BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Illegaler Müll: Alle zahlen, am meisten die Natur

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KREIS CUXHAVEN. Für die einen ist es bequem, für die anderen ein übles Umweltdelikt, für den Landkreis und die Kommunen bedeutet es erhöhten Arbeitsaufwand

– die illegale Entsorgung von Müll im Cuxland reißt nicht ab. Der volkswirtschaftliche Schaden geht – geschätzt – in die Hunderttausende. Den Landkreis kostet das jährlich 30.000 bis 40.000 Euro; die Personalkosten für die beiden Mitarbeiter, die den Müll entsorgen, kommen noch hinzu. Sie arbeiten jährlich rund 200 Aufträge zum Einsammeln illegalen Mülls ab – Tendenz steigend.

Erst am Freitag wird Ralf Hahn aus Wüstewohlde nach dem Hinweis eines Bürgers wieder fündig: Auf dem Grenzbereich zwischen Lintig und Hainmühlen haben Unbekannte unter anderem Betonfenster und asbesthaltige Dachwellplatten in den Wald gekippt. „Unmöglich und gewissenlos“, kommentiert Hahn. Lintigs Ortsbürgermeister Heinz-Wilhelm Boldt kennt Entgleisungen dieser Art zur Genüge. „Gerade diese Stelle wird gerne benutzt, um Müll loszuwerden“, ärgert sich der Christdemokrat. Er weiß: „Solche Vorfälle häufen sich.“

Illegaler Müll Foto Privat

Entsetzen auch bei Hilke Rümper: Als die Beersterin bei einer Walkingrunde unterwegs ist, traut sie ihren Augen nicht: In der Alfstedter Feldmark in Richtung Kanalbrücke haben Unbekannte vier Autoreifen ins Gelände geworfen. „Die haben wohl ihren Verstand gleich mit entsorgt“, empört sich Rümper über diesen Umweltfrevel. „Ich beobachte solche Umweltdelikte in letzter Zeit immer häufiger“, sagt sie.

Kührstedts Bürgermeister Alfred Wiesner ist wenig begeistert, als er von dem Vorfall am Kanal quasi vor seiner Haustüre erfährt. „Dabei gibt es doch so viele Möglichkeiten, Müll legal loszuwerden“, wundert sich der Christdemokrat und spricht unter anderem von den Sperrmüllentsorgungsterminen der Firma Nehlsen und vom Wertstoffhof bei Harrje & Wehrmann in Debstedt.

Illegal entsorgter Müll im Piepenholz in Beverstedt. Etliche Tüten, unter anderem mit Bauschutt, wurden vor kurzem im Wald abgelagert (unten). Der Kreis hat den Unrat abgeholt. Auch andernorts finden sich des Öfteren Abfälle in der Landschaft, zum Beispiel Autoreifen in Alfstedt (unten). Auch asbesthaltige Dachwellplatten (oben) sind dabei. Erst am Freitag kippten Unbekannte etliche davon in Hainmühlen ab. Foto Privat

Ähnliche Entgeisterung auch bei Guido Dieckmann, parteiloser Bürgermeister der Gemeinde Beverstedt. „Der Landkreis hat erst vor kurzem 20 Tüten mit Bauschutt bei uns im Piepenholz abgeholt“, sagt er. Dies gilt auch für 50 Autoreifen, die in Lunestedt von Unbekannten entsorgt worden seien. „Auf unseren Hinweis hin hat der Landkreis den Müll abgeholt“, so Dieckmann.

Illegaler Müll Foto Privat

Auch die Containerstandorte bereiten dem Beverstedter Bürgermeister große Sorgen. „Da, wo Altkleider, Glas und kleiner Elektroschrott abgegeben werden sollten, finden wir Fernseher und Computer neben den Behältnissen.“ Mittlerweile kontrolliere der Bauhof regelmäßig die Containerstandorte in der Gemeinde. „Ich kann das Verhalten einiger Menschen wirklich nicht nachvollziehen“, ärgert sich der Beverstedter Bürgermeister – stellvertretend für Kollegen aus dem Cuxland – über die zunehmende Häufigkeit illegaler Entsorgungen.

Grundsätzlich gilt: All das, was außerhalb der geschlossenen Ortschaft illegal entsorgt wird, gehört – und dies gilt für alle Kommunen – in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises. Er ist dann für den Abtransport des Unrats zuständig. Doch oft genug – und das bestätigt auch Dieckmann – landet der Müll auf den Bauhöfen und wird dort dann vom Landkreis abgeholt. „Wir setzen uns ganz unkompliziert mit dem Landkreis in Verbindung“, sagt Dieckmann, weil der nicht überall gleichzeitig sein könne.

Landkreis ist zuständig

Dies bestätigt die Landkreisverwaltung in Cuxhaven. „In der Praxis kommt es vor, dass die Gemeinden oder die Stadt Abfälle aus der Feldmark, die eigentlich der Landkreis entsorgen müsste, entfernen, wenn es von der Situation her gerade passt oder schneller zu erledigen ist“, erklärt Kirsten von der Lieth, Sprecherin der Kreisverwaltung. Derlei Aufwendungen werden dem Landkreis in Rechnung gestellt, sagt von der Lieth, ohne konkrete Summen nennen zu können. „Wir erfassen die genaue Menge des illegal entsorgten Mülls nicht“, betont die Sprecherin weiter.

Der Landkreis beschäftige zwei Mitarbeitende, die etwa zur Hälfte ihrer Arbeitszeit mit dem Aufsammeln illegaler Ablagerungen im Cuxland beschäftigt seien. „Durchschnittlich arbeiten die Kollegen etwa 200 Aufträge jährlich ab. Eine Tendenz, dass das in Corona-Zeiten signifikant mehr geworden ist, können unsere Kollegen nicht erkennen.“

Umlage auf Müllgebühren

Die Abfälle, die der Landkreis vorfindet, decken ein breites, aber relativ typisches Spektrum ab: Hausmüll, Sperrmüll, Renovierungsabfälle, Bauschutt und Bauabfälle, die auch schon mal asbesthaltig seien, und immer wieder Altreifen. Auch Grün- und Gartenabfälle seien schon entsorgt worden. „Sie gehören nicht in die Natur, sondern entweder in die Biotonne oder auf den Wertstoffhof“, betont von der Lieth. „Eher selten, aber schon vorgekommen ist es, dass Schlachtabfälle oder umweltschädliche Substanzen wie Farben, Lacke sowie Haushalts- oder Bauchemikalien abgeladen worden sind.“

Die zusätzlichen Kosten für derlei Aufwendungen beziffert von der Lieth „auf jährlich etwa 30.000 bis 40.000 Euro – zuzüglich der Personalkosten“. Diese Aufwendungen werden auf die Müllgebühren umgelegt.

Wenn Bürger illegal entsorgten Müll finden, sollten sie das der jeweiligen Gemeinde mitteilen, empfiehlt Kirsten von der Lieth. Die Gemeinde werde dann entscheiden, „ob sie selbst die Entsorgung übernimmt oder dies an den Landkreis weitergibt“. Wichtig seien – soweit möglich – aussagekräftige Angaben zum Fundort, zur Art der Abfälle und zur Menge, ein Foto sei immer hilfreich. „Die Entsorgung kann allerdings auch mal eine Weile dauern“, appelliert von der Lieth an die Geduld der Bürger. In dringenden Fällen – zum Beispiel bei möglichen Gefahren durch die Ablagerung – sollte, wenn die Gemeinde nicht erreichbar ist, die Polizei eingeschaltet werden. (oer)

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Hier gehört der Müll hin

› Seit dem 20. März haben die Grünabfallannahmestellen, die der Landkreis Cuxhaven in Zusammenarbeit mit Firma Hermann, Misselwarden, und örtlichen Landwirten eingerichtet hat, wieder zwischen 9 und 12 Uhr geöffnet.

› An folgenden Standorten im Altkreis sind die Grünabfallannahmestellen zu finden:
Nordholz: Industrieweg/Bauhof (A. Hermann)
Wremen: Grundschule (A. Hermann)
Langen: Schule Nordeschweg (A. Hermann)
Bad Bederkesa: Am Obersten Kamp, südlich der Umgehungsstraße (A. Hermann)
Loxstedt: Helmut-Neynaber-Straße 2 (A. Hermann)

› Das Entgelt bei Anlieferung der Gartenabfälle beträgt 1,40 Euro je angefangene 0,1 m³ (z. B. Müllsack bis 100 Liter bzw. Gehölzbündel bis 0,1 m³). Der Landkreis Cuxhaven bittet zu beachten, dass größere Mengen an Grünschnitt, zum Beispiel von nicht abgebrannten Osterfeuern, nicht an den Grünabfallannahmestellen angenommen werden können.
Hierfür stehen die Kompostieranlagen zur Verfügung:
Hemmoor-Heeßel: Scheepsweg/ an der B 495 (Abfallverwertungsstation),
dienstags bis freitags, 7.30 bis 12 Uhr und 12.30 bis 17 Uhr
sowie sonnabends von 7.30 bis 12.30 Uhr.

Dorum, Im Speckenfeld (Fa. Hermann):
montags, mittwochs und freitags von 13.30 bis 17.30 Uhr.

Beverstedt, Wachholz: freitags 14 bis 17 Uhr
sowie sonnabends von 9 bis 13 Uhr.

Sellstedt, Leeschfeldstraße:
sonnabends von 9 bis 16 Uhr.

Sandstedt, An der K 51 (Fa. Grube):
montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr,
sowie sonnabends von 9 bis 12 Uhr.

› Für die Entsorgung von Sperrmüll in den Bereichen Wurster Nordseeküste, Stadt Geestland, Schiffdorf, Loxstedt, Beverstedt und Hagen im Bremischen ist das Entsorgungsunternehmen Nehlsen, 04744-92950, zuständig. Ein Sperrmülltermin kann auch online vereinbart werden.

Weitere Hinweise unter www.landkreis-cuxhaven.de.

Sperrmüll sind solche Gegenstände, die wegen ihrer Größe oder ihres Gewichtes nicht in die Restmülltonne passen. Darunter fallen Haushaltsgeräte und Mobiliar, Gartenmöbel und Gartengeräte. Elektro- und Elektronikaltgeräte fallen auch unter die Regelungen der Sperrmüllabfuhr. Weitere Informationen gibt es bei der Abfallberatung des Landkreises, erreichbar unter 04721-66-2525, -2553 oder -2606 beziehungsweise per E-Mail an abfallberatung@landkreis-cuxhaven.de

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3 Fragen an . . .

Bernd Quellmalz,
Regionalgeschäftsführer
des BUND
Foto Scheschonka

› Hat der BUND auch beobachtet, dass illegale Müllentsorgungen in der Region häufiger auftreten?
Subjektiv hat aus unserer Sicht das Abladen von Haushaltsmüll und Bauschutt, aber auch von Grünabfall zugenommen. Das lässt sich schon aus dem Auto oder beim Radfahren beobachten, und ist nicht nur ein Problem in der Landschaft, sondern auch in Siedlungen. In den sozialen Medien wird oft von Fundorten mit Müllentsorgungen berichtet. Es geht aber nicht nur um das illegale Abladen von Müll, sondern es fängt schon damit an, dass das benutzte Kaugummi, die Zigarettenkippe oder das Einweg-Geschirr aus dem Takeaway-Restaurant an Ort und Stelle fallen gelassen wird. Viele verfahren wohl nach dem Motto „Aus dem Auge, aus dem Sinn“, und sind sich des Schadens nicht bewusst – ein Spiegel unserer Wegwerf-Gesellschaft.

› Welche Folgen haben illegale Müllablagerungen für die Pflanzen und Tierwelt?
Die Schäden für die Umwelt sind vielfältig und hängen immer von der Art des Abfalls ab. Autobatterien und Haushaltsgeräte können giftige Substanzen ins Grundwasser abgeben. Tiere können sich an Gegenständen verletzen. Plastiktüten können vom Ablageort verweht werden und sich so in der Landschaft verbreiten. Über die Zeit zerfallen sie dort zu Mikroplastik. Grünabfall sorgt für eine Verwilderung von Gartenpflanzen, die in der freien Landschaft heimische Arten verdrängen. Ein krasses Beispiel, was Müll in der Natur anrichten kann, ist die Zigarettenkippe: Eine einzige von ihnen kann 1.000 Liter Wasser für kleine Wassertiere vergiften und unbewohnbar machen. Darüber hinaus zerfallen Zigarettenfilter aus Kunststoff zu Mikroplastik.

› Schneiden sich die Müllsünder nicht ins eigene Fleisch?
Schließlich gelangen die Schadstoffe nicht nur ins Grundwasser, sondern auch in die Nahrungskette… Neben den Schäden für die Umwelt leiden auch wir Menschen unter dem Müll in der Landschaft und auf unseren Straßen. Denn niemand lebt gerne im Dreck. Die meisten von uns empfinden auch kleinere Mengen Abfall als störend und hässlich. Nur den Müllsündern scheint es egal zu sein, denn die Umweltschäden spüren sie nicht unmittelbar am eigenen Leib. Unser gesellschaftliches Ziel muss es sein, die Abfallmenge zu verkleinern, denn die Verringerung der Abfallmenge bedeutet auch einen geringeren Rohstoff- und Energieverbrauch. Zudem landet weniger Abfall in der Umwelt. Der beste Abfall ist der, der erst gar nicht entsteht. Wir fordern daher schon seit langem, bei der Herstellung von Produkten viel stärker als bisher auf deren Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit, eine abfallarme Produktgestaltung, Mehrwegsysteme, eine anlageninterne Kreislaufführung von Stoffen und die Weiterverwendung zu achten. (as/oer)

Quelle: NORDSEE-ZEITUNG vom 29.03.2021 von Andreas Schoener

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