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Moderne Landwirtschaft

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Geht es auch ohne negative Folgen für die Umwelt?

Es ist ein Spagat, den die Bauern hinzulegen haben. Sie müssen kostengünstig produzieren, damit der Preis an der Supermarktkasse stimmt. Gleichzeitig sollen sie unsere Nahrungsmittel aber auch umweltschonend erzeugen. Ob und wie das gelingen kann, damit hat sich Alois Heißenhuber, inzwischen emeritierter Professor am Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie der TU München Weihenstephan, sein Berufsleben lang beschäftigt. Er sieht die Politik, aber auch die Bauern in der Pflicht.

Die Flächenprämie gehört reformiert sagt Alois Heißenhuber BR Bild: picture alliance/imageBROKER

Notizbuch: Studien zeigen: Rund drei Viertel unserer Insekten sind in den letzten 25 Jahren verschwunden. Jedes Jahr werden Tausende Tonnen fruchtbare Erde von Ackerflächen in Gewässer gespült. Rund ein Viertel der Grundwasserströme in Bayern gelten als zu stark mit Nitrat belastet, weil die Bauern anscheinend zu viel Gülle und Stickstoffdünger ausbringen. Geht moderne Landwirtschaft nicht auch ohne solche Schäden für die Umwelt?

Alois Heißenhuber: Man muss dazu sagen: Jegliche Landwirtschaft ist ein Eingriff in die Natur. Ein Weizenfeld ist keine Naturlandschaft, ohne Eingriffe geht es nicht. Aber es geht um das Maß. Wir haben die Pflicht, ein bestimmtes Maß einzuhalten beim Bodenabtrag, beim Stickstoffüberschuss. Und dies zu erreichen, das ist die Aufgabe der Landwirtschaft.

Sind die Kontrollen zu lasch?

Notizbuch: Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik des Bundeslandwirtschafts-ministeriums, das ist ein Gremium mit unabhängigen Wissenschaftlern, die die Bundesregierung beraten, fordert schon seit Jahren agrarpolitische Reformen mit Blick auf Arten- und Umweltschutz. Aber die Regierung scheint auf dem Ohr irgendwie taub zu sein. Sind denn die gesetzlichen Vorschriften zu lasch oder fehlt es einfach an der Kontrolle, ob die Vorschriften von den Bauern auch eingehalten werden?

Alois Heißenhuber (BR-Archiv) sieht auch die Bauern in der „Pflicht“

Alois Heißenhuber: In dem Beirat war ich ja selbst viele Jahre Mitglied. Es ist ein Zusammenspiel von mehreren Aspekten. Auf der einen Seite haben wir solche (gesetzlichen) Mindestanforderungen. Auf der anderen Seite müssen die aber auch eingehalten werden. Typisches Beispiel ist der Stickstoff, den die Pflanzen ja brauchen zum Wachsen. Auf der anderen Seite haben gerade viehstarke Betriebe einen Überschuss an Gülle, den sie im eigenen Betrieb nicht sinnvoll einsetzen können. Und wenn sie den nicht an andere Betriebe abgeben, dann passiert das, was wir gerade beobachten: nämlich eine Überversorgung oder eine Überbelastung der Böden und des Wassers mit Stickstoff.

„… schon ein Defizit, das die Politik hier nicht entsprechend handelt“

Notizbuch: Aber wenn Sie merken, die Regierung tut einfach nicht das, was Sie raten. Das ist doch frustrierend.

Alois Heißenhuber: Man muss dazu sagen: Die Wissenschaft hat eine beratende Funktion. Generell, es gilt das Primat der Politik. Die Wissenschaft, also viele Wissenschaften, sprechen Empfehlungen aus, und die Politik muss dann abwägen. Aber in dem Bereich meine ich, sind sich die Wissenschaftler schon einig. Und es ist dann schon ein Defizit, das die Politik hier nicht entsprechend handelt.

Notizbuch: Noch mal die Frage: Fehlt es an der Kontrolle oder fehlen tatsächlich auch Vorschriften?

Alois Heißenhuber: Wir brauchen die entsprechenden Regeln. Wir haben ein umfangreiches Heft – das heißt Cross Compliance. (Anmerkung: Die Bauern bei uns erhalten jedes Jahr aus Brüssel pro Hektar 300 Euro Direktzahlungen) Diese 300 Euro werden ja verbunden mit entsprechenden Auflagen. Die sind eben nicht streng genug oder nicht richtig genug ausgeführt und nicht entsprechend intensiv kontrolliert. Tatsache ist: Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein. Hundert Kilogramm N (Stickstoff) Überschuss pro Hektar und Jahr – das muss nicht sein.

„Die Flächenprämie gehört reformiert …“

Notizbuch: Damit die Bauern die Direktzahlungen aus dem Topf der Europäischen Union erhalten, müssen sie bestimmte Mindeststandards einhalten. Kritiker sagen, diese Mindeststandards müssten mit Blick auf den Umwelt-, Klima- und Tierschutz verschärft werden. Nur dann sei es gerechtfertigt, dass die Bauern diese Steuergelder erhalten. Sehen Sie das auch so?

Alois Heißenhuber: Die Flächenprämie ist vor vielen Jahren eingeführt worden. Dass diese Flächenprämie längst reformiert gehört, anders ausgerichtet gehört, da sind sich viele Leute einig, also nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Leute neben der Wissenschaft hinaus. Wo steht es denn, dass jedes Hektar mit 300 Euro honoriert werden muss zwischen Lindau und Greifswald? Das ist nicht mehr vertretbar.

Notizbuch: Es geht ja auch zum Teil anders. Also zusätzlich zu den Direktzahlungen gibt es zum Beispiel spezielle Agrarumweltprogramme wie das bayerische Kulturlandschaftsprogramm (KULAP). Bauern, die da mitmachen, müssen strengere Umweltstandards als üblich einhalten und bekommen dafür Extra-Fördergelder. Wäre das nicht ein Modell, um Umweltschäden zum Beispiel durch die Landwirtschaft zu reduzieren, indem man mehr Geld für solche Programme ausgibt?

Alois Heißenhuber: Der Gesamttopf (an Brüsseler Agrargeldern) ist begrenzt. Auf die sogenannte erste Säule, auf diese 300 Euro pro Hektar, entfallen in Deutschland ungefähr 85 Prozent. Auf die zweite Säule, diese speziellen Umweltprogramme, sind es nur 15 Prozent. Also es steht die Forderung längst im Raum, diese 300 Euro gezielter einzusetzen und nicht sozusagen als einheitliche Flächenprämie übers Land (auszuschütten). Also gezielter für bestimmte Maßnahmen – diese Notwendigkeit ist eigentlich unbestritten.

Notizbuch: Und das auch schon länger, höre ich da raus?

Alois Heißenhuber: Ja, schon sehr viel länger.

„… es liegt wie Mehltau über dem Land“

Notizbuch: Da muss man doch als Wissenschaftler verzweifeln.

Alois Heißenhuber: Ja, diese Frage wird mir auch manchmal gestellt. Aber um es noch einmal zu sagen: Selbstverständlich hat die Politik das Recht, so zu entscheiden, wie sie das will. Aber wir sehen es auch in anderen Bereichen. Wir haben und ich meine, das ist auch momentan ein bisschen ein Grund für den Verdruss an der Politik, dass wir in vielen Fällen ein Defizit an politischer Handlung haben. Das betrifft nicht nur die Landwirtschaft. Ich sage, es liegt wie ein Mehltau über dem Land, und es ist notwendig, dass hier etwas Bewegung reinkommt.

Notizbuch: Wenn Sie Politiker wären, was würden Sie konkret umsetzen, damit die moderne Landwirtschaft weniger Umweltschäden produziert?

Alois Heißenhuber: Die erste Empfehlung wäre, die Beratung der Landwirte noch zielgerichteter zu machen. Da gibt es Ansätze, (wie zum Beispiel) das Programm bodenständig, Wasserschutzberatung, um ihnen zu helfen, die Probleme zu lösen. Das zweite ist dann eine gewisse Eigenverantwortung der Landwirte, der Unternehmen. Das gilt in allen Bereichen, es muss nicht alles geregelt werden. Und der dritte Bereich, würde ich meinen, dass man Geld gezielt einsetzt, um bestimmte Maßnahmen auch durchführen zu können, weil wir unter Umständen ansonsten am Markt nicht dazu in der Lage sind.

„Wir sind selbst Mitspieler in diesem System“

Notizbuch: Die europäischen Landwirte stehen im Wettbewerb mit Berufskollegen aus der ganzen Welt. Die heimischen Bauern sagen, wenn die Umwelt- und Tierschutzauflagen in Europa noch strenger werden, dann führt das automatisch zu einem Wettbewerbsnachteil, weil die Produktion bei uns teurer wird als anderswo. Was halten Sie von dem Argument?

Alois Heißenhuber: Man kann an der Schraube nicht beliebig drehen. Es ist in der Tat so. Wir sind einfach im Markt, und wir konkurrieren mit anderen. Ich muss aber erstens dazusagen, wir haben nicht unerhebliche Schutzzölle. Nach wie vor. Punkt eins. Punkt zwei: Wir setzen ja gerade nicht wenig Geld ein, es sind in Deutschland immerhin sechs Milliarden Euro, um diese höheren Standards, die wir in der EU vereinbart haben, auch am Markt sozusagen umzusetzen. Aus diesem Grunde, würde ich meinen, ist die Situation nicht so negativ zu sehen. Und der dritte Punkt: Wir haben in vielen Bereichen in letzten Jahren die Exportmenge erhöht. Das heißt also nicht, dass die Importmenge gesteigert ist, sondern die Exportmenge (hat sich) erhöht. Ich denke nur an den Bereich Schweinefleisch. Wir hatten bei Schweinefleisch zum Beispiel lange Jahre 80 Prozent Selbstversorgungsgrad. Zwischenzeitlich sind wir auf deutlich über 100 Prozent gekommen. Und selbst bei den Exporten müssen wir vielleicht mit mehr Verantwortung herangehen. Nicht beim Export nach China, aber vielleicht beim Export in das eine oder andere Entwicklungsland. Also das ist nicht so einfach zu sagen, wir sind ausgeliefert, sondern wir sind selbst auch Mitspieler in diesem System.

Notizbuch: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann heißt das: Eigentlich müsste man keine Angst davor haben, die Standards zu erhöhen und damit die Umwelt- und Tierschutzauflagen etwas zu verschärfen. Die Bauern bräuchten keine Angst davor haben.

Alois Heißenhuber: Ich sagte schon, wir können nicht beliebig an der Schraube drehen. Aber es wäre schon etwas gewonnen, wenn wir die jetzigen Standards eben auch umsetzen. Es geht nicht in erster Linie um eine Erhöhung, sondern darum, die jetzigen Standards umzusetzen. Das heißt, wir brauchen keinen Überschuss von 100 Kilogramm Stickstoff (pro Hektar und Jahr). Das heißt, wir müssen die jetzigen Standards einhalten. Und das ist meiner Meinung nach machbar.

Notizbuch: … und nur, wenn man schärfer kontrolliert.

Alois Heißenhuber: Ja sicher gehört zu dem auch die Kontrolle dazu. Weil der Landwirt, der sich an die Regeln hält, der soll nicht gegenüber dem benachteiligt werden, der die Regel nicht einhält.

Quelle: BR Bayern2 Notizbuch: Landwirtschaft und Umwelt vom 14.11.2018

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