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Mit Holzfolie gegen den Plastikmüll

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Beim KfW Award Gründen gewann die Superseven GmbH aus Wentorf bei Hamburg für Verpackungen aus kompostierbarem Material im Jahr 2018 den Publikumspreis.Während die Welt von unverrottbaren Kunststoffen und Mikroplastik vermüllt wird, hat das Start-up eine ökologische Alternative im Angebot. Das Interesse daran ist riesig.

Das Ehepaar Katja (Mitte) und Sven Seevers (rechts) hat Superseven gemeinsam mit dem Berliner Hannes Füting (links) gegründet – die drei Industriedesigner kennen sich bereits aus dem Studium. Bild: Thorsten Futh

Nachhaltige Idee

Die durchsichtige Folie, die Sven Seevers in der Hand hält, unterscheidet sich auf den ersten Blick kein bisschen von üblichen Verpackungen aus dem Supermarkt. Sie fühlt sich auch genauso an wie jedes andere transparente Tütchen oder wie jede andere Schutzfolie für Obst und Gemüse. Und doch gibt es einen fundamentalen Unterschied. Seevers’ Folie enthält kein Erdöl und keinerlei künstliches Material. Sie ist kein Plastik, sondern aus natürlichen, nachwachsenden Grundstoffen hergestellt, zum größten Teil aus Zellulose, also Holz. Nach ihrer Nutzung wird sie spurlos verrotten, je nach Materialmix sogar innerhalb weniger Wochen im ganz normalen Gartenkompost.

Folien aus Holz? Das hört sich nach einer modernen Produktinnovation an. Doch nichts könnte falscher sein. „Diese Technik gibt es seit 1908“, erklärt Seevers. Noch bevor Chemiker entdeckten, was man alles mit Erdöl anstellen kann, war das dahinterstehende Verfahren die erste Möglichkeit, transparentes Material herzustellen. Im Begriff „Zelluloid“ ist das noch heute präsent. Doch mit dem Aufkommen der erdölbasierten Kunststoffe verschwand das Bio-Material fast vollständig vom Markt. „Wir sind tatsächlich die einzige Firma in Deutschland, die sich mit der Verarbeitung und Anwendung dieser Folien auskennt“, sagt der 49-Jährige, der lange nach Partnern suchen musste, die das Bio-Material produzieren würden.

Nachfrage steigt

Von der kompostierbaren Zahnbürste zum Bio-Gemüse: Vielen Herstellern ist es wichtig, dass auch die Verpackungen ihrer Produkte ökologisch sind.

Unter dem Markennamen Repaq entwickelt die junge Firma Superseven aus Wentorf bei Hamburg seit Kurzem Verpackungen auf dieser Grundlage. Gegründet haben Superseven das Ehepaar Katja und Sven Seevers sowie der Berliner Hannes Füting – alle drei sind Industriedesigner und kennen sich bereits aus der gemeinsamen Studienzeit in Coburg. Die drei Gründer haben viele Jahre in verschiedenen Funktionen in der Gestaltung und Entwicklung von Produkten und Verpackungen zugebracht. Bis es Sven Seevers reichte. „Irgendwann musste ich bei meinem damaligen Arbeitgeber eine Verpackung entwickeln, die war die reinste Verschwendung und am Ende pro Packung ein halbes Kilo Sondermüll, dessen Materialien nie mehr zu trennen waren“, so Seevers. „Da habe ich mir geschworen, das machst du nie wieder.“

Trotzdem dauerte es noch, bis Superseven Anfang 2017 offiziell gegründet wurde. In der mehrjährigen Vorbereitungsphase lernten die Gründer bereits viel über die komplizierte Struktur der Verpackungsindustrie, die Macht eingefahrener Mechanismen und die Behäbigkeit der potenziellen Kunden. „Never Change A Running System“, dieses Motto aller IT-Nutzer gibt es auch in der Verpackungsbranche. Das half Superseven, von Anfang an mit den richtigen Partnern zu verhandeln: mit innovativen Herstellern, die einen hohen Anspruch an Ökologie und Nachhaltigkeit haben. Darunter waren junge Unternehmen, aber auch eingesessene Industriekonzerne.

Nach anderthalb Jahren ist bei dem Start-up alles im Plan. „Die Meilensteine aus unserem Businessplan haben wir alle erreicht“, so Gründer Seevers. Wichtig war vor allem das mittlerweile erteilte Patent auf eine neue Methode, die Folie besonders fest zu verschließen. Das schützt das Geschäftsmodell, zumindest ein wenig. Was Superseven sonst noch gegen mögliche Wettbewerber absichert, ist allerdings das komplexe Know-how, das bei der Entwicklung von Verpackungen notwendig ist – von den Materialeigenschaften über die Integration in Herstellungsprozesse bis hin zur Einhaltung der vielfältigen gesetzlichen Bestimmungen.

Zu den ersten Produkten, die in einer Repaq-Folie angeboten werden, gehört eine ebenfalls kompostierbare Zahnbürste. Sie ist bei der Hamburger Drogeriekette Budnikowsky im normalen Sortiment. „Dem Hersteller war es wichtig, dass auch die Verpackung ökologisch ist“, so Seevers. Dazu gehört dann nicht nur die Folie, sondern auch die Bedruckung mit ökologischen Farben. Auch Händler des Bio-Anbauverbands Demeter verpacken bereits Gemüse in der Ökofolie.

Im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffprodukten ist Repaq schon aufgrund der Grundstoffe teurer. Die Zellulose, die aus Holzresten aus nachhaltiger Holzwirtschaft stammt, kostet etwa drei Mal so viel wie Mineralöl. Am Ende der Verarbeitung liegt der Preis einer Repaq-Verpackung zwischen 30 und 100 Prozent über der Plastikkonkurrenz. „Für viele Produkte spielt das keine große Rolle, für einige Großhersteller natürlich schon, die rechnen mit jedem Cent“, hat Seevers gelernt. Auch in der Anwendung gibt es Grenzen. Besonders schwere Dinge kann man damit bislang nicht verpacken.

Trotzdem kann sich Superseven über mangelndes Interesse nicht beklagen. Alle Folien des Repaq-Sortiments werden komplett kompostiert, kommen also aus der Natur und gehen dorthin zurück. Keine andere konventionelle Technik kann dieses am ökologischen Kreislauf orientierte Cradle-to-Cradle-Prinzip in vergleichbarer Weise umsetzen. Einfache Folien können im Gartenkompost entsorgt werden, andere benötigen professionelle Kompostwege mit höheren Temperaturen.

Holz statt Plastik

Holz statt Plastik

Superseven verwendet für Verpackungen zum größten Teil Cellulose, also Holz, das nach der Nutzung je nach Materialmix innerhalb von wenigen Wochen verrottet.

In diesem Jahr präsentierte sich Superseven auf zwei Branchenmessen in Nürnberg und Kopenhagen. „In Nürnberg hatten wir keine zwei Minuten zum Atemholen“, berichtet Seevers. In Kopenhagen staunten die Gründer nicht schlecht, als plötzlich eine offizielle Regierungsdelegation aus Indien am Stand auftauchte, die sich sehr für die Repaq-Produkte interessierte.

Trotz großen Interesses aus aller Welt liegt der Fokus des Start-ups im Augenblick auf dem europäischen Markt. Und der ist spannend genug. Jeden Tag melden sich Interessenten und möchten Informationen und Angebote haben. Um das zu bewältigen, stellt das Unternehmen gerade die ersten festen Mitarbeiter ein. Angefeuert von den Diskussionen um die Meeresverschmutzung, Mikroplastik im Wasser und von der bevorstehenden neuen EU-Richtlinie zu Plastikmüll hat Superseven mächtig Fahrt aufgenommen. Auch der KfW Award Gründen gibt Rückenwind: Superseven wurde Landessieger in Niedersachsen und erhielt auf der Veranstaltung in Berlin den vor Ort ermittelten Publikumspreis.

 „Wir wägen jedes Angebot ab, wollen derzeit allerdings eher moderat wachsen“, sagt Seevers. Aber absehbar sei: Bereits 2019 könnte der Break-even möglich sein. Deshalb haben Katja und Sven Seevers jetzt den nächsten Meilenstein in der Entwicklung des Start-ups definiert: Sie möchten endlich ihr Wohnzimmer wiederhaben. Bislang ist Superseven nämlich in ihrer Privatwohnung untergebracht. Schon bald jedoch sollen die Schreib- und Arbeitstische in echte Büroräume umziehen.

Quelle: Auf KfW Stories veröffentlicht am 1. November 2018
Text von Torsten Meise.

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