BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Deponie soll plötzlich harmlos sein

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Anwohnerin: Ich frage mich, ob da jemand manipuliert hat / 2,5 Kilometer Deichbau in Alt Garge geplant

Alt Garge. Kaum ein Vorhaben ist Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander in den vergangenen Monaten so wichtig gewesen wie der Bau eines rund 2,5 Kilometer langen Deiches in der Region Bleckede. Ein Deich, der vor allem den malerisch in den Elbtalauen gelegenen Ort Alt Garge vor Hochwasser schützen soll. Oft ist Sander schon dort gewesen, um sich ein Bild vom Stand der Planungen zu machen. Schon bald soll der erste Spatenstich erfolgen. Doch jetzt regt sich Widerstand. Dreh- und Angelpunkt ist eine Altmülldeponie in Alt Garge, die offenbar seit Jahrzehnten eine Art Dornröschenschlaf geführt hatte.

Petra Westermeyer, Imkerin und Anwohnerin der Deponie, sorgt sich: „Wir müssen endlich wissen, welche Gefahren in der Tiefe lauern.“ Foto: NDR

Den Stein ins Rollen brachte die Imkerin Petra Westermayer, deren Grundstück in unmittelbarer Nähe zu dieser Deponie liegt. Sie hatte Ende März auf den Internetseiten des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie gesurft. Was sie dort fand, ließ sie zusammenzucken. Auf der Seite des Landesamtes sind sämtliche Altmülldeponien des Landes verzeichnet, die offenbar gefährlichste von allen fand Westermeyer in Alt Garge unweit von ihrem Grundstück. Und die rote Farbe signalisierte Gefahr: „Erkundung vorrangig geboten“. Die Erklärung, die das Landesamt gab, erschreckte die Imkerin noch mehr. Möglicherweise lagern dort Stoffe, die schon mehrfach Schlagzeilen machten, wenn es um alte Deponien ging: von Trafoölen, Wärmeträgerölen und Polychlorierten Biphenylen (PCB) war die Rede. „Das löste bei mir ein ganz schreckliches Gefühl aus, weil ich Mutter von zwei Kindern bin, und die Kinder spielen da hinten und wühlen in der Erde herum. Ich weiß überhaupt nicht, was zum Vorschein kommt.“

Ihre Sorgen sind offenbar nicht unbegründet, denn PCB gilt als hochgiftig. In PCB sei oftmals das als „Supergift von Seveso“ bekannte Dioxin enthalten, sagt die Umweltschutzorganisation Greenpeace. Petra Westermayer handelte und schickte einen Brief mit Fragen an Umweltminister Sander. Der antwortet nicht, doch seine Behörde reagierte kurze Zeit später. Allerdings ganz anders, als die Imkerin es erwartet hatte: Der Interneteintrag wurde geändert. Im Geoportal des Landesamtes wurde die Gefährdungsstufe der Deponie herabgestuft. Anstelle eines roten Punktes war jetzt nur noch ein gelber zu finden: „Erkundung nachrangig.“ Wie konnte aus der bisher brisanten Deponie eine beinahe harmlose Müllkippe werden? Ein böser Verdacht beschlich Westermeyer. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Ich frage mich, ob da jemand manipuliert oder die Tatsachen verändert hat.“ Sie vermutet, dass die Veränderungen mit dem Deichprojekt in der Region zusammenhängen. „Da wäre es nicht gut, wenn man Fragen nach einer gefährlichen Deponie in unmittelbarer Nähe stellen könnte“, so die Imkerin.

Davon könne keine Rede sein, meint Boris Reisgies, der Chef der Bodenschutzbehörde beim Kreis Lüneburg. Für ihn sei die Herabstufung ein ganz normaler Vorgang. Sein Argument: An zwei Stellen in der Nähe der Deponie seien die Rechte zur Trinkwasserentnahme erloschen. Das mindere den Gefährdungsgrad. Ausschlaggebend sei auch die Aussage eines Mitarbeiters der Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW). Der habe bekräftigt, dass die HEW niemals PCB-haltige Trafoöle verwendet habe, so Reisgies. Der Umweltminister hat dem Landkreis Lüneburg den Rücken gestärkt. Dessen Argumentation sei nachvollziehbar, sagte Sander gegenüber NDRInfo. Greenpeace hegt allerdings Zweifel. „PCB war in den 70er- und 80er-Jahren weit verbreitet. Wenn eine Deponie Transformatorenöle aus der Zeit enthalten kann, dann ist die Gefahr, dass dort PCB-haltige Rückstände gelagert werden, vergleichsweise hoch. Deshalb muss eine solche Deponie auch daraufhin untersucht werden“, sagt Greenpeace-Experte Manfred Santen.

Erinnerung an ein Gespräch
Außerdem lässt die Datenbasis, die die Behörde ins Feld führt, offenbar viele Fragen offen. So ist weder der Name des HEW-Mitarbeiters bekannt, auf den sich die Behörde beruft, noch seine Funktion. Die Aussage liegt auch nicht in schriftlicher Form vor. Ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung erinnert sich an ein entsprechendes Gespräch vor rund 25 Jahren. Andererseits liegt der Behörde die schriftliche Aussage eines Augenzeugen vor, der ausdrücklich bestätigt, dass er gesehen habe „wie Transformatoren und Ölfässer in der Deponie untergebracht wurden“. Volker Nebelsiek, der Celler Anwalt für Verwaltungsrecht und Berater Westermayers, ist deshalb skeptisch: Ein Gericht werde sich mit solch dürren Erklärungen nicht zufrieden geben, sondern nach den Ergebnissen von Bohrungen oder ähnlichen Untersuchungen fragen. Tatsächlich hat es Untersuchungen in der Tiefe der Deponie bisher nicht gegeben. „Das hat mit guter Verwaltungsarbeit nichts zu tun. Es spricht viel dafür, dass das manipuliert worden ist“, sagt der Anwalt.

Für Imkerin Petra Westermeyer ist klar: „Wir müssen endlich wissen, welche Gefahren in der Tiefe der Deponie lauern.“ Sie will nicht, dass „wieder Gras über die Sache wächst“. Bei der Deponie ist das längst der Fall. Nur ein verrosteter alter Kühlschrank ragt aus dem dichten Gestrüpp heraus, das über die Deponie gewachsen ist.

Quelle: Weserkurier vom 12.07.2011 Der Autor Stefan Schölermann ist Redakteur bei NDRInfo.

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