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Eine echte Agrar-Wende ist überfällig

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Insektensterben

So schön ist unser Land. Und dann diese Nachricht: Es gibt 75 Prozent weniger Fluginsekten. Die deutsche Kulturlandschaft ist in Wirklichkeit halbtot. Angezweifelt wird die Seriosität der Forschungsergebnisse nicht. Aber hat die Botschaft auch das Gehirn erreicht? Es ist nur eine von vielen Informationen, die nicht nur die Deutschen überfordern. Genauso wie der am Freitag veröffentlichte Bericht, wonach weltweit Umwelteinflüsse für jeden sechsten Todesfall mitverantwortlich sind.

Werner Kolhoff

Je wuchtiger solche Studien sind, umso weniger scheinen sie durchzuschlagen. Es gibt zwei Reflexe. Der erste: Verdrängung. Solange die negativen Folgen nicht individuell zu spüren sind wie bei Wirbelstürmen, Feuersbrünsten oder Flutkatastrophen, schiebt der Einzelne solche Erkenntnisse von sich. Kopf in den Sand. Insektenschwund? Da bleibt wenigstens die Windschutzscheibe sauber.

Die organisierten Lobbys wiederum, auch die mit ihr verbundenen Politiker, setzen auf Verzögerung. Der erste Ruf gilt immer nach weiteren Studien. Das verlangt jetzt auch der Bauernverband und verweist darauf, dass die Insektenpopulation nur in Naturschutzgebieten gemessen wurde. Stimmt. Nur: Wenn es dort schon schlimm ist, warum sollte es über den mit Insektiziden besprühten Feldern oder gar in den Städten besser sein?

Es ist für die politische Reaktion ein Problem, dass Umweltveränderungen ein riesiges Schwungrad sind. Heute in Gang gesetzt, dreht es sich erst morgen und übermorgen schnell. Dann aber unaufhaltsam. In den sensiblen Ökosystemen kann schon jede kleine Veränderung zu einer katastrophalen Kaskade führen. An den Fluginsekten hängt die Bestäubung vieler Pflanzen. Und es hängen an ihnen die Vögel. Schon wird auch bei deren Population ein ähnlicher Rückgang beobachtet.

Der Einzelne kann zwar seinen Lebensstil ändern, wird aber letztlich wenig bewirken. Die Gesellschaft insgesamt muss Vernunft aufbringen. Im aktuellen Fall heißt das: Wenn es noch Wissenslücken über das Insektensterben und seine Hintergründe gibt, dann müssen sie schnellstens geschlossen werden. Und wenn man dann mehr weiß, muss man handeln. Die Jamaika-Koalition hat ein neues Thema. Es muss ein Top-Thema sein.

Mitunter lassen sich solche Phänomene durch beherztes Eingreifen relativ schnell beeinflussen. Rauchgasentschwefelungsanlagen gegen den sauren Regen und das FCKW-Verbot gegen das Ozonloch sind dafür Beispiele. Vielleicht kann auch hier eine kleine Maßnahme helfen, etwa der Ersatz bestimmter Pestizide durch andere Stoffe. Eine echte Agrarwende steht jedoch ganz unabhängig davon auf der politischen Aufgabenliste. Denn die Agrarindustrie in Deutschland und Europa ist wegen der Überdüngung der Böden und Gewässer, wegen ihres Ressourcenverbrauchs und wegen der Massentierhaltung längst genauso zum Umweltproblem geworden wie Kohlekraftwerke, Autoverkehr oder Plastik. Manchmal muss man Insekten fangen, um das hinter der schönen Landschaft zu sehen.

Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 21.10.2017 von Werner Kolhoff, Büro Berlin

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