BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Röntgenbild des Herrn K.

Die Geschichte einer Erkrankung | von Dr. Charlet

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Ich möchte Ihnen heute Abend eine Geschichte über eine Erkrankung erzählen. Wir wollen unseren Patienten K. nennen. Ich will schon jetzt darauf hinweisen, dass K. nur von mir erfunden wurde. Das Schicksal des K. haben aber reale Patienten von mir erleiden müssen.

Ich erzähle diese Geschichte, um das Augenmerk darauf zu lenken, was passieren kann, wenn die geplante Deponie tatsächlich gebaut wird. Ich betone noch einmal: meine Geschichte muss nicht Wirklichkeit werden. Sie kann Wirklichkeit werden.

K. ist jetzt 58 Jahre alt. Er arbeitet als Verwaltungsangestellter der Samtgemeinde Hagen. Letzte Nacht hat K. wieder ziemlich schlecht geschlafen. Er musste viel husten und ist dadurch immer wieder aufgewacht. Seit etwa 6 Wochen geht das jetzt so Nacht für Nacht, mal hustet er mehr, mal weniger. K. macht einen Termin bei seinem Hausarzt.

Der Hausarzt hört die Lunge ab und sagt, dass sich eigentlich alles normal anhöre. „Sie rauchen doch immer noch nicht, oder?“ „Nein“, sagt K. „Und kommt irgendwas raus beim Husten – Schleim?“ „Nur manchmal ein bisschen“, sagt K. Weil das Ganze jetzt schon 6 Wochen dauert, schreibt der Arzt ein Antibiotikum auf und bittet K. sich in 2 Wochen wieder vorzustellen.

Nach 2 Wochen ist das Antibiotikum alle, aber der Husten ist nicht besser geworden. Der Arzt macht einen Allergietest, der unauffällig ausfällt. Im Labor sind 2 Entzündungswerte ganz schwach erhöht. Der Doktor sagt, dass das zu einem sogenannten „Überempfindlichen Bronchialssystem“ passen würde. Er schreibt K. ein Kortisonspray auf und bittet ihn, 3 mal täglich zu inhalieren.

3 Wochen später berichtet K. dem Arzt, dass der Husten anfangs besser geworden sei, vor 4 Tagen habe er aber einen fürchterlichen Hustenanfall gehabt, wobei auch etwas Blut ausgehustet worden ist.

Der Arzt beschließt, K. zu einem Lungenspezialisten zu überweisen. 3 Wochen später hat K. dort einen Termin. Er leidet weiter unter einem erheblichen Reizhusten, teilweise sind leichte Blutbeimischungen im Schleim. Neu ist seit einer Woche ein Schmerz, der jetzt manchmal in der linken Brust auftritt und bei tiefer Einatmung stärker wird. K. berichtet dem Lungenarzt auch, dass er in letzter Zeit bei körperlicher Belastung relativ schnell pustig werde. Dabei habe er bis vor 6 Monaten noch zwei mal in der Woche gejoggt.

Röntgenbild des Herrn K.

Der Lungenarzt fertigt zunächst einen Lungenfunktionstest an. Dieser zeigt, dass die maximale Ausatmungsmenge von K. etwa 20 % reduziert ist. Eine Röntgenaufnahme der Lunge zeigt dann als Erklärung eine ausgedehnte Verschattung der unteren Lungenabschnitte links.

Eine 3 Tage später durchgeführte Computertomographie der Lunge zeigt dann eine ausgedehnte wandständige Tumorbildung in der linken Lunge.

K. wird in die Lungenfachklinik Bremen-Ost eingewiesen. Dort stellt man dann die Diagnose „Pleuramesotheliom“. Ein Pleuramesotheliom ist eine bösartige Erkrankung von Rippen- und Lungenfell. Die Ursache dieser Erkrankung besteht oft darin, dass man vor vielen Jahrzehnten Asbestfasern eingeatmet hat. Diese krallen sich an diesen Häuten fest, führen zunächst zu einer chronischen Entzündung, die man meistens gar nicht bemerkt, um dann in einigen Fällen sehr viel später zu entarten. Ein Pleuramesotheliom siedelt zwar keine Tochtergeschwülste ab, lässt sich aber fast nie heilen und zählt damit zu den gemeinsten Krebserkrankungen.

Tomographie des Herrn K.

Seit K. seine Diagnose und die entsprechende Prognose kennt, stellt sich ein quälender Grübelzwang ein. Wo war er mit Asbeststaub in Kontakt gekommen. Bei der Arbeit im Gemeindebüro sicher nicht. Auch nicht während des Ersatzdienstes, den er in einem Altenheim abgeleistet hat. In seinem Elternhaus in Kassebruch gab es kein Asbest, dass war ein altes Bauernhaus. Und in dem Haus, das er seit seiner Hochzeit bewohnte, gab es auch kein Asbest.

K. war mittlerweile erwerbsunfähig; gesundheitlich ging es immer schlechter. Er bekam schwer Luft, die Schmerzen nahmen immer mehr zu. Da man seine Krankheit nicht heilen konnte, hatte er eine Depression entwickelt.

Eines Tages las er in einer Zeitschrift, dass in einem näheren Umkreis um Bauschuttdeponien die Erkrankungsrate an Asbestose erhöht sein könne. Plötzlich setzte sich seine Erinnerung Stück für Stück wieder zusammen. Er musste so 10 Jahre alt gewesen sein, als man die Sandkuhle an der Kreisstrasse zur Autobahn in eine Deponie umgewidmet hatte. Kurz danach entstanden dann weitere Sandkuhlen und später Deponien. Er erinnerte sich, dass damals plötzlich Unmengen an Lastwagen zu den Deponien fuhren und ihre Ladung abkippten. Das staubte oft heftig, und bei Wind wehte der Staub in östliche Richtung. Er hatte damals häufiger in der Nähe der Deponien mit Freunden gespielt – sonntags waren sie auch mal auf die Schuttberge geklettert, weil man dort prima Drachen steigen lassen konnte. Ja, daran konnte er sich gut erinnern. Es war dort bei Wind oft staubig gewesen. Er konnte sich aber nicht vorstellen, dass dort auch asbesthaltiger Schutt entsorgt worden war. Das weiß doch jedes Kind, dass die Auflagen für die Entsorgung für Asbestplatten sehr streng sind. Konnte es wirklich sein, dass am Weißen Berg auch Asbestabfälle abgekippt wurden?

Über einen ehemaligen Arbeitskollegen besorgte sich K. Unterlagen über die Genehmigung der Bauschuttdeponie. Und tatsächlich stand dort, dass auch asbesthaltige Baustoffe entsorgt werden durften.

Es konnte eigentlich nur so passiert sein, dass er diese Asbestfasern als Kind eingeatmet hatte, die jetzt, viele Jahre später, seine tödliche Erkrankung herbeigeführt hatten.

Die Geschichte endet hier. Ich möchte niemandem Angst machen. Aber sollten wir nicht rechtzeitig unsere Lebensumstände so wählen, dass wir später gar keine Angst haben müssen? Mit einer Bauschuttdeponie kann eine solche Geschichte wahr werden. Wird sie nicht gebaut, so bleibt die Geschichte das, was sie bis jetzt ist: nur ein Märchen.

Dr. Hans-Ulrich Charlet

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