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Wenn Abfall zum Rohstoff wird

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Deutscher Nachhaltigkeitspreis: Norddeutsche Informatiker entwickeln intelligente Software zur Wiederverwertung von Müll

BREMEN/HAMBURG. Im Schnitt 75 Kilogramm Lebensmittel wirft jeder Deutsche im Jahr weg. Werden Abfälle aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Gastronomie hinzugerechnet, landen in Deutschland pro Jahr zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll.

Ein Team um die Bremer Ingenieurin Carolin Johannsen will dem Einhalt gebieten. Es hat ein Computerprogramm entwickelt, das Unternehmen zeigen soll, wie sie den Müll für sich verwerten können. Die Idee ist so gut, dass Johannsen und ihr Team dafür den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 gewonnen haben.

Die Software „loopsai“ soll Unternehmen in einer Stadt vernetzen und ihnen zeigen, wer wessen Müll wiederverwerten kann. Grafik: Team loopsai

In jedem Restaurant und jedem Café bleibt Essen übrig. Was nicht in den Mägen der Gäste landet, landet im Müll. Da gärt und schimmelt es vor sich hin. Doch was der eine wegwirft, können andere womöglich noch gebrauchen. Kaffeesatz zum Beispiel. Der ist für Kantinen und Cafés Abfall, für Pilzzuchtfarmen hingegen wertvoller Nährboden für Pilze.

Pilzfarm und Café – solche Beispiele will ein Team von Bremer und Hamburger Informatikern, Unternehmern und Projektmanagern zusammenbringen. Dafür haben sie ein intelligentes Computerprogramm namens „loopsai“ entwickelt. „loopsai“ informiert Betriebe, wer den Müll anderer für sich verwenden kann.

Ziel ist ein Kreislauf, in dem alle Stoffe weiterverwertet werden können. „Zumindest alle kreislauffähigen Stoffe“, sagt Carolin Johannsen von Handwerkprojekt. Johannsen ist einer der führenden Köpfe hinter dem Projekt.

Um zukünftig nachhaltiger zu wirtschaften, brauche es solche Stoffkreisläufe, meint Johannsen: „Die Idee einer Kreislaufwirtschaft ist nicht neu, aber oft mangelt es an der Umsetzung. Viele Stoffkreisläufe werden gar nicht erkannt.“

Software bereits im Einsatz

Das wollen die Informatiker mit „loopsai“ ändern. Das System wird derzeit in einem Bunker in Hamburg getestet. Hier züchtet das Team um Johannsen Speisepilze auf Kaffeesatz. Das Computerprogramm beobachtet und analysiert die Zucht und liefert so wertvolle Informationen, wie sich die Prozesse optimieren lassen.

Ist das Programm ausgereift, soll es unter dem Namen „loopsai – Künstliche Intelligenz natürlich integriert“ für alle im Internet verfügbar gemacht werden. Der Zugang ist kostenlos. Verkaufen wollen die Erfinder, wenn überhaupt, nur eine Beratung zu der Software. „Es geht uns nicht in erster Linie darum, an der Software zu verdienen“, sagt Mitbegründer Thorsten Kluß, Neuroinformatiker an der Universität Bremen. „Wir wollen Wissen und Informationen verfügbar machen, mit denen wir einer nachhaltigeren Zukunft näherkommen.“

Anreize für Unternehmen, das Programm zu nutzen, gibt es laut Johannsen genug. „Wer Abfälle entsorgen will, muss dafür Gebühren zahlen. Wer seinen Müll nicht wegwirft, sondern weitergeben kann, spart also bares Geld. Außerdem müssen die Unternehmen ihre Abfälle ja nicht verschenken. Sie können dafür untereinander Preise vereinbaren.“

Carolin Johannsen (Mitte vorn) und das Team „loopsai“ stehen vor ihrer Pilzfarm in Hamburg. Hier testen sie ein Computerprogramm, das Unternehmen zeigen soll, wie sie Müll wiederverwerten können. Foto: Team loopsai

Erste Anfragen liegen vor

Die Expertenjury beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis haben die Informatiker mit ihrer Idee schon überzeugt. „,loopsai‘ erscheint als vielversprechende Lösung, um hochkomplexe Stoffströme zu erfassen und besser zu verstehen“, heißt es in der Nominierungsbegründung der Jury. „Sie bietet auch die Gelegenheit, Stoffströme so miteinander zu vernetzen, dass am Ende ein geschlossener Kreislauf entsteht. So könnten nicht nur Angebot und Nachfrage besser bedient, sondern auch wertvolle Ressourcen eingespart und Transportwege verkürzt werden.“

Anfang Dezember würdigte die Jury die Idee zu „loopsai“ mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 in der Kategorie Forschung. Neben dem Preis erhält das Team eine Förderberatung und ein professionelles Medientraining, um seine Idee weiterentwickeln zu können.

Die Auszeichnung hat dem Projekt Schwung verliehen: Die ersten Unternehmen haben schon ihre Fühler ausgestreckt. „Ein Textilunternehmen hat angefragt, ob man aus ihren Stoffen nicht Taschen machen könne, in denen dann die Pilze gezüchtet werden“, berichtet Johannsen.

Nicht nur solche Anfragen bestärken Johannsen in ihrer Überzeugung, auf dem richtigen Wege zu sein. „Das Konzept Kreislaufwirtschaft steht derzeit ganz oben auf der politischen Agenda. Es ist wesentlicher Bestandteil des „Green Deals“ der Europäischen Kommission.“ Johannsen meint den Aktionsplan, mit dem die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden will. „Auf europäischer Ebene werden die politischen Rahmenbedingungen gerade neu gesteckt. Diese Gelegenheit müssen wir nutzen.“ (ger)

Wegwerfgesellschaft Deutschland

› In Deutschland landen jährlich zwölf Millionen Lebensmittel im Müll.

› Zwölf Prozent der Lebensmittelabfälle entstehen in der Landwirtschaft nach Ernte oder Schlachtung.

› In der Verarbeitung fallen 18 Prozent der Lebensmittelabfälle an zum Beispiel durch beschädigte oder fehlerhafte Verpackungen.

› Der Handel verursacht vier Prozent der Lebensmittelabfälle wie durch zu große Bestellmengen, die nicht verkauft werden.

› Außer-Haus-Verpflegung (Restaurants, Kantinen) verursacht 14 Prozent der Abfälle zum Beispiel durch zu große Mengen am Buffet.

› Für 52 Prozent der Lebensmittelabfälle sind Privathaushalte verantwortlich. 75 Kilogramm Lebensmittel wirft jeder Deutsche im Jahr weg (Quelle: Bundeslandwirtschaftsministerium). (ger)

Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 05.01.2021 von Jannik Sauer

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