BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Gift für die Schatzgrube

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Der Berg ruft: Geplante Deponie auf dem Weißenberg in Driftsethe bewegt die Gemüter

Berge gibt’s hier nicht? Doch, es gibt sie, man kann sie nur nicht so gut sehen. Das Flachland rund um Bremen weist etliche Hügel und Erhebungen auf, die die Region geprägt haben. Einige sind offensichtlich, andere muss man erst suchen. Haben wir gemacht – der Berg ruft!

Was wird aus dem Weißenberg? Bernd Ricker (links) und Hans-Joachim Nieschlag haben Sorge, dass die ausgebeutete Sandgrube als Bauschuttdeponie genutzt werden darf.
Foto Christian Kosak

Driftsethe. Der Aussichtsturm ist schon da, der Parkplatz auch. Aber es soll noch mehr entstehen in der ausgebeuteten Sandgrube auf dem Driftsether Weißenberg in der Gemeinde Hagen: ein Naherholungsgebiet mit Beachvolleyballfeld, Reitparcours, Rastplatz, Seilbahn, Kletter- und Rollstuhlparcours und Lehrpfad. Das geplante Projekt – mit Mitteln aus dem Leader-Förderprogramm der EU – trägt den Titel „Schatzgrube Weißenberg“. Es passe zu der „Perlenkette“, die sich durch die Gemeinde Hagen im Bremischen zieht, sagt Andreas Wittenberg, der Bürgermeister. „Wir wollen zeigen, wie so eine Abbruchstelle aussieht, wenn sie sich wieder renaturiert.“

Was aber aus Gemeindesicht so gar nicht dazu passt, ist eine Deponie. „Im Jahr 2007 kam das Thema Bauschuttdeponie auf“, erinnert sich Andreas Wittenberg, der seit 2014 parteiloser Bürgermeister ist. Bald darauf hatte das Unternehmen Freimuth für eine der dortigen Sandgruben den Antrag gestellt, eine Bauschuttdeponie errichten zu können. Bis jetzt hat das Gewerbeaufsichtsamt in Lüneburg nicht darüber entschieden. Für die Hagener ist klar: „Wir wollen hier keine Deponie.“ Ganz in der Nähe wolle man ein ehemaliges Hotel wieder mit Leben füllen, sagt der Bürgermeister. Neben einer Deponie würde sich kein Gast niederlassen.

Von einer Perlenkette spricht auch Karla Mombeck und zählt ein paar Perlen auf: der Strand in Sandstedt gehört dazu, die dortige mittelalterliche Kirche, Rechtenfleth mit dem Hermann-Allmers-Haus, die Burg zu Hagen, das Königsmoor und auch der Weißenberg. Allesamt schöne Ziele für Ausflügler, findet die Sprecherin der Bürgerinitiative „Mit us tosamen“ – kurz M.U.T., die neben der Bürgerinitiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe die zweite gegen das Bauvorhaben ist. Gemeinsam stellen sie Aktionen auf die Beine, um die Bürger zu informieren. So gab es Kunst- und Kulturfeste am Berg, bei denen die Tafeln errichtet wurden, auf denen Spaziergänger nachlesen können, was den Weißenberg interessant macht. Seine Geschichte und die Besonderheiten rundum. Hansdieter Kurth kennt sie aus dem Effeff. Er hat 20 Jahre lang die Heimatzeitung für die Samtgemeinde – jetzt Einheitsgemeinde – Hagen gemacht. Aus Interesse an seinem Wohnort, sagt Kurth und wirft den Blick weit zurück. „Vor 150.000 Jahren schmolz die Eiszeit weg, und es blieben zwei Geestrücken über. Einer davon war der Weißenberg.“ Der weiße Sand, der sich vom angrenzenden Moor und Marschenland abhob, gab dem Berg den Namen. Knapp 20 Meter hoch ist er. Wenn die Deponie kommt, warnt Karla Mombeck, werde er sich verdoppeln. Knapp 40 Meter würde der Bauschutt-Berg in die Höhe ragen. „So hoch wie der Kirchturm in Hagen“, sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative und fügt hinzu: „Das zerstört das Landschaftsbild.“ Noch beunruhigender sei aber die Vermutung, dass in der Deponie der Bauschutt aus dem Atomkraftwerk Unterweser landet. „Und nicht nur der“, ergänzt Karla Mombeck. „Es wird um den Bauschutt aus mehreren Atomkraftwerken gehen. Wir befürchten, dass die Anlage bundesweit angefahren wird.“ Betont würde immer, dass es sich um sogenannten freigemessenen Bauschutt handele, mit einer zugelassenen Strahlung, erläutert Karla Mombeck. „Doch Mediziner sagen, dass auch diese Strahlenbelastung schädlich ist.“

Spaziergänger können nachlesen, was den Weißenberg interessant macht.
Foto Christian Kosak

Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario, sollte die Deponie genehmigt werden? „Freimuth hat es nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Bauschutt aus den Atomkraftwerken hierher kommt – radioaktiver Bauschutt“, sagt Hans-Joachim Nieschlag, der zusammen mit Bernd Ricker und Heino Fromme die Driftsether Bürgerinitiative gegründet hat. „Seit 13 Jahren treibt uns das um“, sagt Nieschlag. Er und Bernd Ricker stehen auf dem Aussichtsturm und lassen den Blick über den Krater der Sandgrube schweifen, die sich die Natur schon wieder zurückgeholt hat. Bäume, Sträucher und Grün überziehen das Tal und seine Ränder. Die weiße Abbruchkante der sich angrenzenden Freimuth-Grube, deren Sand auch für den Bau des Wesertunnels genutzt wurde, sieht man von hier aus nicht. Bernd Ricker deutet auf den etwas entfernt liegenden Wald. „Mischwald mit vielen Buchen“, sagt er. Ein Landschaftsschutzgebiet, in dem auch Uhus gesichtet wurden.

Eine andere Geschichte, die sich am Berg zutrug, kennt auch der Anwohner Erich Glabbatz. 1951 sei bei Sprengungen auf der Suche nach Erdöl die Straße zwischen Sandstedt und Hagen auf einer Länge von 50 Metern eingesackt. „Wie ein tiefes Becken“ habe das ausgesehen. „Es gibt aber auch die Vermutung, dass es Baumängel an der 1875 fertiggestellten Straße gab“, weiß Hansdieter Kurth. „Verbürgt ist nichts.“

Neben diesen Geschichten seien es die geschichtliche Dimension und der landschaftliche Reiz, die den Weißenberg interessant machen. „Wir haben hier auf einem engen Raum von fünf Kilometern unterschiedliche Landschaftsformen: Marsch, Moor und Geest. Das ist faszinierend“, sagt Hansdieter Kurth. Der Schriftsteller Hermann Allmers habe auf dem Weißenberg Spaziergänge unternommen.

Der Name Allmers fällt auch im Zusammenhang mit dem Mausoleum auf dem Weißenberg. „Es wurde in den 1850er- Jahren von Jacob Illjes errichtet. Er war mit Allrike Allmers aus Rechtenfleth verlobt, aber geheiratet hat sie einen anderen.“ Das Mausoleum sollte daraufhin „immer den Blick rüber nach Rechtenfleth bieten, zur geliebten Allmers“. Ein bisschen Herzschmerz, räumt Kurth ein. „Aber wenn man über den Weißenberg spricht, gehört das dazu.“

Den Weißenberg erreicht man über die Autobahn 27. Von der Abfahrt in Richtung Hagen ist er etwa einen Kilometer entfernt.

Quelle: Weser Kurier vom 21.11.2021 von Ulrike Schumacher

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