BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Ich rechne damit, dass es eine Klage gibt

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Kernkraftwerk Unterweser

Als Mitglied der regionalen Anti-Atom-Initiativen kritisiert Jürgen Janssen, dass keine atomkritischen Referenten zu den Bürgerdialogen zum Rückbau des Kernkraftwerkes Unterweser eingeladen werden.

Herr Janssen, als Sie 1975 als junger Lehrer nach Rodenkirchen kamen, wurde schon seit drei Jahren am Kernkraftwerk Unterweser gebaut. Hatten Sie sich das gut überlegt?
Jürgen Janssen: Ich wollte eigentlich wieder gehen, wenn es in Betrieb geht.

Jürgen Janssen Foto Georg Jauken

Stattdessen sind Sie geblieben und beteiligten sich am Widerstand gegen das Atomkraftwerk Esenshamm, wie es damals genannt wurde.
Am Widerstand, der damals hier vor Ort gar nicht groß war, sondern eher aus Oldenburg und Bremerhaven kam. Erst durch den AKW-Widerstand bin ich zu den Grünen gekommen, aber das war ein langer Weg.

1978 ging das Kraftwerk dennoch ans Netz, jetzt soll es zurückgebaut und abgerissen werden. Wenn man die Mitteilungen der regionalen Anti-Atom-Initiativen der letzten Monate liest, könnte man den Eindruck gewinnen, Sie würden das Kraftwerk am liebsten noch lange behalten.
Das sicherlich nicht. Aber es gibt unterschiedliche Ansichten, wie man es zurückbaut. Natürlich waren wir alle froh, als das Akw 2011 abgeschaltet wurde. Und wir freuen uns über den Rückbau. Wir wollen nur, dass der Rückbau auf dem Stand von Wissenschaft und Technik und so sicher wie möglich erfolgt.

Was ist der Stand der Technik?
Das wird unterschiedlich beurteilt. Das wurde beim Erörterungstermin zum atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für die Stilllegung und den Abbau deutlich. Es gab eine ganze Reihe von Einwendungen, in denen Bürger die höchsten Sicherheitsstandards forderten. Der Kraftwerksbetreiber Preussen Elektra hat natürlich auch die Kostenseite im Blick, ebenso wie das zuständige Umweltministerium. Bestimmte Dinge sollen möglichst nicht gemacht werden, weil sie viel kosten. Das beißt sich aber mit den Sicherheitsstandards.

Nennen Sie ein Beispiel.
Es gibt ein ganz einfaches Beispiel. Es betrifft das neue geplante Lager Luna für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Wie stellt man die Fässer dort auf? Der Betreiber möchte sie möglichst dicht nebeneinander stellen und elektronisch überwachen. Wir wollen das Lager begehbar halten. Der Vorteil ist, ich kann mich per Augenschein vom ordnungsgemäßen Zustand der Fässer überzeugen. Das kann ich nicht, wenn ich nicht heran komme.

Woher rührt ihr Misstrauen?
Wir haben die Erfahrung gemacht, wie die Akw-Betreiber mit dem umgehen, was übrig bleibt. Im britischen Sellafield wurden die Fässer ins Meer gekippt und in Asse in die Schachtanlage eines ehemaliges Salzbergwerks.

Der größte Anteil der Abfälle, die beim Abriss anfallen, ist einfach nur Gebäudeschutt.
Die Frage ist, was geschieht mit dem Bauschutt. Nach Vorstellung des Betreibers soll der freigemessene Bauschutt auf die Deponie in Käseburg. Die Strahlenschutzverordnung sagt aber, er gehört auf eine Deponie, auf der jedes Jahr mindestens 10 000 Tonnen Müll abgelagert wird. Die Menge erreicht Käseburg bei weitem nicht.

Was macht das für einen Unterschied?
Das hängt mit dem Verhältnis zu den übrigen Müllmengen zusammen.

Umstritten ist auch der Grenzwert, der unterschritten werden muss, damit das Abrissmaterial auf einer herkömmlichen Deponie entsorgt werden darf. Die lokalen Anti-Atom-Initiativen fordern eine Absenkung des vorgesehenen Freigabegrenzwerts auf zwei Mikrosievert pro Person und Jahr.
Beim Bauschutt sollen bisher um die zehn Mikrosievert erlaubt sein. Der Betreiber weist bei diesem Thema immer auf die natürliche Radioaktivität hin, die in bestimmten Situationen viel höher sei. Der Deutsche Ärztetag sagt aber, dass die Bevölkerung völlig unnötig zusätzlicher Strahlenbelastung ausgesetzt werde. Denn in Wirklichkeit gibt es keinen Schwellenwert für unbedenkliche Strahlung und es gibt keinen Beweis, ab welchem Wert Radioaktivität schädlich ist. Fest steht, dass zwei Mikrosievert weniger sind als zehn, und je geringer der Wert, desto sicherer ist es.

Bleiben wir noch einen Augenblick bei Ihrer Kritik an der Rückbaugenehmigung. Welche Punkte sind Ihnen noch wichtig?
Im Moment gibt es unter der Kuppel noch ein Becken für abgebrannte Brennelemente, das sogenannte Kompaktlager. Der Betreiber will jetzt mit dem Rückbau beginnen. Wir sagen, vorher muss das Kompaktlager geräumt sein. Denn das Gefahrenpotenzial ist sehr viel größer, solange die Brennelemente, die teilweise defekt sind, noch dort sind. Außerdem fordern wir eine heiße Zelle, um Schäden an den Castorbehältern mit den radioaktiven Abfällen vor Ort reparieren zu können. Solange die inneren Anlagen des Kraftwerks noch da sind, geht das dort. Sind sie entfernt und es gibt keine heiße Zelle, müsste man einen kaputten Castor zuerst nach Gorleben bringen, um ihn reparieren zu können.

Was ist noch wichtig?
Ein besserer Hochwasserschutz. Auf der Ostseite der Weser ist der Deich 8,60 Meter hoch, auf dieser Seite im Bereich des Akw nur 7,10 Meter. Wir wissen, die Hochwasser laufen immer höher auf. Darum fordern Wissenschaftler mindestens acht Meter. Hier in der Wesermarsch kommt noch das Problem hinzu, wie viel Last der Marschboden trägt.

An diesem Sonnabend veranstaltet der Landkreis Wesermarsch den zweiten Bürgerdialog zum Rückbau des Kraftwerks. Die Anti-Atom-Initiativen kritisieren die ganze Veranstaltungsreihe mit den Foren und Bürgerdialogen jetzt als Jubelveranstaltungen pro Atom. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?
Das ist nicht meine Wortwahl. Dazu muss man aber wissen, dass das Land Niedersachsen auf Initiative einiger Grünen-Politiker Geld für Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung bereit gestellt hat. Der Landkreis hat 80 000 Euro bekommen und das Beratungsunternehmen Prognos mit der Durchführung beauftragt. Dann begannen die Fehler. Ich vermisse eine Beteiligung der Kreispolitiker und der Initiativen, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigt haben.

Die Anti-Atom-Initiativen kritisieren beim Rückbau des Kernkraftwerks Unterweser, dass es einen Monolog, statt einen Bürgerdialog gibt. (Foto: Luise Bär)

Sie können einfach zum Forum gehen.
Das Problem bleibt. Denn wenn man sich anschaut, wer bei den Foren und Bürgerdialogen auftritt, sind das der Betreiber selbst und Behördenvertreter. Ich vermisse völlig einen kritischen Ansatz. Information besteht aus möglichst unterschiedlichen Sichtweisen, damit sich der Bürger eine eigene Meinung bilden kann.

Der zuständige Dezernent Matthias Wenholt hat schon bei der Vorstellung des Dialogkonzepts in einem Pressegespräch gesagt, es gehe bei dem Dialog nicht um eine Wiederholung des Erörterungsverfahrens, sondern darum, was beim Rückbau passiert, um die wirtschaftlichen Folgen und die Perspektiven des Standorts.
Es geht auch darum, ob der Landkreis es hinbekommt, alle Beteiligten mitzunehmen. Man muss auch den Leuten, die den Prozess kritisch begleiten, ein Forum bieten. Stattdessen war beim vorletzten Forum Florian Reisenhofer vom Lehrstuhl für Nukleare Entsorgung und Techniktransfer in Aachen als Referent zu Gast. Auf dessen Homepage bedankt er sich für die Unterstützung durch Eon, Areva und Nukem, allesamt Unternehmen der Nuklearindustrie. An diesem Sonnabend sollte eigentlich der Physiker Werner Neumann eingeladen werden, ein Wissenschaftler, der den BUND im Zusammenhang mit dem Rückbau des AKW Biblis vertritt. Uns wurde zugesagt, das zu prüfen. Jetzt stellt sich heraus, er wurde nicht einmal angerufen. Einen Dialog bekommt man aber nur hin, wenn gegensätzliche Positionen zur Sprache kommen. Was wir jetzt haben, ist ein Monolog. Das ist enttäuschend. Ich hatte mir das Dialogverfahren jedenfalls anders vorgestellt.

Dafür kommt jetzt Christian Küppers vom Öko-Institut, um über Freimessung und Strahlenschutz zu referieren.
Das Öko-Institut ist nicht mehr, was es mal war. Was man von Küppers liest, läuft darauf hinaus, dass er die gleiche Sicht vertritt wie Preussen Elektra.

Was müsste passieren, damit der, wie Sie sagen, Monolog über den Rückbau doch noch zu einem Bürgerdialog werden kann?
Man müsste einen Schnitt machen. Wenholt, Jens Wrede von der Wirtschaftsförderung, die Leute von Prognos, die Initiativen und der Betreiber müssten sich zusammensetzen und klären, wie die restlichen Veranstaltungen so gestaltet werden können, damit es ein Gewinn ist und zu einer wirklichen Information führt.

Haben Sie Hoffnung, dass das gelingt?
Ja, ich habe Hoffnung und werde auch Gespräche führen in diese Richtung.

Das ändert aber nichts mehr an den Bedingungen für den Rückbau. Die Genehmigung ist inzwischen erteilt.
Das stimmt. Das spielt auf einer anderen Ebene als die Frage, wie werden die Bürger informiert.

Werden die Initiativen gegen den Genehmigungsbescheid klagen?
Das ist noch nicht entschieden. Es gibt vorher noch einige Treffen, aber ich rechne damit, dass es zu einer Klage kommt. Die Initiativen können nicht klagen, aber es gibt einen möglichen Kläger. Mehr kann dazu nicht sagen.

Wogegen genau wird geklagt?
Es gibt eine Reihe von Kritikpunkten. Bei einer Klage muss man sich aber konzentrieren auf einige wenige Punkte mit Aussicht auf Erfolg.

Sie haben vorhin von den Einwendungen im Verlauf des Genehmigungsverfahrens gesprochen. Konnten Sie eigentlich irgendwelche Forderungen durchsetzen?
Das könnte man der Genehmigung entnehmen. Die hat etwa 400 Seiten. Als Nicht-Fachmann kann man das nicht nachvollziehen. Das ist was für Verwaltungsjuristen. Unser Gutachter Wolfgang Neumann sagt uns am Mittwoch etwas aus Sicht des Physikers dazu.

Quelle: Die Norddeutsche vom 02.03.2018 von Georg Jauken

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