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Somalia und die Giftmüllmafia

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Piraten in Somalia – Täter oder Opfer?
oder „Somalia ist völlig hilflos“

Interview mit Paul Moreira

In seinem Dokumentarfilm „Somalia und die Giftmüllmafia“ enthüllt der Journalist Paul Moreira die Hintergründe des Giftmüllhandels in Somalia. Eine Recherchearbeit unter gefährlichsten Bedingungen.
Warum wollten Sie einen Dokumentarfilm über den Giftmüll machen, den die reichen Länder an der somalischen Küste abladen?

Paul Moreira: Vor zehn Jahren sprachen wir in der Sendung 90 minutes [von Moreira gegründetes TV-Magazin auf Canal +] über die italienische Journalistin Ilaria Alpi, die 1994 in Somalia ermordet worden war. Sie hatte über Waffen- und Giftmüllhandel recherchiert. Aus Sicherheitsgründen schickten wir damals kein Drehteam ins Land. Wir hatten keine Beweise. Das Ganze war ein Gerücht, das die somalischen Piraten verbreitet hatten, die angeblich die Küste ihres Landes schützten, indem sie alle sich nahenden Schiffe angriffen. Sie klagten über Fischsterben und Krankheiten, an denen die Küstenbewohner litten. Stimmten diese Behauptungen, oder sollten sie nur die Piraterie rechtfertigen? Bei unseren Nachforschungen fanden wir an den somalischen Stränden mysteriöse Kanister mit giftigem Inhalt, die von Schiffen dort abgeladen worden waren. Und im Krankenhaus von Mogadischu sahen wir Kinder mit Krankheiten und Missbildungen, wie sie auftreten, wenn man diesen giftigen Substanzen längere Zeit ausgesetzt ist. Für die Somalier sind jene die wahren Piraten, die diese Chemikalien ohne Rücksicht auf die Bevölkerung dort abladen.

Wie verliefen die Recherchen in diesem Land, in dem die Gefahr, überfallen oder entführt zu werden, sehr hoch ist?
Das war sehr nervenaufreibend. Gleich zu Beginn informierte ein in Nairobi angestellter europäischer Beamter die französischen Behörden über mein Vorhaben. Daraufhin bekam ich einen Brief vom französischen Außenministerium, das mir ausdrücklich von einer Reise ins Land abriet. Das war ein unheimlicher Druck. Unser Kontakt vor Ort war ein dort bekannter Verbindungsmann, der auch für die New York Times arbeitet und dem wir vertrauen konnten. Wir hatten Angst, aber wir wollten unbedingt Licht in die Sache bringen. Es war schwierig, handfeste Beweise zu finden, so dass wir immer weiter vorstoßen mussten. Nur in das von der Al-Qaida kontrollierte Gebiet wollte ich nicht.

Somalia ist heute kaum noch zugänglich. Das Land ist zerrissen zwischen der offiziellen, von Uganda unterstützten Regierung, der islamistischen Shebab-Miliz, die einen Großteil des Landes beherrscht, und dem Militär. Um nach Hobyo zu gelangen, flogen wir zunächst landeinwärts und landeten in Galkayo, der Hauptstadt eines international nicht anerkannten Staates namens Galmudug, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Die Landebahn war verschlammt. Bewaffnete Jugendliche in Badeschlappen nahmen uns in Empfang, und ein Typ in schmuddeliger Uniform stellte uns für 25 Dollar ein Visum aus…

Somalia steht völlig allein da, und aufgrund der wachsenden Unsicherheit verringern sich unsere Möglichkeiten, dem Land zu helfen. Somalia könnte das Afghanistan von morgen werden.

Für die Somalier sind jene die wahren Piraten, die diese Chemikalien ohne Rücksicht auf die Bevölkerung dort abladen.

Wie gelang es Ihnen, die Piraten und die Mitglieder des italienischen Netzwerks, das den illegalen Handel früher unter sich hatte, zu bewegen, dass Sie mit Ihnen reden?

Die Piraten in Somalia wollten über den Giftmüll sprechen. Sie haben das Gefühl, ihre Meinung interessiere niemanden. Ich gab ihnen die Möglichkeit, sich auszudrücken und ihren Standpunkt kundzutun.
In Italien habe ich mit einer Agentur junger Investigativ-Journalisten zusammengearbeitet, die mich mit ehemaligen Mitgliedern des italienischen Netzwerks in Kontakt brachten. Durch sie kam ich auch an Aufzeichnungen, die die italienische Justiz in zweijähriger verdeckter Ermittlungsarbeit gemacht hatte. Warum diese Nachforschungen nie zu Ende geführt wurden, ist unklar.

Was wollen Sie mit Ihrem Film bewirken?
Der Giftmüllhandel gedeiht im Verborgenen. Er muss aufgedeckt werden. Wir Journalisten vollbringen keine Wunder, aber wir können auf zwielichtige Machenschaften aufmerksam machen, um die Situation zu verbessern. Vor zehn Jahren habe ich über Kinderarbeit in den Textilfabriken Kambodschas recherchiert. Daraufhin kündigte die Firma GAP ihre Verträge mit 160 Zulieferern.

Wissen Sie, wie sich die Lage in Somalia seit Ihren Recherchen entwickelt?
Mein Verbindungsmann informiert mich regelmäßig, wenn er neue Kanister am Strand von Hobyo entdeckt. Seit 2005 wurden etwa vierzig Stück gefunden, und es kommen offensichtlich noch immer neue dazu. Auch die Europäer müssen die Verantwortung dafür übernehmen, denn ein Teil dieses Giftmülls stammt aus unseren Fabriken. Es ist auch unsere Schuld, wenn die Somalier so wütend sind.

Das Interview führte Joyce Ashford Erstellt am 13-05-11

AUSSCHNITTE AUS „SOMALIA UND DIE GIFTMÜLLMAFIA”

Vor den Küsten Somalias, dem bitterarmen Land am Horn von Afrika, wird seit Jahren giftiger Müll im Meer versenkt. Während ausländische Geschäftemacher hier eine ergiebige Geldquelle aufgetan haben, leidet die Bevölkerung Somalias unter den gesundheitsschädlichen Folgen dieses illegalen Treibens.

Um eine Tonne Giftmüll vor der Küste Somalia abzuladen, werden lediglich 2,50 US-Dollar fällig. Das macht die Gewässer vor den Toren des bitterarmen ostafrikanischen Landes zur billigsten Müllhalde der Welt. Während diese illegale Müllentsorgung eine ergiebige Einnahmequelle für ausländische Geschäftemacher ist, macht der giftige Abfall, der zumeist aus den reichen Ländern Europas stammt, Hunderte von Somaliern krank.

Aber wer lädt hier wirklich seinen Müll ab und wer profitiert von diesem verbrecherischen Treiben? Zwei italienische Journalisten mussten entsprechende Recherchen bereits mit ihrem Leben bezahlen. Bei der Suche nach Antworten stößt die Dokumentation auf eine Verquickung von italienischer Mafia, somalischen Piraten und schmutzigen Giftmüllgeschäften.

Somalia gehört zu den ärmsten und politisch instabilsten Ländern der Erde. Große Teile der Bevölkerung leiden Hunger, ein stabiler Rechtsstaat existiert nicht und vor den Küsten operieren Piraten, die auch vor der internationalen Schifffahrt nicht haltmachen. Der Themenabend beschreibt die Lage am Horn von Afrika und sucht gleichzeitig nach den Ursachen für den desolaten Zustand des Landes.

Fundamentalismus, Piraterie, Flüchtlingsströme, Giftmüllhandel – Somalia ist auf regionaler und internationaler Ebene zum Brennpunkt und zum Schauplatz zahlreicher Übel und Missstände geworden. Wegen der zunehmenden Piratenangriffe auf internationale Schiffe ist das Land am Horn von Afrika auch politisch wieder auf die internationale Agenda gesetzt worden.

Doch was kann die Völkergemeinschaft gegen die Seeräuberei unternehmen? Wie kann sie den Piraten das Handwerk legen? Wie den Seehandel schützen? Wie das Versenken radioaktiver Müllfässer aus dem Westen in den Gewässern vor Somalia unterbinden? Der Themenabend liefert eine Bestandsaufnahme und unternimmt gleichzeitig den Versuch, die Ursachen für die derzeitige desolate Situation am Horn von Afrika zu erklären.

www.videos.arte.tv/…/somalia_und_die_giftmuellmafia_ausschnitt_1_3_-3916486.html

Qelle: ARTE.tv vom 24.05.2011 von Joyce Ashford

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