BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Radioaktiver Müll

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Landkreise müssen AKW-Abfälle annehmen

Energieministerium: Kein Spielraum bei Entsorgung im Landkreis Neckar-Odenwald / Landrat haftet unter Umständen persönlich.

STUTTGART. Die Landesregierung sieht bei der Deponierung freigegebener Abfälle aus Atomkraftwerken weder Spielraum noch eine Notwendigkeit für Alternativen. Das geht aus der Antwort auf einen Landtags-Antrag hervor, der dieser Zeitung vorliegt. Landkreise, die sich ihren Pflichten verweigern, seien in vollem Umfang haftbar, schreibt das grüne Umwelt- und Energieministerium; für Amtsträger gelte das unter Umständen auch persönlich. Hintergrund ist eine Debatte im Landkreis Neckar-Odenwald.

Angst vor einer Gefahr durch zehn Mikrosievert im Jahr nennt das Ministerium abwegig. Dass man freigemessene AKW-Abfälle je von den Deponien zurückholen müsse, sei ausgeschlossen (im Bild: Neckarwestheim). Foto: dpa

Dort tobt Streit um die Entsorgung von Bauschutt aus dem Abriss der Atomkraftwerke (AKW) in Obrigheim und Neckarwestheim. Nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes sind die jeweiligen Landkreise zur Entsorgung von Abfällen verpflichtet, deren Radioaktivität vernachlässigt werden kann. Landrat Achim Brötel (CDU) bekämpft eine Lagerung unter Verweis auf Sorgen der Bevölkerung.

Bettina Lisbach, Vorsitzende des Arbeitskreises Umwelt in der grünen Landtagsfraktion, hat die Regierung Anfang August in einem 14-teiligen Fragenkatalog um Stellungnahme gebeten. Der Antwort zufolge lassen atom- und strahlenschutzrechtliche Vorschriften dem Land gar keinen Raum zu Verhandlungen.

Dennoch kommentiert die Regierung über Seiten hinweg Ersatzvorschläge. Fazit: Sie würden sämtlich andere Probleme mit sich bringen und das Problem auf zukünftige Generationen verschieben.

Die Regierung betont, dass die Bedingungen zur Freigabe sehr streng seien. Unter den ungünstigsten Umständen könne pro Person eine Belastung von zehn Mikrosievert im Jahr auftreten. Dem Bundesamt für Strahlenschutz zufolge sind Bürger im Mittel pro Jahr einer natürlichen Dosis von 2100 Mikrosievert ausgesetzt. Dazu kommen 1700 Mikrosievert aus sogenannter zivilisatorischer Exposition (zum Beispiel Röntgen).

Das Zehn-Mikrosievert-Konzept der Strahlenschutzverordnung basiere auf Empfehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission. Eine Studie des Öko-Instituts belege, dass die Maximaldosis deutlich unterschritten werde. Obendrein zitiert das Dokument den Präsidenten der Landesärztekammer, Ulrich Clever, der das Verfahren für „gesundheitlich verantwortbar“ hält.

Die Vertreterversammlung der Landesärztekammer hatte sich im November gegen das geltende Verfahren zur Freimessung ausgesprochen – als „freigemessen“ werden Stoffe bezeichnet, die nach der Messung als nicht radioaktiv gelten. Präsident Clever hatte sich im Januar von dem Beschluss distanziert, weil die zugrunde liegenden Informationen lückenhaft seien. Das Umweltministerium erklärt die Entschließung der Kammer nun für „nicht nachvollziehbar und revisionsbedürftig“.

Deutlich wird sie auch zum Vorwurf, die Freigabepraxis würde Entsorgungskosten der Allgemeinheit aufbürden. Tatsächlich müssten die AKW-Betreiber die Kosten für die Entsorgung der freigegebenen Abfälle selbst tragen. Die Beseitigung radioaktiver Abfälle wiederum werde aus eingezogenen Rückstellungen der Betreiber und einem Risikoaufschlag finanziert.

Kampagne zum Schutz vor Radon-222
In seiner 17-seitigen Schrift beantwortet das Umweltministerium Fragen nach Überwachungsverfahren und Messtechnik, erklärt ein vorübergehendes Moratorium aus dem Jahr 2016 und kündigt eine Kampagne zum Schutz vor dem natürlich vorkommenden Radon-222 an, das sich in Innenräumen anreichern kann.

Das Ressort von Franz Untersteller (Grüne) äußert aber auch eine kaum verhohlene Drohung: Für die Verletzung von Annahmepflichten beim Abfall aus AKWs müssten die betroffenen Landkreise für Schäden vollumfänglich einstehen. „Darüber hinaus haftet auch der jeweilige Amtsträger bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (. . .) persönlich.“

Achim Brötel (CDU), Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, hatte der Regierung im Juni geschrieben, er habe seine Deponien angewiesen, die Annahme freigemessener Abfälle aus Obrigheim generell zurückzuweisen – ungeachtet der „objektiven Harmlosigkeit des freigemessenen Rückbaumaterials“.

Die Landtagsauskunft des Umweltministeriums ist kompromisslos: Da die Gesetzeslage der Behörde keinen Ermessensspielraum lasse, könne zwar „über alles öffentlich diskutiert werden, es ist aber keine Verhandlung über die Vorgehensweise – schon gar nicht über ein rechtswidriges Vorgehen – möglich.“

Quelle: Badische Zeitung vom 20.09.2017

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