung: Denn Porenbeton kann, im Gegensatz zu vielen anderen Baustoffen, bislang so gut wie gar nicht wiederverwendet werden. Deswegen landet er meist auf Mülldeponien. Das ist teuer, und der Platz auf den Deponien ist begrenzt.

Michael und Christa Stegh (v.l.) von der Firma Stebah haben zusammen mit Jörg Kropp von der Hochschule einen Porenbeton-Mörtel entwickelt. Foto Kuhaupt

Michael und Christa Stegh (v.l.) von der Firma Stebah haben zusammen mit Jörg Kropp von der Hochschule einen Porenbeton-Mörtel entwickelt. Foto Kuhaupt

Jörg Kropp vom Institut für Baustofftechnologie an der Hochschule Bremen macht das deutlich: Derzeit, so sagt der der Experte, fallen gut 100 000 Kubikmeter Porenbeton pro Jahr an. Demnächst dürfte sich diese Zahl auf eine Million Kubikmeter vervielfacht haben. Für die Mülldeponien sind solche Mengen kaum noch zu stemmen.

Ein Problem, das die Wissenschaftler schon vor gut 20 Jahren erkannt haben. Seitdem tüfteln sie gemeinsam mit Unternehmen an Möglichkeiten, den Porenbeton wiederzuverwerten. Unterm Strich sind bei den Kooperationen zwei verschiedene Varianten herausgekommen, wie der Stoff den Weg zurück auf die Baustelle findet: als neuer Stein oder als Mörtel.

Besuch bei der Firma Stebah in Stuhr. Die beiden Geschäftsführer Michael und Christa Stegh sind mit ihrem Unternehmen auf die Bereiche Mörtel und Bautechnik spezialisiert. Sie stellen unter anderem eigenen Putz her – auch auf Kundenwunsch. Da sei etwa eine Anfrage aus dem arabischen Raum gewesen, erinnert sich Michael Stegh, ein Scheich habe sich gewünscht, dass seine Einfahrt komplett glitzert. Deshalb musste eben auch der Mörtel glitzern. In den Laboren haben Stegh und sein Team so lange an einer Rezeptur getüftelt, bis es am Ende den geforderten Glitzermörtel gab.

Die Arbeit mit dem Mörtel aus Porenbeton verlief nach einem ähnlichen Prinzip. Die Wissenschaftler der Amtlichen Materialprüfungsanstalt der Freien Hansestadt Bremen (MPA Bremen), die am Institut für Werkstofftechnik angesiedelt ist, haben sich viele Jahre lang vor allem in der Theorie damit auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen aus Porenbeton Putz entstehen kann. Mal wurde der Mörtel mit Feinsand versetzt, dann wieder nicht – viele Versuche waren nötig, bis die Forscher schließlich herausfanden, dass Mörtel aus Porenbeton ganz ohne chemische Zusätze nicht auskommen kann.

Bei Stebah wird seit gut zwei Jahren die Forschungsarbeit in die Praxis übertragen und nach den Ideen der Forscher eine eigene Rezeptur für den Trockenmörtel entwickelt, der ressourcenschonend und nachhaltig ist und natürlich „geschmeidig von der Kelle gehen muss“, wie Michael Stegh sagt. Dafür mussten dem Porenbeton bestimmte Zusatzstoffe beigemischt werden. Welche genau das sind und in welcher Konzentration sie verwendet werden, bleibt das Geheimnis von Stebah. Weil das Unternehmen seine Produkte direkt vertreibt, bekommen Wirtschaft und Forschung so ein schnelles Feedback, ob ihre Idee am Markt angenommen wird.

Einfache Montage
„Wir wollen und wir müssen dicht an Neuentwicklungen dran sein“, sagt Stegh. Natürlich kosteten ihn die Tüfteleien im hauseigenen Labor zunächst einmal Geld. Denn Stegh hat sich entschlossen, wegen des zusätzlichen hohen bürokratischen Aufwands keine finanziellen Förderungen zu beantragen. Sollte der Porenbeton-Mörtel gut nachgefragt werden, dann profitiert wegen des Wissensvorsprungs am Ende auch das Unternehmen Stebah.

Und ein Erfolg ist gar nicht so unwahrscheinlich. Schließlich müssten auch Politik und Wirtschaft ein Interesse daran haben, dass der Porenbeton zurück in den Recyclingkreislauf kommt. Seit den 1960er-Jahren wird der Stoff immer häufiger verbaut. Der große Vorteil dieser Steine liegt in ihrer Porosität: Sie sind vergleichsweise leicht, ihre Montage ist relativ einfach, sie können viel Gewicht tragen und vor allem dämmen sie gut. Bei der Wiederverwendung wird diese Porosität allerdings zum Problem: Wird der Stoff zerkleinert, dürfen die Teile nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein. Denn bei der Weiterverwendung saugen sich die porösen Strukturen mit Wasser voll. Weil Mörtel aber mit Wasser versetzt wird, muss er im Fall des Porenbetons eine genau ausgetüftelte Konsistenz haben, damit er überhaupt haftet.

Gefördert wurden die mittlerweile gut zehn Porenbeton-Forschungsprojekte von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF), die wiederum das Geld eines entsprechenden Fördertopfes des Bundeswirtschaftsministeriums betreut. Frank Hlawatsch ist sowohl für die MPA Bremen als für den Verein RWB bei den Projekten im Einsatz. Auf diesem Weg wurde das Fördergeld für die Porenbeton-Studien zur Verfügung gestellt. Hlawatsch ist davon überzeugt, dass sich die langjährige Arbeit am Ende auszahlt. Auch über den Druck der Verbraucher: „Grundsätzlich haben viele Bauherren ein Interesse daran, die Umwelt zu schonen. Das ist schließlich ein Imagefaktor“, sagt er. Aber natürlich spiele auch der Preis eine Rolle. „Es muss alles zusammenpassen.“

Das gilt auch für die zweite Möglichkeit, den Baustoff weiter zu verwerten: als Stein. Vor gut sechs Jahren hat sich Hakan Aycil von der MPA Bremen an die Firma Berding Beton gewandt. Gesucht wurde ein Betrieb, der Steine aus dem zerkleinerten Material herstellen kann. Die technischen Voraussetzungen sind bei der Firma, die Standorte in ganz Deutschland hat, vorhanden. Allerdings ist das Unternehmen auf Pflastersteine und Betonrohre spezialisiert und nicht auf Baustoffe, die im Hochbau eingesetzt werden.

Weil die Firma fit für die Zukunft sein will, beteiligt sie sich aber auch an Projekten außerhalb ihres Kerngebietes. „Entwicklung ist für uns wichtig“, sagt Betriebsleiter Ekkehard Gehlauf. Nach Aycils Anfrage habe er sich daher mit Firmenchef Georg Berding abgesprochen, der sich sofort für das Projekt begeistern konnte. Wie Stebah verzichtete auch Berding Beton auf Geld aus einem Fördertopf, sondern investierte selbst.

Einen neuen Stein herzustellen, sei ein bisschen wie Kuchen backen, sagt Gehlauf. Daher musste bei Berding Beton erst einmal eine Versuchsreihe gestartet werden, bei der die Maschinenführer auf ein ähnliches Problem gestoßen sind wie die Mörtelproduzenten: die Reaktion von Porenbeton auf Wasser. Nur bei der richtigen Menge an Flüssigkeit behält der Stein nach dem Vibrieren und Pressen seine Form. Der Vorteil gegenüber der Herstellung von anderen Steinen, die zum Hausbau verwendet werden: Nach Angaben von Gehlauf wird bei dem Prozess sehr viel weniger Energie verbraucht. Ein weiteres Plus: Der recycelte Stein dürfte laut dem Standortchef unterm Strich günstiger sein als sein Ursprungsprodukt.

Auch Gehlauf verweist auf die Macht der Bauherren: Steige deren Nachfrage, könnten die Steine in die industrielle Fertigung gehen. Weil bislang nur kleine Chargen produziert wurden, ist die Herstellung derzeit noch vergleichsweise teuer. Auch für die Qualitätssicherung müsste bei der Massenproduktion noch gesorgt werden.

Das ist nun die größte Herausforderung, vor der Stebah und Berding Beton, aber vor allem die Wissenschaftler Hakan Aycil, Frank Hlawatsch und Jörg Kropp stehen: Endverbraucher, Recyclingfirmen, Bauunternehmen und Produzenten von Baustoffen – sie alle müssten umdenken und neue Kreisläufe rund um den Porenbeton etablieren. „Der Markt muss nun erst einmal entstehen“, sagt Hlawatsch. Ein erster Schritt in diese Richtung ist gemacht: In ein neues Bürogebäude der Recycling-Station in Horn lässt die Stadt Bremen eine nichttragende Wand aus Porenbeton-Steinen und –Mörtel verbauen. Ein Jahr lang soll dann beobachtet werden, wie sich das Recycling-Material verhält. Wenn alles gut klappt, steht einer Massenproduktion nichts mehr im Wege – sofern die Nachfrage stimmt.

Quelle: Weser Kurier vom 28.12.2016 von Maren Beneke

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