BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Atomarer Rückbau

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Neuer Stress mit alten Kernkraftwerken

Der Abriss der Atomkraftwerke hat begonnen: Millionen Tonnen Beton und Stahl werden zu Müll. Doch was ist mit nuklearer Strahlung – kann der Schrott sicher beherrscht werden?
Fünf Jahre nach dem Beschluss des Deutschen Bundestags zum Atommausstieg ist klar: Nach und nach müssen die insgesamt 19 kommerziell betriebenen Atomkraftwerke zurück gebaut und entsorgt werden.

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Dabei sollen nur ein bis zwei Prozent der Gesamtmasse der AKW als radioaktiver Abfall endgelagert werden. Der Großteil wird dekontaminiert, also von der Strahlung gereinigt. Dann gelten die AKW-Überreste als gewöhnlicher Müll und landen auf Deponien oder sogar im Recyclingkreislauf. Das ist deutlich günstiger als die Entsorgung in Zwischen- und Endlagern.

Unkontrollierte Verbreitung?
Doch Strahlenexperten und Mediziner warnen vor der unkontrollierten Verbreitung des Atomschrotts. Denn dekontaminiert heißt nicht strahlenfrei. Es müssen lediglich die Freigabewerte der Strahlenschutzverordnung eingehalten werden. Dann gilt der Müll aus alten AKW als „freigemessen“ und damit als sicher. Obwohl es eine Reststrahlung gibt.

Wie sicher also ist das Freimessen? Wie zuverlässig sind die Kontrollen beim AKW-Rückbau? Und ist die Lagerung auf Mülldeponien unbedenklich? Diesen Fragen geht planet e. nach und deckt Schwachstellen im deutschen Strahlenschutz und in der Überwachung des AKW-Rückbaus auf.

Strahlenrisiko auf der Mülldeponie?

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Seit 1995 wird das Kernkraftwerk Lubmin zurückgebaut: Mit Hochdruckstrahlern und Laugen reinigen die AKW-Mitarbeiter tonnenweise radioaktive Bauteile. Solange, bis die radioaktive Belastung unter den Freigabewerten der deutschen Strahlenschutzverordnung liegt. Der Atomschrott ist dann zwar nicht frei von radioaktiver Strahlung, er gilt aber trotzdem als „freigemessen“ und kann auf Mülldeponien gebracht werden. Auf die Deponie Ihlenberg bei Lübeck wurden seit 1996 schon mehrere Tausend Tonnen Überreste des AKW Lubmin verbracht. Die Bewohner rund um die Deponie haben Angst, dass Radioaktivität ins Grundwasser und in ihr Trinkwasser gelangen könnte. Und tatsächlich: Das zuständige Landesamt hat bereits radioaktives Tritium im Sickerwasser der Deponie festgestellt. Wo es herkommt? Nach Auskunft des Betreibers hat ein aktuelles Gutachten ergeben, dass das Tritium wahrscheinlich aus abgelagerten „Konsumgütern“ wie etwa Leuchtmitteln stamme. Vertreter einer Bürgerinitiative vor Ort bezweifeln das.

Haat-Hedlef Uilderks und Uwe Lembcke kämpfen seit Jahren in der Bürgerbewegung gegen den Atomschrott vor seiner Haustür: „Mitarbeiter der Deponie haben heimlich Fotos gemacht und uns zugespielt. Darauf erkennt man eindeutig, wie Atomfässer vergraben werden. Da können die alles reinpacken, es gibt keine Kontrolle, die Fässer sind einfach unter der Erde verschwunden“, berichten die beiden. Der Betreiber hingegen versuche stets zu beschwichtigen. Wie in Ihlenberg landen im Zuge des Rückbaus Tausende Tonnen an freigemessenem AKW-Schrott auf gewöhnlichen Deponien.

Wie sicher ist das Recycling?

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Die freigemessenen AKW-Reste dürfen auch recycelt werden. Bauschutt aus AKWs kann zum Beispiel im Straßen- oder Gleisbau wiederverwendet werden. . Auch den Stahl verkaufen die Atomkonzerne. So könnten Alltagsgegenstände wie beispielsweise Heizkörper, Pfannen oder Uhren Reste aus dem Abbau von Atomkraftwerken enthalten.

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Wo der AKW-Stahl im Recyclingkreislauf landet, wird nicht registriert. Rückverfolgung und Haftungsansprüche sind damit ausgeschlossen, warnen Kritiker.

Reicht die Strahlenschutzverordnung aus?
Der freigegebene Atommüll aus deutschen AKW aber strahlt, und das ist innerhalb der Freigabewerte legal. Doch reicht die deutsche Strahlenschutzverordnung aus, um Gesundheitsgefahren auszuschließen? Experten wie der Epidemiologe Prof. Wolfgang Hoffmann von der Universität Greifswald verweisen auf das gesundheitliche Risiko auch durch kleine Strahlendosen:

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„Die Belastung gegenüber niedrigen Strahlendosen hat zur Folge ein erhöhtes Krebsrisiko, was man relativ gut auch bestimmen kann, also die Größenordnung. Es ist natürlich ein kleines Risiko bei kleinen Dosen. Aber es ist eben ein Risiko, was nicht auf null zurückgeht. Und ein Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, besonders Schlaganfall und Herzinfarkte. Wir können inzwischen in großen epidemiologischen Studien diese Effekte unmittelbar sehen und messen.“

Wie gut wird der Rückbau überwacht?
Zum Großteil werden die deutschen Atomkraftwerke von den verschiedenen TÜV-Unternehmen überwacht und auch für den Rückbau in den nächsten Jahren sind diese Prüfgesellschaften zuständig. Beauftragt und bezahlt wird der TÜV von den Betreibern.
In einem internen Papier des Bundesumweltministeriums (BMUB) von 2008 wird die wirtschaftliche Abhängigkeit der Kontrolleure kritisiert: „Diese kann sich auf die Arbeit des einzelnen Sachverständigen auswirken.“ Den Beamten seien Fälle bekannt, in denen sich der TÜV allein auf die Messungen der Betreiber verlassen hätten, ohne selbst nachzuprüfen. Auch die IAEO hat die deutschen Überwachungsmethoden im Zuge einer Untersuchung kritisiert. Veröffentlicht wurde der Bericht nicht.

Quelle: ZDF | planet e | 03.07.2016 | Volker Angres

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