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Einmal die Welt retten – durch Verschwendung

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Chemiker Michael Braungart hält nichts vom Recycling und will die Produktion umweltfreundlicher Stoffe revolutionieren

HAMBURG. Kleidung aus Abfall, Möbel aus Sperrmüll: Der Hamburger Chemiker und Umweltaktivist Michael Braungart und der Architekt William McDonough spinnen in ihrem neuen Buch die Idee des „Upcycling“ weiter. Die Vision vom Leben im Überfluss erläutert Braungart unserer Redakteurin Dörte Schubert.

Michael Braungart Bild NZ

Michael Braungart
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»Aus schlechtem Gewissen heraus wird man nicht kreativ. «
Michael Braungart, Leiter des Umweltinstituts HUI

Umweltschutz soll nicht lustfeindlich sein, fordern Sie. Gute Idee. Konsumieren ohne Reue, aber wie?
Wenn alle Produkte in einem steten Kreislauf verbleiben und wir nur noch gesunde Materialien einsetzen. Abfall gibt es dann nicht mehr. Wir müssen alles noch einmal neu erfinden. So, dass es nicht weniger schädlich, sondern nützlich ist. Das Kaufen entsprechender Produkte wird zu etwas Gutem. Je mehr ich kaufe, desto schneller kommt der Hersteller voran.

Sie behaupten, die deutsche Umweltbewegung will die Welt retten und macht dabei alles nur schlimmer. Wie meinen Sie das?
Ich meine, wenn ich etwas falsch mache, soll ich es nicht perfekt machen. Es ist zum Beispiel keineswegs umweltfreundlich, Bremsbeläge länger haltbar zu produzieren, Klärschlamm zu verbrennen oder Papier zu recylen.

Die Idee, weniger Ressourcen zu verbrauchen, ist aber doch im Prinzip eine gute Sache, sollen wir etwa auch Energie verschwenden?
Die Idee muss doch sein, das Kohlendioxid aus der Atmosphäre rauszuhalten, Sonne und Wind zu nutzen. Den ausgesprochen seltenen Kohlenstoff im Boden zu halten, das bringt doch viel mehr, als den Regenwald niederzubrennen und dann tonnenweise Palmöl aus Indonesien und Malaysia zu importieren und wieder zu verfeuern. Das ist einfach absurd.

Wie könnte die Welt denn weniger absurd wirtschaften?
Wir sollten uns endlich fragen: Was ist gesunde Ernährung, wie steht es um Eiweiß aus Algen, aus Bakterien oder Pilzen? Wir könnten völlig verschwenderisch mit Eiweiß umgehen und die Weltbevölkerung ohne weiteres ernähren. Optimieren brauchen wir da gar nichts, Abfälle gibt es nicht.

Sie wollen also die Welt retten, indem sie Produkte entwickeln, deren Materialien sich immer wieder verwenden lassen. Wie soll das bei Smartphones oder Fernsehern funktionieren?
Wir sollten vor der Herstellung mehr überlegen. Wir haben zum Beispiel für Philipps einen Fernseher gemacht, der nicht den Kunden verkauft wird, sondern den Nutzern zur Miete. Da muss nicht mehr der billigste Dreck eingebaut werden.

Kann man dann noch preiswert produzieren?
Alle Dinge, die wir machen, sparen Kosten. Zum Beispiel haben wir essbare Bezugsstoffe, die man ins Müsli packen kann, entwickelt. Bislang sind die Zuschnitte der Stoffe für die Möbelindustrie so giftig, dass sie als Sondermüll verbrannt werden müssen. Unsere Stoffe könnten als Torfersatz in Gärtnereien gehen. Wir müssen alles noch einmal neu erfinden, so, dass es nicht weniger schädlich, sondern nützlich ist. Und das gelingt.

Sehen auch die Hersteller diese Vorteile?
Ja. Wir haben bereits 1100 Produkte auf dem Markt, unter anderem Farben, die die Luft aktiv reinigen. Nicht giftig zu sein, reicht nicht aus. Wenn ich mein Kind nicht schlage, habe ich ja auch noch nichts Positives erreicht.

Das Papier aus Ihrem Buch kann man dagegen essen?
Ja, es ist das erste Buch, dass auf dem Kompost landen kann oder umweltfreundlich verbrennt. Es wäre für Extremisten geeignet, die Bibeln, den Koran oder sonstige Bücher abfackeln. Das könnten sie endlich mit gutem Gewissen.

Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 03.01.2014 von Dörte Schubert

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