BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Vandana Shiva

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Sie war eine der renommiertesten indischen AtomphysikerInnen und arbeitete im ersten Reaktor in ihrem Heimatland,

als ihre Schwester, eine Ärztin, sie fragte, ob sie eigentlich wisse, welche Auswirkung Strahlen auf sie hätten und welche Schutzmaßnahmen sie treffen würden, bevor sie den Reaktor betreten.

Erst da wurde ihr ihre eigene Unwissenheit über die Risiken der Atomenergie bewusst.

Vandana Shiva Atomphysikerin, Philosophin, Umweltaktivistin und Autorin
geboren am 05.11.1952 in Dehradun, Indien Bild FemBio

Vandana Shiva hatte nichts darüber gelernt, ihr war nur beigebracht worden, was die Physik für die Zukunft bedeuten kann; über den Zusammenhang mit Gesundheit hatte sie nichts erfahren, sie hatte nichts darüber gelernt, was passiert, wenn lebende Organismen Strahlung ausgesetzt sind.

Die Fragen ihrer Schwester waren ein Wendepunkt für sie; sie wollte nun intellektuelle Ehrlichkeit, sich also nicht länger mit einseitigem Wissen abfinden, bei dem sie nur Technologien entwarf, ohne die Gefahren zu kennen. Sie wandte sich daher der theoretischen Physik zu und promovierte über die Quantentheorie.

Aufgewachsen ist Vandana Shiva in einer Aktivistenfamilie im Doon Valley – in Dehradun, einer der ältesten Städte Indiens – am Fuße des Himalaya, einem berg- und waldreichen Gebiet. Beide Eltern waren in der Unabhängigkeitsbewegung aktiv, ihre Mutter war eine Anhängerin Gandhis, ihr Großvater hatte in den 1950er Jahren eine Schule für Mädchen auf dem Land aufgebaut. Für Shiva war ihre Mutter die beste Feministin, die sie je kennengelernt hat.

Sie wurde inspiriert von Wissenschaftlern wie Einstein und wollte nichts lieber als Wissenschaftlerin werden, ein wissenschaftliches Studium schien ihr geeignet, die Natur kennenzulernen. Für intellektuelle Herausforderungen kann sie sich bis heute begeistern. So wurde sie erst einmal Atomphysikerin.

In den 1970er Jahren engagierte Shiva sich in der ersten großen Umweltschutzbewegung Indiens, der Chipko-Bewegung, in der Dorfbewohner, vor allem Frauen, gegen die kommerzielle Abholzung und die daraus resultierende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen kämpften. Es ging genau um den Wald, in dem Shiva aufgewachsen war und den ihr Vater als Förster bewirtschaftet hatte.

Als Shiva kurz vor ihrer Abreise nach Kanada, wo sie promovieren wollte, zu ihrem Lieblingsfluss ging, musste sie feststellen, dass er als Folge der Abholzungen ausgetrocknet war.

In jedem Sommer kam sie aus Kanada zurück, um für die Chipko-Bewegung zu arbeiten, die dafür bekannt geworden ist, dass die Frauen Bäume umarmten, um deren Fällung zu verhindern. Später nahm sie ihre Studierenden mit dorthin, um ihnen zu zeigen, was dort geschah.

1981 wurde Shiva vom indischen Umweltminister beauftragt, die Folgen des Bergbaus in Dehradun zu untersuchen. In diesem Zusammenhang nutzte sie ihre alten Kontakte mit der Chipko-Bewegung, die sich jetzt statt für die Wälder auch für die Berge einsetzte.

Ein Jahr später merkte Shiva, dass es ihr nicht ausreichte, neun Monate in der akademischen Welt zu verbringen, während sie nur drei Monate Zeit für das hatte, was ihr wirklich wichtig war, das was sie „engagierte Aktionsforschung“ nennt, wobei Aktionen und Verstand nicht getrennt voneinander sind, sondern die Aktionen den Verstand inspirieren. Das Ergebnis dieser Überlegung war die Gründung einer Stiftung, der Research Foundation for Science, Technology and Ecology (RFSTE – Forschungsstiftung für Wissenschaft, Technologie und Ökologie) im Kuhstall ihre Mutter, die inzwischen zu einem unabhängigen Unternehmen von weltweiter Bedeutung geworden ist.

Die heutige Gesellschaft bezeichnet Shiva als „Ökonomie der Unwissenheit“, da die Bevölkerung unwissend gehalten wird, Wissenschaft und Technologie sind in den Händen weniger kapitalreicher Monopolisten. Sie geht jedoch davon aus, dass alle Menschen gut informiert sein sollten. So sollten auch Frauen, Kinder, Bauern und Bäuerinnen das Wissen haben, das sie zum Leben benötigen. Dies in Abgrenzung z.B. zur Werbung von Monsanto, worin steht, dass Bauern jetzt nichts mehr über das Wunder des genetisch manipulierten Saatgutes wissen müssten, sie könnten jetzt unwissend bleiben – als ob Unwissenheit über die eigenen Produktionsmittel erstrebenswert wäre.

Vandana Shiva Bild FemBio

1991 gründete Vandana Shiva Navdanya (“neun Samen”) als eine Abteilung von RFSTE. In einer Zeit der Globalisierung, neuer Patentrechte, genetischer Manipulation und daraus resultierender Monokulturen wird das ökologische Gleichgewicht zerstört und zehntausenden indischen Bauern und Bäuerinnen ihr Lebensunterhalt genommen. Mit ihrem Institut will Shiva die Biodiversität und das jahrhundertealte Wissen der einheimischen Bevölkerung fest- und damit erhalten. Nicht nur der biologische Landbau wird unterstützt, sondern die Organisation kämpft auch gegen die indische Regierung sowie gegen die US-amerikanischen Großkonzerne Monsanto und Cargill, die mit Zustimmung der Regierung Saatgut patentieren lassen und damit eine Monopolstellung einnehmen, was Shiva als „Biopiraterie“ bezeichnet und wogegen sie regelmäßig Prozesse anstrengt. Durch derartige Monopolbetriebe sind zahlreiche Menschen nicht mehr in der Lage, ihre alltäglichen Lebensbedürfnisse zu befriedigen und Medizin zu beschaffen. Für Produkte, die jahrhundertelang aus der Natur gewonnen wurden, soll jetzt bezahlt werden. Als Reaktion auf diese Patentmonopole entstand The Living Democracy Movement, die Bewegung der lebendigen Demokratie. Ihre Mitglieder legten einen Eid ab, dass sie in ihren Dörfern nie Patente akzeptieren werden.

Laut Shiva kann Unterdrückung nur solange existieren, wie die Bevölkerung diese akzeptiert. Dualismus und Schwarz-Weiß-Denken hält sie für die Basis der Polarisierungen in der Welt und damit auch für Kriege.

Bereits 1993 veröffentlichte Vandana Shiva zusammen mit der deutschen Soziologin Maria Mies ein Buch zu einem ihrer Schwerpunktthemen, dem Ökofeminismus (deutsch 1995 unter dem Titel Ökofeminismus). Für beide war deutlich, dass das Verhältnis, dass Männer in patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaften zu Frauen haben, dem Verhältnis entspricht, das Menschen allgemein zur Natur haben. Sie schreiben darin über den Zusammenhang zwischen Gewalt von Männern gegen Frauen und der Gewalt gegen die Natur und andere Länder.

Heute lebt Vandana Shiva auf dem elterlichen Bauernhof ihrer Familie mit ihrer Schwester, ihrem Bruder und ihrem Sohn zusammen. Neben all ihren Aktivitäten, für die sie inzwischen vielfach ausgezeichnet wurde, hat sie zahlreiche Bücher veröffentlicht, in denen sie immer wieder das Verhältnis der Menschen zur Natur thematisiert. Im November 2012 erschien ihr Buch „Making Peace with the Earth: Beyond Resource, Land and Food Wars” (http://www.spinifexpress.com.au/Bookstore/book/id=237/).

Shiva ist eine der Vorsitzenden des international Forum on Globalization, Mitglied des Club of Rome und des Exekutivkomitees des Weltzukunftsrates. Auch berät sie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.

Auszeichnungen (Auswahl)
1993: Right Livelihood Award (auch bekannt als alternativer Nobelpreis, für die Einbringung der Themen der gesellschaftlichen Stellung von Frauen und der Ökologie in den Diskurs der Entwicklungspolitik)

1993: Global 500 Award des Entwicklungsprogramms der Vereinigten Nationen

2002: Auszeichnung als eine von fünf Heroes for the Green Century vom Time-Magazine für ihr Engagement gegen die Privatisierung von Saatgut

2012: Kassler Bürgerpreis „Das Glas der Vernunft“
(Text von 2012, leicht aktualisiert 2017)

ZITATE

„Der Wert der Natur darf nicht an einem von Menschen festgelegten finanziellen Wert gemessen werden.“

‚We need a new movement which allows us to move from the dominant and pervasive culture of violence, destruction and death to a culture of non-violence, creative peace and life.‘

Wir brauchen eine neue Bewegung, die uns von der dominanten, alles durchdringenden Kultur der Gewalt, der Zerstörung und des Todes wegbringt hin zu einer Kultur der Gewaltlosigkeit, des Lebens und kreativen Friedens.

Quelle: Institut für Frauen-Biographieforschung Hannover/Boston
Verfasserin: Doris Hermanns

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