BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Das kommt auf das KKU zu

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Fotos (4) Preussen Elektra/ (3) Fixy

Das Kernkraftwerk Würgassen in Nordrhein-Westfalen hat mit dem Kernkraftwerk Unterweser in Kleinensiel gemeinsam, dass sein Kühlwasser aus der Weser kam – rund 300 Kilometer stromaufwärts. Beide produzieren keinen Atomstrom mehr. Ansonsten hat man dort hinter sich, was an der Unterweser noch bevorsteht: den nuklearen Rückbau.

Heute (2017): Das Abklingbecken in Würgassen ist wieder im Rohbauzustand: Ähnlich wird in einigen Jahren auch das Becken im Kernkraftwerk Unterweser aussehen.

Wo früher rund 500 Arbeitskräfte einen Siedewasserreaktor in Betrieb hielten, reichen heute rund 17 Mitarbeiter für das übriggebliebene Zwischenlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle.

Dem stillgelegten Kernkraftwerk Unterweser in Kleinensiel steht der Rückbau noch bevor. Hier kümmern sich zurzeit rund 180 Leute um den sogenannten Stilllegungsbetrieb. Würgassen ging 1994 vom Netz, weil Haarrisse im Kernmantel festgestellt worden waren. Das Kernkraftwerk Unterweser wurde im Dezember 2011 abgeschaltet – nach dem Super-Gau von Fukushima.

Früher (2004): Das Abklingbecken für die Uran-Brennelemente während des nuklearen Rückbaus.

Im Kontrollbereich in Kleinensiel, wo Mitarbeiter mit radioaktiv kontaminierten Stoffen in Kontakt kommen können, laufen sie noch mit Schutzanzügen, Gummiüberschuhen und Handschuhen herum. Hinein und hinaus kommen sie nur durch Sicherheitsschleusen. In Würgassen sieht das schon anders aus. Standortleiter Markus Wentzke steht im Anzug da und führt Besucher durch den gigantischen, ausgeweideten Rohbau. Die Hallen sind notdürftig durch Lichtstrahler beleuchtet.

Die Tritte und die Stimmen der Besucher hallen von den Wänden wider. Im Kernkraftwerk gibt es keine Stockwerke, sondern die Ebenen sind nach ihrer Höhe gekennzeichnet. Auf 13,5 Metern müssen die Besucher die Köpfe in den Nacken legen, wenn sie zur Decke schauen. Hier saß das Reaktordruckgefäß in einer Kugel. Die Besucher stehen, wo die Reste dieses kugelrunden Behälters scheinbar aus dem Boden wachsen und staunen ob der gigantischen Ausmaße dieses hochaufragenden Raumes. Es riecht nach Staub und nacktem Beton.

Die Wände sind bedeckt mit Zahlen und Buchstaben – Graffiti eines nuklearen Rückbaus. Manches ist dick in Rot aufgemalt. Die mit schwarzem Filzer aufgetragenen Zeichen bilden ein Raster aus Quadratmetern. Quadrat für Quadrat wurde auf Radioaktivität hin durchgemessen – im etwa zehn Meter hohen Maschinenhaus ebenso wie im 68 Meter hohen Reaktorgebäude und in der Gleisdurchfahrt, durch die Schwergewichte per Bahn vom Bahnhof Lauenförde aus ins Werk gebracht werden konnten.

Kernkraftwerksleiter Markus Wentzke vor der Graffiti des nuklearen Rückbaus. Zahlen und Buchstaben zeigen Messergebnisse. Das Quadrat, auf das der Anlagenleiter zeigt, ist Entnahmestelle einer Putzprobe.

Wo man Radioaktivität feststellte oder damit rechnen musste, wurde Beton teilweise aufgestemmt oder ausgebohrt. Zwischendurch sieht man immer wieder kleinere Quadrate von zehn Zentimetern Seitenlänge. Stichproben, die drei Zentimeter in die Tiefe gehen.

Klaus Rübesam (SPD), Bürgermeister Stadland

Auf Bürgermeister Klaus Rübesam (SPD) aus Stadland, zu dem Kleinensiel mit dem Kernkraftwerk Unterweser gehört, wirken die Buchstaben, Zahlen und Wentzkes Vortrag beruhigend. „Hier kann man sehen, was uns bevorsteht. Ich habe verstanden, dass jeder Quadratmeter geprüft wird. Auch, dass hier eingehalten wird, was man uns über den Ablauf des nuklearen Rückbaus gesagt hat.“ Rübesam glaubt, dass er den Bürgern nach der Besichtigung in Würgassen die Sorge nehmen kann, dass mit dem Rückbau Radioaktivität freigesetzt wird und in die Umgebung dringt.

Die Kühltürme sind schon weg: Atomkraftwerk Würgassen.

„Jeder Quadratmeter ist abgesondet; das Gebäude freigemessen“, heißt es im Jargon der Kerntechnik. Das KKW in Würgassen ist fertig für den konventionellen Abriss. Dass der Rohbau noch steht, liegt daran, dass die 7.400 Tonnen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus dem nuklearen Rückbau noch im Zwischenlager auf dem Betriebsgelände liegen und nicht ins Endlager Schacht Konrad können.

Gelernt haben die Kraftwerks-Abwickler auch für den nuklearen Rückbau in Kleinensiel, der noch 2017 beginnen soll. Anlagenleiter Wentzke glaubt, dass an der Unterweser Zeit und Geld gespart werden können – aufgrund der Erfahrungen von Würgassen.


Vorher (2013), nachher (2017): Die Gleisdurchfahrt während des Rückbaus und danach im Rohbauzustand

 

 

 

KK Würgassen
› Siedewasserreaktor Höchstleistung pro Stunde: 640 Megawatt
› Nuklearer Rückbau: Beginn 1997, Ende August 2014, derzeit Vorbereitung für die Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung
› Gesamtmasse: 423 600 Tonnen
› Konventioneller Anlagenteil: 168.600 Tonnen.
› Gesamter Kontrollbereich mit radioaktiven Stoffen: 255.000 Tonnen.
› Freigabe zum Abriss: 220.000 Tonnen
› Freigegebene und entsorgte Reststoffe: 27.600 Tonnen
› Radioaktiver Abfall zur Endlagerung: 7.400 Tonnen

KK Unterweser
› Druckwasserreaktor
› Gesamtleistung: 1.415 Megawatt
› Voraussichtliche Dauer des nuklearen Rückbaus: 2017 bis 2033.
› Gesamtmasse: 675.000 Tonnen
› Konventioneller Anlagenteil: 482.000 Tonnen.
› Kontrollbereich mit radioaktiven Stoffen: 193.000 Tonnen
› Uneingeschränkte Freigabe zum Abriss: geschätzte 176.900 Tonnen.
› Reststoffe zur eingeschränkten Freigabe und Entsorgung: geschätzte 11.900 Tonnen
› Radioaktiver Abfall fürs Endlager: geschätzte 4.200 Tonnen

Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 11.08.2017 von Barbara Fixy


Mehr Kritik an AKW-Rückbau

Zum Artikel „Das kommt auf das KKU zu“ vom 11.8.:

Der Artikel über den Rückbau eines AKW liest sich wie ein Werbetext der Atomindustrie, in meinen Augen eine unerträgliche Verharmlosung der gewaltigen Probleme, die auch ein stillgelegtes AKW mit sich bringt. Beispiel: Fragt sich der Bürgermeister von Stadland denn nicht, wo die 27.600 Tonnen freigegebenen Reststoffe geblieben sind? Der AKW-Betreiber darf den radioaktiven Schutt, der bestimmte Messwerte unterschreitet, „freimessen“. Freigemessen heißt aber leider nicht frei von Strahlung! Der Atommüll kommt als ganz normaler Abfall zum Recycling, in Müllverbrennungsanlagen, auf Deponien. Da denke ich mit Schrecken an MVA und Deponie Grauer Wall… Wir tun gut daran, den Rückbau des KKU kritisch und wachsam zu verfolgen. Und unsere Zeitung bitte auch!

Quelle: Die NORDSEE-ZEITUNG vom 22.08.2017 Leserbrief von Frederike Düsterbeck Lehe

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