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Endlagersuche in Berlin:

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Ein unfairer Generationenvertrag

Atommüll will man hier ja nicht lagern, aber Anfang Februar wurde Berlin einmal mehr Zentrum der Auseinandersetzung um die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle. Während das Nationale Begleitgremium zum Mitwirken einlud, diskutieren Jugendverbände über ihre Rolle und Forderungen.

Jugend fordert Atommüll als Schulfach

Foto Juliane Dickel

Radioaktiver Atommüll und die Suche nach einem Endlager werden Generationen beschäftigen. Im Rahmen des Projekts „Jugend trifft Erfahrung“ trafen sich am 02./03. Februar fünfzehn junge Menschen zum zweiten Workshop in den Räumen der BUND-Jugend in Berlin.

Die Organisatoren informierten über vergangene und aktuelle Probleme. Wie wenig belastbar der „Neuanfang“ sei, so Ursula Schönberger, Projektleiterin des Atommüllreports, zeige der Fall der Wismut. Die ehemaligen Uranhalden in Sachsen und Thüringen, in die man dauerhaft Atommüll einlagere, würden immer noch nach Strahlenschutzrecht der ehemaligen DDR saniert, weshalb der Atommüll nicht unter das Atomrecht falle und kein Langzeitsicherheitsnachweis erforderlich sei. BUND-Atomexperte Thorben Becker kritisierte, dass es im Fall des Endlagers für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll Schacht Konrad nie ein Auswahlverfahren gegeben habe, bei dem ein bester Standort gesucht worden sei.

Die konkrete Forderung der jugendlichen Teilnehmer*innen: Energie und Atommüll sollte verpflichtend Thema in der Schule werden. Eine kontinuierliche Beteiligung junger Menschen an einem so langfristigen Öffentlichkeitsbeteiligungsprozesses hielten sie für unrealistisch. Stattdessen beschlossen sie jetzt aktuelle atompolitische Probleme anzugehen und nahmen konkrete Aktionsideen zur Zwischenlager-Frage mit.

Die Genehmigungen der deutschen Zwischenlager und die Sicherheitsnachweise der Lagerbehälter sind befristet. Experten wie Diplom-Ingenieur Wolfgang Neumann vom Gutachterbüro intac fordern daher seit Jahren, ein Langzeit-Zwischenlager-Konzept zu erarbeiten. Aktuell will sich aber kaum ein politischer Akteur mit dem unangenehmen Thema befassen, das Teile der Bevölkerung unmittelbar betreffen wird. Zumindest nicht öffentlich.

Nationales Begleitgremium lädt zum Austausch

Foto Juliane Dickel

Umso bemerkenswerter, dass das Nationale Begleitgremium (NBG) für die Endlagersuche sich in Gutachten und einer Tagung im Januar intensiv mit dem Thema befasste und auch für die Zwischenlagerung eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit forderte. Am 03.02. lud das NBG jetzt ins Tagungswerk in Berlin um über den Stand der Endlagersuche zu diskutieren, über Öffentlichkeitsbeteiligung und die Aufarbeitung des Atomkonflikts.

Besonders kontrovers wurde ein Positionspapier des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung (BfE) diskutiert, das kurz vorher veröffentlicht worden war. Darin stellte die Behörde ihre Rolle als Kontroll- und Aufsichtsbehörde und Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung dar und zog klare Grenzen zur Bundesgesellschaft für Endlagerung mbGH (BGE) als Vorhabenträger und dem NBG als Vermittler.

Die sogenannte Endlagerkommission hatte zwei Jahre über die Gestaltung des Suchprozesses diskutiert. Deren Vorsitzender Michael Müller widersprach, diese hierarchische Abgrenzung stelle aus seiner Sicht weder den Geist des Kommissionsberichts dar, noch den Willen des Gesetzgebers.

Störer unerwünscht
Wortreich beschreibt das Papier das Verfahren als „transparent“ und „lernend“. Der „generative“ Prozess solle „offen gestaltet“ sein, „selbsthinterfragend“ und Beteiligung „innovativ“ gestalten. „Konstruktiv-kritisch“ wolle man dabei mit den anderen Akteuren zusammenarbeiten. Besondere Empörung rief die Formulierung hervor: „Wer sich konstruktiv kritisch einbringt wird nicht als Störer empfunden, sondern nimmt Verantwortung wahr und erhält unsere Wertschätzung.“ (S.27) Wolfgang Ehmke von der BI Lüchow Dannenberg empörte sich, man habe wegen des Papiers überlegt kollektiv die Teilnahme an der Veranstaltung zu verweigern.

Prof. Dr. Wolfram Kudla, ehemals Wissenschaftler in der Endlagerkommission, verwies auf seine Berechnungen, dass eine Standortentscheidung bis 2031 und Einlagerungsbeginn 2050 unmöglich zu erreichen sei. NBG-Mitglied Dr. Monica Müller stellte klar, man lasse sich nicht unter zeitlichen Druck setzen. Das Positionspapier begrüße sie als Ansatz Öffentlichkeitsbeteiligung zu definieren. Es sei eben ein erster Ansatz. Das NBG wolle so viel wie möglich offen und transparent machen und sich dementsprechend bemühen solche Veranstaltungen so oft wie möglich abzuhalten.

Foto Juliane Dickel

Auch fünf Schüler*innen nahmen auf Anregung ihrer Lehrer an der Veranstaltung teil. Ihre Kritik: Wir haben nichts von der Atomkraft, außer Entsorgungskosten. Ein unfairer Generationenvertrag.

 

NBG als Schnittstelle
Auf Einladung des NBG, habe ich bei der Veranstaltung dessen erstes Jahr resümiert. Durch sein konstruktives, dialogbasiertes Auftreten hat es das Nationale Begleitgremium geschafft das Vakuum zwischen Staat und kritischer Gesellschaft vorerst zu füllen. Ob das so bleiben kann, wird unter anderem von den folgenden Punkten abhängen:

Personelle Unabhängigkeit: Einem Gremium politischer und wirtschaftlicher Interessensvertreter würde kein Standort Unabhängigkeit abkaufen. Das wird zeitnah interessant, da die Mitgliederzahl dieses Jahr verdoppelt werden soll. Einerseits müsste Unabhängigkeit gewahrt bleiben. Anderseits, so Prof. Dr. Klaus Töpfer ehemaliger Bundesumweltminister und NBG-Vorsitzender, hätte man sich gerade erst zusammengerauft. Je mehr Personen, umso schwieriger die Koordination.

Die Frage der Datenerhebung: Wer erhebt die Daten und wer bereitet sie auf? Mit welchem Interesse? Denn die sogenannte „weiße Landkarte“ ist eher gescheckt. Und da viele geologische Daten privaten Firmen gehören, fallen sie unter den Datenschutz. Das BGE wirbt daher für ein Gesetz um diese Daten offenlegen zu dürfen. Denn sonst, so BGE-Geschäftsführerin Ursula Heinen-Esser, werde der Prozess gleich zu Anfang als intransparent und unglaubwürdig wahrgenommen.

Positionierung: Das NBG beansprucht aktuell eine aktive und eher unabhängige Rolle für sich. Wird sich das verstetigen? Und in dem Zusammenhang: Durchhaltevermögen. Denn der Prozess ist langwierig.

Foto Juliane Dickel

Spannend wird es dann, wenn die ersten Standorte benannt werden. Und noch viel spannender, wenn einer ausgewählt werden sollte. Falls das NBG dann personell immer noch unabhängig und glaubwürdig aufgestellt ist, dann steht es mitten im Konflikt zwischen den Interessen Betroffener, politischer Pläne und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Vielleicht schafft es das NBG sich einflussreich und stark zu positionieren und von Betroffenen sogar als Vermittler angenommen zu werden. Aber dann gelangt man letztlich an den Punkt, den das BfE im Positionspapier festgehalten hat: Das NBG hat keine Entscheidungsbefugnis. Es soll vermitteln und schlichten. Nicht weniger, nicht mehr.

Die aktuell positive Wahrnehmen und die Hoffnungen die in das NBG gesetzt werden, sind Segen und Fluch. Einerseits können kritische Gruppen versuchen durch das NBG konstruktiv Einfluss zu nehmen. Andererseits können Hoffnungen enttäuscht oder vereinnahmt werden. Dennoch: Das NBG bleibt vorerst die einzige Instanz, die als Mittler akzeptiert wird. Was in diesem verhärteten Konflikt eine beachtliche Leistung ist.

Quelle: freie Journalistin Juliane Dickel vom 06.02.2018 Fotos Juliane Dickel

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