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Milliardengeschäft Entsorgung

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Lidl macht jetzt Geld mit Müll

Drei Jahrzehnte nach Einführung des „Grünen Punkts“ sortiert sich der deutsche Abfallmarkt neu. Immer mehr Firmen entdecken das Geschäft mit dem Müll. Auch Lidl mischt kräftig mit. Warum macht der Discounter das?

Bild: tagesschau.de

Mülltrennung wird bei Lidl großgeschrieben. Der Discounter klärt seine Kunden auf, was sie in die gelbe Tonne werfen dürfen und was nicht. Abfallberater, Pädagogen und Verbraucherschützer geben vor ausgewählten Lidl- und Kaufland-Filialen Nachhilfe in Sachen Mülltrennung.

Viel Müll kommt von Lidl und Kaufland

Der verschwiegene Discounter-Konzern aus Neckarsulm bei Heilbronn scheint sich seiner großen Verantwortung bewusst. Gut jede zehnte Verkaufsverpackung im Handel stammt aus einem Lidl- oder Kaufland-Markt. Die Entsorgung kostet viel Geld. Der Lidl-Mutterkonzern musste in der Vergangenheit Lizenzgebühren von schätzungsweise 85 Millionen Euro pro Jahr zahlen. Die neue Verpackungsverordnung dürfte die Gebühren noch weiter nach oben treiben.

Jedes Handelsunternehmen, das Verpackungen in den Verkehr bringt, muss seine Plastikmenge bei einem dualen System wie der „Grüner-Punkt“-Firma DSD oder Belland Vision lizenzieren lassen und dafür Geld zahlen, die so genannte Lizenzgebühr. Als Gegenleistung sammelt der duale Systembetreiber die Abfälle ein und sorgt für ein optimales Recycling.

Lidl gründet eigenes duales System

Um diese Kosten zu sparen, steigt der Lidl-Mutterkonzern, die Schwarz-Gruppe, nun ins Entsorgungsgeschäft ein und organisiert seinen Verpackungsmüll fortan selbst. Seit 2020 betreibt die Lidl-Tochter PreZero ein eigenes duales System. Der Discounter kann nun gar selbst Geld von Herstellern und anderen Händlern nehmen, um deren Plastikmüll zu recyceln.

Bisher freilich sammelt und trennt PreZero hauptsächlich noch die hauseigenen Verpackungsabfälle in den Lidl- und Kaufland-Filialen. Das Potenzial ist groß: 2020 machte PreZero bereits einen Umsatz von 700 Millionen Euro – über ein Drittel mehr als im Vorjahr.

Übernahmen von mehreren Entsorgern

Die Schwaben decken inzwischen die komplette Abfallkette ab – von der Organisation der Abholung in einem dualen System bis hin zur Sortierung und Verwertung. Die Schwarz-Gruppe hat nämlich den fünftgrößten privaten deutschen Entsorger, die Tönsmeier-Gruppe, sowie den Recycler Sky Plastic übernommen und investierte einen dreistelligen Millionenbetrag in neue Sortieranlagen für Plastikmüll.

Dank der Fusion der beiden französischen Entsorgungsriesen Suez und Veolia, die zusammen gut 50 Milliarden Euro umsetzen, hat der Lidl-Konzern einen weiteren großen Schritt auf dem Entsorgungsmarkt gemacht. Für 1,1 Milliarden Euro übernahm PreZero Teile des Entsorgungsgeschäfts von Suez in Deutschland, Polen, Luxemburg und den Niederlanden. Und vor kurzem hat der Discounter-Riese eine weitere Expansion in Europa angekündigt. Die Schwarz-Gruppe kauft für eine ähnlich hohe Summe das Entsorgungsgeschäft des spanischen Baukonzerns Ferrovial in Spanien und Portugal.

Nummer Drei auf dem deutschen Abfallmarkt

Mit mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz (Ferrovial noch nicht einberechnet) ist der Lidl-Konzern inzwischen die Nummer Drei im deutschen Entsorgungsmarkt und hat sogar die Alba-Gruppe überholt. Nur Remondis und die französische Suez sind noch größer. Warum tummelt sich der Discounter im Müllgeschäft?

Lidl dürfte es wohl weniger um die Umwelt gehen, sondern um wirtschaftliches Kalkül. „Wir müssen Abfall einen Wert geben“, sagte schon 2019 Lidl-Chef Gerd Chrzanowski. Der künftige Vorstandschef der Schwarz-Gruppe sieht die Entsorgung als ein strategisches Geschäftsfeld des Konzerns. Ziel des Unternehmens sei es, die Verpackungen seiner Eigenmarken weiter zu recyceln und eine Art Kreislaufwirtschaft aufzubauen, heißt es.

Mehr Zugriff auf Kunststoffrecyclate

Tatsächlich erhält der Lidl-Konzern durch die eigenen Entsorgungsaktivitäten besseren Zugriff auf das begehrte Kunststoffrecyclat. Denn die neue Verpackungs-Verordnung schreibt immer höhere Recycling-Quoten vor. 2022 müssen 63 Prozent der Kunststoffe, die in Gelben Säcken, Gelben Tonnen oder Wertstofftonne landen, recycelt werden. 2019 lag der Anteil noch bei 58,5 Prozent.

Lidl träumt von einem Kreislaufsystem für wiederverwertbares Plastikgranulat. PET-Flaschen, Waschmittel und andere Kunststoffverpackungen sollen aus Recyclaten mehrfach wiederhergestellt werden. Teilweise funktioniert das schon: Die selbst hergestellten PET-Einwegpfandflaschen der Lidl- und Kaufland-Eigenmarken bestehen laut der Schwarz-Gruppe bereits vollständig aus recycelten Plastik – mit Ausnahme des Deckels und des Etiketts.

Mit dem Einstieg ins Müllgeschäft haben die cleveren Discounter-Schwaben kräftig Bewegung in den Markt gebracht. Der Ex-Monopolist DSD verlor seine marktführende Stellung und ist nun nur noch mit einem Marktanteil von 15 Prozent die Nummer zwei hinter Belland Vision, die der französischen Suez-Gruppe gehört.

Verbundverpackungen erschweren Recycling

Aktuell gibt es elf duale Systeme. Von diesen werden sicher nicht alle überleben, prophezeit Olaf Pusch, Geschäftsführer von Recycling Dual. Sein Unternehmen hat gerade die Genehmigung für ein bundesweites Rücknahme- und Verwertungssystem für Verpackungen erhalten. Hinter Recycling Dual steckt ein ganz neuer Player, Smurfit Kappa, der größte Hersteller von Papier- und Kartonverpackungen in Europa.

Die Landschaft der dualen Systeme dürfte sich weiter konsolidieren, da immer mehr Verpackungserzeuger auf den Markt dringen. Gleichzeitig versuchen die großen privaten Entsorger wie Alba, Suez und Remondis ihren Einfluss auszuweiten. Nachdem Remondis aus kartellrechtlichen Gründen die „Grüner-Punkt“-Firma DSD nicht übernehmen durfte, erwarb der deutsche Marktführer im zweiten Anlauf ein duales System, nämlich die Marke Eko-Punkt.

Ob dank der Lidl-Offensive mehr Plastikmüll recycelt und mehr Recyclate eingesetzt werden, bezweifeln allerdings viele Marktteilnehmer. „Verbundverpackungen erschweren hochwertiges Recycling“, klagt Axel Schweitzer, Chef des viertgrößten deutschen Entsorgers Alba. Die Folien aus mehreren aufeinander verklebten Schichten seien derzeit praktisch nicht werkstofflich recycelbar. Abfallexperten empfehlen, dass die kaum recycelbaren Plastikschalen vom Markt verschwinden und durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt werden sollten.

Quelle: tagesschau.de vom 03.08.2021 von Notker Blechner

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