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Das Verschwinden der Krabbeltiere

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Naturschützer fordert entschlossenes Handeln gegen Insektensterben – Wichtigste Ursachen sind Stickstoff und Pestizide

KIEL. Sie sind einfach nicht mehr da. Viele Insekten haben ihren Lebensraum verloren. Was vielen Menschen erst seit kurzem auffällt, beobachten Naturschützer schon seit langem. Ein Experte empfiehlt ein Bündel von Maßnahmen gegen das Verschwinden der Krabbeltiere.

Eine mit Pollen und Blütenstaub besetzte Biene im Landeanflug auf eine Sonnenblume. Auch diese Tiere sind vom Insektensterben betroffen.

Der Insektenschwund erfordere ein konsequentes Umdenken in der Gesellschaft und einen Wandel im Naturschutzmanagement, sagt Detlef Kolligs von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein der Deutschen Presse-Agentur. Die hohen Stickstoffgehalte in Luft und Böden führten zusammen mit Pflanzenschutzmitteln zu einem gefährlichen Verlust insektenfreundlicher Pflanzen in der Natur, Weniger Stickstoff und Pestizide sowie ein anderes Naturschutzmanagement seien nötig, um das Verschwinden der Insekten zu stoppen. Einer Studie zufolge war in Deutschland die Insektenmasse in den vergangenen 27 Jahren um 75 Prozent gesunken.

> Bedeutung von Insekten: „Die genetische Vielfalt und die Artenvielfalt sind zugleich Erbe und Zukunft der Menschheit“, sagt Kolligs. Ohne Vielfalt kann es keine Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen geben. Bei der Artenvielfalt sind in erster Linie die sechsbeinigen Krabbeltiere gemeint. Über 60 Prozent aller bekannten Arten der Erde sind Insekten. Sie sind die artenreichste Gruppe unter den Tieren, Basis der Ökosysteme und Eiweißlieferanten für viele größere Tiere. Außerdem bestäuben sie die Blüten vieler Pflanzen und tragen so zur Fruchtbildung bei.

Pestizide: In ihrem Einsatz sieht Kolligs nur eine Ursache für das Verschwinden von Käfer, Fliege und Co. Die konventionelle Landwirtschaft, die fast auf der Hälfte der Fläche Deutschlands betrieben wird, ist der mengenmäßig größte Anwender von Pestiziden. Gut ein Fünftel der Gesamtmenge an Insektizid-Zubereitungen wurde 2016 an private Nutzer abgegeben. Bisher verzichten auch nur wenige Städte und Gemeinden auf Pestizide, weil oft effektive und bezahlbare Alternativen fehlen.

Stickstoff: Laut Kolligs veränderten in den vergangenen Jahrzehnten vor allem hohe Stickstoffemissionen die Pflanzenzusammensetzung. Früher gab es viele nährstoffarme Böden mit Pflanzen, die Lebensraum und Nahrung für Insekten sind. Heute ist der Boden oft mit Stickstoff überfrachtet. Stickstoffliebende Pflanzen wie Brennnesseln und Brombeere profitieren davon und überwuchern diese Flächen. Die insektenfreundlichen Pflanzen verschwinden. Laut Bundesregierung gelangen 63 Prozent des Stickstoffs über die Landwirtschaft in die Umwelt. Industrie und Energiewirtschaft tragen 15 Prozent bei, der Straßenverkehr 13 und Abwässer 9 Prozent.

Dilemma: Konventionelle Landwirte werden oft mit der Forderung konfrontiert, auf Pestizide zu verzichten und Böden mit weniger Stickstoff zu düngen. Aber sie sollen auch die wachsende Bevölkerung mit günstigen Lebensmitteln versorgen.

Schutzräume: Sie sind laut Kolligs oft zu klein und zu wenig. Mindestens 100 Hektar seien nötig, damit genügend Insekten eine überlebensfähige Population bilden können. Es fehlten zwischen Naturschutzgebieten auch Landschaftsbrücken. Diese würden benötigt, damit die Insekten, falls sie an einem Standort nicht mehr überleben können, einen Ersatzstandort erreichen können. „Die Insekten hatten früher 100 Prozent der Landschaft zur Verfügung, aber jetzt sollen sie alle in 4 Prozent Schutzräumen überleben, wie soll das gehen?“, fragt Kolligs. Derzeit seien sie in den wenigen Schutzgebieten Gestrandete auf einsamen Inseln.

Die Bahn: Aus Sicherheitsgründen muss das Gleisbett frei von Pflanzen sein, damit sich die Weichen im Gleisbett bewegen können. Um das zu gewährleisten, besprüht ein Spritzzug das Gleisbett mit einem Herbizid. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn betont, Glyphosat und andere Mittel würden nicht in Schutzgebieten, über offenen Gewässern und auf Brücken eingesetzt. „Derzeit stellen allerdings weder thermische noch mechanische Verfahren eine Alternative zum begrenzten Einsatz von Herbiziden im Gleisbereich dar“, sagte die Sprecherin.

Gärten: Sie können eine Brückenfunktion zwischen Schutzgebieten erfüllen. Wenn aber auch hier chemische Mittel verteilt werden und zudem noch exotische Pflanzen gepflanzt werden, sind diese scheinbar grünen Oasen für Insekten lebensfeindlich. Kolligs empfiehlt, nur die Hälfte des Rasens abwechselnd zu mähen. „Man kann auch einfach ein heimisches Gehölz pflanzen, eine Pappel, Eiche, Birke oder Weide – auf ihnen sind die meisten Insektenarten zu Hause.“

Quelle: Die NORDSEE-ZEITUNG vom 15.01.2018 von Karena Hoffmann-Wülfing

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