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Wo Ozeanriesen verschrottet werden

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Hamburger Fotograf Christian Faesecke zeigt in der Seemannsmission Fotos der Schiffsfriedhöfe am Strand von Bangladesch

BREMERHAVEN. Sie sind fast zu beeindruckend, zu wuchtig, zu schön, die Bilder, die der Hamburger Fotograf Christian Faesecke von seinen Reisen nach Bangladesch mitgebracht hat.

Riesige Schiffsrümpfe leuchten auf braunem Sand, die Menschen davor wirken wie Ameisen.

Der Mensch wird zur Ameise: 2014 fotografierte Christian Faesecke am Strand von Bhatiary bei Chittagong das 1995 erbaute, 292 Meter lange Containerschiff „Sezze“, das zuletzt unter britischer Flagge fuhr. Foto: Faesecke

Der Betrachter schaut frontal in die Etagen aufgeschnittener Autotransporter wie in bunte Puppenhäuser, in denen manchmal sogar Wäsche auf der Leine hängt. Überblickt aus der Luft ein Spielzeugland aus Öl- und Containerfrachtern an der Küste des Golfs von Bengalen. Steht er dann vor einem Foto, auf dem ein Ozeanriese umgekippt am Strand liegt und Männer Metallseile aus dem Sand bergen, begreift er, dass er einen Schiffsfriedhof betrachtet, auf dem die Abwracker stetig ihr Werk verrichten.

„Eine teils lebensgefährliche, mitunter tödliche Arbeit, gefährlich und dreckig“ bemerkte Faesecke bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Chittagong – Schlachthof der Schiffe“ – 20 Fotografien zeigt er derzeit im Seemannshotel „portside“, Schifferstraße 53. „Die Küste ist verseucht. Man versinkt knietief im Sand und spürt dann, wie es an den Beinen kratzt. Der Strand ist übersät mit Metallsplittern.“

Fotodrohne in der Luft

Hauptberuflich baut der 1979 in Kiel geborene Orthopädie-Techniker seit mehr als zehn Jahren Beinprothesen. Nebenberuflich bereist er ferne Länder, um in Foto-Reportagen die Hintergründe der globalen Warenproduktion und -verwertung samt den Arbeitsbedingungen zu beleuchten, von denen Endverbraucher in aller Regel nichts erfährt.

In Chittagong, der nach der Hauptstadt Dhaka zweitgrößten Metropole Bangladeschs mit 2,6 Millionen Einwohnern, ist Christian Faesecke seit 2014 mehrmals ins Herz der Abwrackindustrie vorgedrungen. Beim zweiten Besuch ließ er sich für Querschnitt-Aufnahmen der Frachter aufs Meer fahren, 2019 machte er Luftaufnahmen per Fotodrohne.

15 Kilometer lang erstreckt sich im Norden der Industriestadt der Strand von Bhatiary, auf dem sich die Schrotthändler Parzellen gesichert haben. „Europäer sind dort nicht gern gesehen“, erzählt Faesecke. „In all den Jahren wurde mir nie offiziell Zugang gewährt. Aber es gibt Löcher im Zaun – das Pfeifen der Wachleute habe ich ignoriert.“

Bei Flut würden regelmäßig ausgemusterte Ozeanriesen an den Strand gefahren: „Motor aus, dann kommen auch schon die Arbeiter mit Seilwinden und kleinen Schneidbrennern und fräsen das Schiff in Salamitaktik auseinander. Die Teile werden so weit zersägt, dass sie auf einen Lkw passen.“ Der transportiert den Schrott zu Stahlfirmen ins Hinterland, das von dörflichen Strukturen und Viehhaltung geprägt ist. Auf einem Bild sieht man, wie Arbeiter bei Ebbe ein Stahlseil aus dem Schlamm ziehen, während im Hintergrund Kühe zum freigelegten Grün ziehen.

Einfach ins Meer gekippt

Was Faeseckes Bilder nur erahnen lassen, ist die Umweltverschmutzung, sind die Unfallgefahren für die oft schlecht ausgestatteten Arbeiter. „Was sich nicht verwerten lässt wie Dämmmaterial, wird oft einfach ins Meer gekippt“, berichtet er. „Übrig gebliebenes Inventar wie Hantelsets, Geschirr oder Bettzeug landet in Second-Hand-Geschäften. Und die Rettungsboote aus glasfaserverstärktem Kunststoff werden oft als Fischerboote verwendet.“ Ja, tatsächlich führen noch viele Menschen zum Fischen vor die Küste. „Aber was sie dort fangen, ist nicht viel und sieht auch nicht sehr appetitlich aus.“ Die Verantwortung für die gigantische Zerstörung von Naturräumen liege auch bei den westlichen Industrienationen, daran lässt Chistian Faesecke keinen Zweifel. „Es ist unser Müll, der in den sogenannten Entwicklungsländern landet.“


Auf einen Blick

› Was: „Chittagong – Schlachthof der Schiffe“, Fotoausstellung von Christian Faesecke
› Wo: Seemannshotel „seaside“, Schifferstraße 54, Bremerhaven
› Wann: Bis Ende März

Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 23.01.2020 von Sebastian Loskant

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