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„Die jungen Leute machen sich Sorgen um ihre Zukunft – zu Recht“

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Sonderberichte des Weltklimarats (IPCC)

Professor Hans-Otto Pörtner (64) hat harte Wochen hinter sich. Der Klimaforscher vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven ist Ko-Vorsitzender einer Arbeitsgruppe beim Weltklimarat (IPCC) und hat maßgeblich am gerade veröffentlichten Sonderbericht zu Ozeanen und Kryosphäre (Eis) mitgewirkt. Er sprach mit Ursel Kikker über Klimapolitik, Sitzungsmarathons, „Fridays for Future“ und persönlichem Klimaschutz.

Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner leitet am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) die Abteilung für integrative Ökophysiologie. Zuletzt hat Pörtner maßgeblich am Sonderbericht des Weltklimarats zur globalen Erderwärmung mitgewirkt. Foto: Rolfes/AWI

Der IPCC hat drei Sonderberichte in einem Jahr kurz hintereinander herausgegeben. Was hat Sie persönlich am jüngsten Bericht zu „Ozeane und Kryosphäre im Klimawandel“ bewegt?
Dass wir jetzt für 80 Prozent der Erdoberfläche sagen können, wie alles zusammenhängt. Dieser Sonderbericht hat die letzte Lücke geschlossen. Er zeigt, wie sich der Klimawandel an den verschiedenen Stellen in den Ozeanen und in der Kryosphäre auswirkt und wie diese Veränderungen auf die Menschheit zurückwirken. In unserem Bericht wird das erste Mal sehr deutlich gesagt, dass einige Inselstaaten wahrscheinlich nicht mehr bewohnbar sein werden. Gefährdet sind vor allem die kleinen Inselstaaten, die auf Korallenriffen gründen. Die Option, sich aus gefährdeten Regionen zurückzuziehen, rückt immer mehr in den Blickpunkt. Wir werden Migration sehen.

Wenn sich die Erde weiter erwärmt, schmelzen die Eisschilde von Grönland und der Antarktis und lassen den Meeresspiegel steigen. Der Weltklimarat IPCC warnt in seinem jüngsten Bericht vor den erheblichen Konsequenzen. Foto: Kappeler/dpa

Hat Sie überrascht, dass sich die Schmelzprozesse bei den großen Eisschilden in den Polarregionen und den Gletschern so sehr beschleunigen?
Es war eigentlich schon zum Ende des Sachstandsberichts V des Weltklimarates 2014 klar, dass wir mit den damaligen Abschätzungen zum Meeresspiegelanstieg zu konservativ sind. Das haben wir jetzt aktualisiert, aber wir hinken wahrscheinlich immer noch hinterher. Die Unsicherheiten bei den Vorhersagen sind groß. Dennoch zeigt sich schon jetzt sehr deutlich, dass wir die Wahl haben zwischen mehreren Metern Meeresspiegelanstieg in den nächsten Jahrhunderten bei ungebremsten Emissionen oder einer Begrenzung auf nahe einem Meter, wenn wir unseren CO2-Ausstoß erfolgreich und rechtzeitig auf Netto Null bringen. Wenn wir das Pariser Klimaabkommen einhalten, werden wir nach heutigem Stand zwar einen schleichenden Anstieg des Meeresspiegels bekommen, aber viele Küstenorte weltweit hätten eine Chance, sich anzupassen.

Um die Klimaziele von Paris noch zu erreichen, muss laut des Berichts des Weltklimarats der CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 45 Prozent gesenkt werden und bis 2050 bei Null liegen. Foto: Berg/dpa

Fanden Sie das Echo auf die Ergebnisse ausreichend?
Wir waren sehr angetan, dass die Medien stark darauf angesprungen sind und die Aufmerksamkeit der Menschen für den Klimawandel im Laufe des letzten Jahres seit der Verabschiedung unseres Sonderberichts „1,5 Grad globale Erwärmung“ sehr gestiegen ist. Leider wird der Klimawandel mit seinen ungünstigen Auswirkungen selbst dafür sorgen, dass die Aufmerksamkeit weiter steigt. Kein Ort auf dieser Erde ist ausgenommen.

Meinen Sie nicht, dass auch die weltweite „Fridays for Future“-Bewegung den Blick auf den Klimawandel gelenkt hat?
Wir können uns freuen, dass diese Bevölkerungsgruppe zusammen mit anderen Nicht-Regierungsorganisationen den klarsten Blick für das entwickelt hat, was da auf die Menschheit zurollt. Die jungen Leute machen sich Sorgen um ihre Zukunft – zu Recht. Das sind genau die Stimmen, die in der Gesellschaft nötig sind, um etwas in Bewegung zu bringen. Wir sind als Wissenschaftler mehr oder weniger neutrale Berichterstatter an die Politik und die Gesellschaft. Diese Neutralität ist in gewisser Weise eine Verpflichtung. Das macht es auch so schwierig, manches so deutlich und emotional zu sagen, wie es gesagt werden müsste. Doch genau das tun diese jungen Leute und haben damit schon sehr viel erreicht. Sie haben sich auch schon oft bei uns für die klare wissenschaftliche Information bedankt, die von der Politik gerne links liegen gelassen wird.

Was hätten Sie selbst sich denn für Deutschland gewünscht?
Ich hätte mir einen CO2-Preis gewünscht, der deutlich über 30 Euro liegt und der sofort alle Sektoren teuer macht, die CO2 emittieren. Das hätte ich mit einem sozialen Ausgleich gekoppelt.

Brauchen wir nicht – neben stärkeren Klimaschutzmaßnahmen – auch eine Erfolgskontrolle?
Das ist der große Knackpunkt. Wir merken ja jetzt an der Diskussion in unserem eigenen Lande, dass das für die Politik nicht prioritär zu sein scheint. Sie macht viele Kompromisse, und die führen dazu, dass CO2-Emissionen erhöht bleiben und wir die Klimaziele verfehlen. Für das, was das Klimakabinett beschlossen hat, fehlen auch die konkreten Maßnahmen der Erfolgskontrolle.

Nur mit großer Anstrengung ist es überhaupt noch möglich, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Weltklimarates. Es drohen verheerende Konsequenzen. Foto: Rumpenhorst/dpa

Was bedeutet es, für den IPCC zu arbeiten?
Es ist ein Ehrenamt, aber das AWI unterstützt mich, indem es mich teilweise für diese Aufgabe freistellt. Auch das Bundesforschungsministerium steht dahinter, es finanziert die Geschäftsstelle in Bremen. Ohne dasTeam in Bremen und die Freistellung vom Arbeitsplatz wäre das alles nicht möglich. Der Arbeitsaufwand für den IPCC ist in den letzten Monaten enorm gewesen – einfach, weil es der bisher engagierteste IPCC-Zyklus ist mit den drei Sonderberichten innerhalb eines Jahres. Das hat es in 30 Jahren IPCC-Berichterstattung noch nicht gegeben. Die Vollversammlungen, bei denen die Berichte verabschiedet werden, sind mit hohem Kraftaufwand verbunden. Wenn man vier, fünf Tage von morgens acht bis Mitternacht verhandelt, auch einmal bis morgens um drei und die letzte Nacht nonstop, dann hinterlässt das Spuren. Dabei gibt es auch sehr schwierige Verhandlungspartner. Ich hatte in den letzten drei Stunden dieses Verhandlungsmarathons noch einen richtigen Nervenkrieg zu durchstehen, um mit einer Partei Einigkeit zu erzielen. Es ging darum, eine gemeinsame Formulierung zu finden. Das ist gelungen, dadurch war die Verabschiedung des Berichtes gesichert, aber es war ein enormer Energieaufwand.

Machen Sie weiter?
Auf jeden Fall. Der Hauptbericht unserer Arbeitsgruppe kommt 2021 heraus, 2022 wird der zusammenfassende Bericht aller Arbeitsgruppen veröffentlicht. Es ist menschlich eine ungeheuer positive Erfahrung, mit den Autoren und den Vorstandsmitgliedern des IPCC das alles durchzustehen. Viele Regierungsdelegationen arbeiten konstruktiv mit. Die Bremser – sagen wir es mal so – machen es umso interessanter.

Wenn man wie Sie selbst zum Klimawandel forscht und über den IPCC intensiv verfolgt, was sich überall in der Welt mit dem Klimawandel verändert: Was macht das mit einem?
Man überdenkt die eigene Lebensweise. Man ist motiviert, einen Beitrag für einen Umbau zu einer besseren Welt zu leisten, und man möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass das auch gelingt.

Können Sie ein paar Beispiele nennen, was im Hause Pörtner überdacht wurde?
Wir haben Windgas und Ökostrom von Greenpeace Energy. Unser Auto wurde durch ein Erdgasauto ersetzt; auch dafür beziehen wir Windgas. Man kann im Prinzip sagen, wir fahren emissionsfrei durch CO2-Recycling. Wir haben den Fleischkonsum drastisch eingeschränkt. Wir überlegen, wie man Urlaub ohne Flugreisen macht. Im beruflichen Umfeld setzt man sich für die CO2-Kompensation von Flugreisen über Geldzahlungen ein. Das AWI macht das generell für alle Dienstreisen der Mitarbeiter. Man versucht eben, die Lücken zu schließen. Es gibt aber auch Dinge, die gesellschaftlich gesetzt sind und auf die man keinen persönlichen Zugriff hat. Da muss die Politik ran. Die Politik muss letztendlich sicherstellen, dass die gesamte Gesellschaft sich in die richtige Richtung bewegt.

Quelle: Nordsee-Zeitung vom 02/03.10.2019

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