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Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Plastikmüll gelangt bis zum Tiefsee-Grund

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Selbst in den entlegenen arktischen Gewässern hinterlässt der Mensch zunehmend Spuren

Ob Lebensmittelverpackungen, Spielzeug oder Computergehäuse: Für sie und zahllose andere Produkte werden Kunststoffe verwendet, die umgangssprachlich oft einfach als Plastik bezeichnet werden. Gelangen sie als Müll in die Umwelt, können sie zu einem großen Problem werden, weil sie nur schwer abgebaut werden. Die Menge an Plastikmüll hat selbst in entlegenen Meeresgebieten stark zugenommen.

Bremerhaven. Fachleute unterscheiden Tausende Arten von Kunststoffen – was nicht heißt, dass es keine Gemeinsamkeiten gäbe. So ist Kohlenstoff ein wesentlicher Kunststoffbestandteil. Er kann zum Beispiel mit Wasserstoff, Sauerstoff oder auch Chlor verbunden werden. Außerdem bestehen Kunststoffmoleküle aus einer Vielzahl von gleichen Atomgruppen. Chemiker sprechen bei solchen Gebilden von Makromolekülen. Oft ist auch der Hinweis zu hören, dass Kunststoffe organische Polymere seien. Von organisch ist immer dann die Rede, wenn es sich um kohlenstoffhaltiges Material handelt. Im Ausdruck Polymer steckt das griechische Wort „polys“ für „viel“. Polymere sind große Moleküle, bei denen sehr viele gleich aufgebaute Untereinheiten aufeinander folgen.

So wie dieser sehen viele Strände in aller Welt aus: Der Sand ist übersät von alten Plastikbechern und Resten von Folien und anderen Produkten aus Kunststoff, die angespült worden sind. Foto: dpa

Große Mengen der weltweit hergestellten Kunststoffe gelangen am Ende in die Meere. Wie langlebig sie dort sind, zeigen diese Beispiele aus einem Fachbuch: Demnach dauert es schätzungsweise 600 Jahre, bis Angelschnüre abgebaut sind. Für Einwegwindeln und Plastikflaschen seien 450 Jahre nötig, für Plastikbecher 50 und für Plastiktüten unter ungünstigen Umständen bis zu 20 Jahre. Nach Angaben des Umweltbundesamtes bestehen drei Viertel des Mülls im Meer aus Kunststoffen. Auf einer Fläche von einem Quadratkilometer trieben im Ozean durchschnittlich etwa 13.000 Plastikmüll-Teilchen.

Dass die Menge an Plastikmüll in den Meeren zunimmt, ist grundsätzlich keine neue Erkenntnis. Das genaue Ausmaß offenbart sich Forschern allerdings erst nach und nach aufgrund neuer Studien wie der der Biologin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Wie die Wissenschaftlerin im Fachmagazin „Marine Pollution Bulletin“ darlegt, ist die Müllmenge selbst in den entlegenen arktischen Gewässern innerhalb weniger Jahre stark gestiegen.

Die Expertin hat für ihre Untersuchung Aufnahmen ausgewertet, die ein ferngesteuertes Kamerasystem in der östlichen Framstraße, einem Seegebiet zwischen Grönland und der norwegischen Insel Spitzbergen, gemacht hat. Das System befindet sich bei einem Tiefseeobservatorium mit unterschiedlichen Messgeräten, das unter der Bezeichnung „Hausgarten“ vom Alfred-Wegener-Institut betrieben wird. Das Kamerasystem schwebt in einer Wassertiefe von 2.500 Metern rund eineinhalb Meter über dem Meeresgrund und macht etwa alle 30 Sekunden eine Aufnahme des Bodens. Die Bilder dienen Biologen vor allem dazu, Veränderungen der biologischen Vielfalt zu dokumentieren. Zu den Lebewesen, die in der Tiefsee vorkommen, gehören unter anderem Seegurken, Seelilien, Schwämme und Garnelen. Melanie Bergmann hat sich Bilder aus den vergangenen zehn Jahren angesehen. Dabei galt ihr Hauptinteresse allerdings nicht den Lebewesen, sondern dem Müll. „Bei den Aufnahmen aus dem Jahr 2002 finden sich auf rund einem Prozent der Fotos Müllreste, in erster Linie Plastik. Bei den Bildern aus dem Jahr 2011 machten wir die gleiche Entdeckung auf rund zwei Prozent der Fotos. Die Müllmenge am Meeresgrund hat sich also verdoppelt“, sagt die Expertin. Rund um das Tiefseeobservatorium sei inzwischen genauso viel Plastikmüll auf den Grund des Ozeans gesunken wie in einem Meeresgraben unweit der portugiesischen Metropole Lissabon. Mit anderen Worten: Das Müllproblem sei auch in Meeresgebieten groß, die lange als weitgehend unberührt gegolten hätten.

Gefahr für Tiere
Dass der Plastikmüll im Meer Lebewesen gefährdet, ist schon länger bekannt. Seevögel wie Albatrosse oder Eissturmvögel verschlucken Plastikteile oder verfüttern sie sogar an ihre Jungen. Weil der Müll den Magen füllt, besteht die Gefahr, dass die Tiere verhungern. Bei Delfinen, Schildkröten und Seehunden hat sich gezeigt, dass sie sich in Netzresten oder Schnüren verheddern können – unter Umständen mit der Folge, dass sie ertrinken. Laut Umweltbundesamt gehen Fachleute davon aus, dass mindestens 43 Prozent aller Wal- und Delfinarten sowie 36 Prozent der Seevögel Müll verschlucken.

Große Sorgen bereiten Biologen die mikroskopisch kleinen Plastikteilchen, die als Mikroplastik bezeichnet werden. Über deren genaue Menge, Zusammensetzung und Verbleib im Meer sei kaum etwas bekannt, heißt es. Sie können entstehen, wenn Kunststoffe unter dem Einfluss des Salzwassers, der Wellen und der Sonnenstrahlung zerfallen. Außerdem sind solche Teilchen nach Angaben von Wissenschaftlern unter anderem in Kosmetika und Reinigungsmitteln enthalten und können über das Abwasser ins Meer gelangen. Bei Muscheln und anderen Meeresbewohnern hat sich gezeigt, dass sie winzige Plastikteilchen aus dem Wasser filtern. Mikroplastik kann sich nicht nur im Magen von Schalentieren sammeln, sondern auch im Gewebe und in Körperflüssigkeiten anreichern.

Quelle: Weser Kurier vom 30.10.2012 von Jürgen Wendler

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