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Ärger über die Agrarlobby

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Ex-Chef von Wasserverband kritisiert Umgang mit hohen Nitrat-Werten

KREIS CUXHAVEN/HAGEN. Die Bauernproteste gehen in die nächste Runde: Kommende Woche sind bundesweit Demos geplant – gegen die Verschärfung der Düngeverordnung.

Diese helfe nicht dabei, die Nitratwerte im Grundwasser zu verbessern, meinen die Landwirte. Gerold Wittig, ehemaliger Geschäftsführer des Wasserversorgungsverbands Wesermünde-Süd, sieht das – gelinde gesagt – ein wenig anders.

So sehen Güllewagen heute aus: Der Dünger muss dicht am Boden ausgebracht werden. Die Modelle, bei denen die Gülle nach oben in die Luft spritzt, sind verboten.
Foto Schulze/DPA van Veenendaal

Die hohen Nitratwerte im Grundwasser seien seit Jahrzehnten bekannt, ärgert er sich. Und wie mit diesem Problem umgegangen werde, sei ein Skandal. Und zwar von einer Qualität, die weit größere Dimensionen einnehme, als beispielsweise der Dieselskandal. Verantwortlich für die Misere sind für ihn hauptsächlich die Politik, der Bauernverband und die Landwirtschaftskammer. Die Bauern selbst hätten aber auch Fehler gemacht: indem sie sich über Jahre auf die Agrarlobby verlassen hätten.

EU droht mit Strafen von 800.000 Euro täglich.
Hintergrund: Die Europäische Kommission sitzt der Bundesregierung zurzeit besonders im Nacken: Sollte Deutschland nicht endlich seine Nitratwerte im Grundwasser in den Griff bekommen, drohen Strafzahlungen – und zwar 800.000 Euro pro Tag. Der Tadel ist nicht gerade neu. Seit knapp 30 Jahren beschwört die EU die Bundesregierung regelrecht, den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter nicht zu überschreiten. Dieses Limit wurde bereits 1991 von der Europäischen Union (EU) in der sogenannten Nitratrichtlinie beschlossen. Der Ball lag fortan im Feld der Mitgliedstaaten. Sie mussten in irgendeiner Form dafür sorgen, dass die Nitratwerte stimmen. In Deutschland wurde hierfür 1996 die Düngeverordnung erlassen, die seither mehrmals angepasst wurde.

Doch der Erfolg darf bezweifelt werden: Denn bis heute wird der Grenzwert nicht eingehalten. Die Europäische Kommission ist darüber wenig erfreut. Sie mahnte (2013) und verklagte Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (2016). Aber die Werte blieben nach wie vor hinter den Vorgaben zurück. Im vergangenen Juli mahnte die Kommission erneut. „Die Wasserqualität in Deutschland zeigt keine Anzeichen für Besserung. Die Qualität des Grundwassers in Deutschland gehört zu den schlechtesten in Europa“, erklärte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella.

»Das jahrzehntelange Ignorieren des Nitrat-Problems ist ein Skandal.«
Gerold Wittig, ehemaliger Leiter des Wasserversorgungsverbands

Niedersachsen sehr schlimm.
Schlimmstes Bundesland: Niedersachsen. Hier ist das Grundwasser laut der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie auf einer Fläche von 60 Prozent in einem schlechten Zustand – wegen der Nitratbelastung. Und der Trend sei bedenklich, erläutert Wittig, der auf einer Karte die rot schraffierte Fläche Niedersachsens und Messwerte zeigt. „Im oberflächennahen Grundwasser steigen die Nitratgehalte wieder an. Sie liegen an einigen Messstellen zum Teil weit über 100 Milligramm pro Liter.“ Warum schafft Deutschland es seit 30 Jahren nicht, die Vorgaben der EU zu erfüllen? Eine Schlüsselrolle spielen für Wittig dabei die Politik und die Agrarverwaltung. „Hier hat man eher auf der Seite der Landwirte gestanden“, meint er. Die Düngeverordnungen seien nicht ausreichend gestaltet, und ihre Umsetzung auch jahrzehntelang nicht wirklich kontrolliert worden.

Fehlen von Sanktionen.
„Die Landwirte haben sich aufgrund ihrer stets zuverlässigen und präsenten Agrarlobby, ihrer berufsständigen Interessenorganisationen und ihrem landwirtschaftlichen Organisationswesen jahrelang darauf verlassen können, dass sie hinsichtlich der Forderungen nach einer gewässerschonenderen Bewirtschaftung ihrer Flächen nichts gravierend Nachteiliges befürchten mussten“, kritisiert er. „Nach vielen Jahren des Ignorierens der Herausforderungen seitens aller Beteiligten fällt nun allein den Landwirten die ganze Last auf die Füße. Scheinbar völlig unvorbereitet.“

Als ehemaliger Wächter über das Trinkwasser findet er besonders besorgniserregend, dass die Nitratwerte sogar in sensiblen Bereichen wie den Trinkwasserschutzgebieten über den erlaubten Mengen liegen. An zahlreichen Messstellen seien hier Nitratgehalte von bis zu 130 Milligramm pro Liter festgestellt worden. Und das, obwohl das Land seit 1993 viel Geld dafür investiere, dass wenigstens in diesen Schutzgebieten die Werte stimmen – und zwar 17 Millionen Euro jährlich. Dass es – wenn der Wille da sei – möglich ist, die Ziele der EU zu erreichen, beweisen nach Ansicht von Wittig positive Beispiele. In dem Wasserschutzgebiet Häsebusch, für das er früher zuständig war, hätten Wasserversorger und Landwirte ausgezeichnet zusammengearbeitet und das Nitrat nach und nach reduziert. Gelungen sei dies unter anderem mithilfe eines erfolgsbasierten Konzepts. Sprich: Das vom Land Niedersachsen bereitgestellte Geld wurde nur ausgezahlt, wenn die Werte okay waren.

Da die meisten Bauern dies ohnehin gut hinbekommen hätten, und es immer die Gleichen gewesen wären, die negativ aufgefallen seien, hätten sich die Beteiligten untereinander wieder auf Kurs gebracht. „Die Landwirte dort haben sich quasi selbst erzogen“, meint Wittig.

Quelle: Sonntagsjournal vom 12.012020 von Susanne van Veenendaal

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