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Ukraine-Krieg: Was bedeutet der Konflikt für den Klimaschutz?

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Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine verursacht Tod, Leid und Zerstörung. Daneben hat er Auswirkungen auf unsere Energieversorgung und auf den internationalen Klimaschutz. Ein Gespräch mit Astrid Sahm von der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Klimaschutz ist vielleicht nicht das, was einem zuallererst einfällt angesichts eines neuen Krieges, der sich Bahn bricht, angesichts vorrückender Panzerverbände, fliehender Menschen und der Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Konflikts. Unbestritten ist jedoch: Der Klimaschutz ist international eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Und: Krieg hat eine sehr unmittelbare und vor allem ernste Auswirkung auf den Klimaschutz.

Russische Panzer in der Region Rostow am Don Bild: picture alliance/dpa/TASS|String

Welche, das wollten wir von Astrid Sahm wissen. Sie ist bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zuständig für Energie, Klima und Infrastrukturen – mit Schwerpunkt auf Russland, Osteuropa und Zentralasien. In welcher Weise betrifft der Krieg Russlands gegen die Ukraine also den internationalen Klimaschutz?

Strukturwandel, Dekarbonisierung, Green Deal

Zunächst, so Astrid Sahm, binde jeder Krieg finanzielle Ressourcen. Ressourcen, die für Reformen, zum Beispiel auf dem Energie- und Industriesektor, fehlten. So decke die Ukraine noch über 30 Prozent ihres Strombedarfs durch Steinkohle. Gleichzeitig sei die Stahlindustrie von großer Bedeutung für das Land. Ohne einen erfolgreichen Strukturwandel der ukrainischen Wirtschaft könne jedoch auch die EU nicht ihr Ziel erreichen, Europa zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen.

Erst 2020 habe Kiew erklärt, sich am europäischen Green Deal zu beteiligen: „Deutschland hat mit der Ukraine eine Energiepartnerschaft vereinbart und finanziert zahlreiche Projekte zur Verbesserung der Energieeffizienz und zu einer sozialverträglichen Dekarbonisierung der ukrainischen Wirtschaft“, so Astrid Sahm. „Der Krieg bedeutet das vorläufige Aus für diese Bemühungen und stellt auch sämtliche Ansätze für eine Klimakooperation zwischen Russland und dem Westen in Frage.“

Bürogebäude und Heizkraftwerk in der ukrainischen Hauptstadt Kiew
Bild: ©picture alliance / ZUMAPRESS.com | Dominika Zarzycka

Politisierung der Klimapolitik

Dabei hatte der Kreml Klimaschutzmaßnahmen des Westens schon immer argwöhnisch betrachtet, etwa die Pläne der EU zur CO2-Besteuerung. Mit dem CO2-Grenzausgleichssystem, so Astrid Sahm, wolle die EU Importe aus wenig klimafreundlichen Ländern besteuern – und verhindern, dass energieintensive Industrien mit hohem CO2-Ausstoß aus der EU ins Ausland verlagert würden. Das Problem aus Moskauer Sicht, sagt Astrid Sahm: „Die russische Rohstoffwirtschaft würde von dieser CO2-Besteuerung in besonderem Maße getroffen.“ Die russische Führung habe dabei zwar den Bedarf einer grünen Modernisierung ihrer Wirtschaft formuliert. Gleichzeitig habe sie den Green Deal aber zunehmend als ein geopolitisches und protektionistisches Projekt wahrgenommen, mit dem die EU den Einfluss Russlands begrenzen möchte.

„Die Geopolitik des Klimawandels“

Zu dieser Politisierung der Klimaschutzpolitik, sagt Astrid Sahm, habe die EU selbst beigetragen. So hätten der EU-Klimakommissar Frans Timmermans und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im April 2021 einen Artikel veröffentlicht mit dem programmatischen Titel „Die Geopolitik des Klimawandels“. Timmermans und Borrell, sagt Astrid Sahm, seien selber davon ausgegangen, „dass die Reduzierung der EU-Energieimporte kurzfristig zu mehr Instabilität führen dürfte, weil Russland seine zentrale Einkommensquelle verliere und der Kreml darauf mit abenteuerlichem Verhalten reagieren könnte.“ Und sie ergänzt: „Das klingt rückblickend fast wie eine selbst erfüllende Prophezeiung“. Die Klimapolitik werde selbst zu einem konfliktverschärfenden Faktor.

Ein russischer Langstrecken-Bomber vom Typ Tupolew Tu-95MS
Bild: picture alliance/dpa/Russian Defence Ministry | Russian Defence Ministry

Verschärfung des Ost-West-Konflikts

Aktuell, sagt die Wissenschaftlerin, bedrohe der Kreml nicht nur die Ukraine, sondern dränge auf eine komplette Neuordnung der Sicherheitsarchitektur in Europa: „Eine kriegerische Eskalation hat daher negative Auswirkungen auf alle internationalen Kooperationsformate.“ Substanzielle Fortschritte im Klimaschutz seien dann vorerst nicht zu erwarten. Einen Vorgeschmack darauf habe es im UN-Sicherheitsrat bereits im Dezember 2021 gegeben: Damals stimmte Russland gemeinsam mit Indien gegen eine Resolution, die den Klimawandel erstmals als Bedrohung für internationalen Frieden und Sicherheit einstufen sollte.

Der Klimawandel und Russland

Dabei mache sich der Klimawandel auch in Russland deutlich bemerkbar, sagt Astrid Sahm. Die Permafrostböden tauten auf, bedrohten die Stabilität städtischer Infrastruktur und von Pipelines. Waldbrände und Überflutungen nähmen zu: „Allerdings setzt man in Russland auch auf positive Folgen des Klimawandels, beispielsweise durch die Verkürzung der Heizperiode oder neue Anbaumöglichkeiten in der Landwirtschaft.“ Insgesamt gehe es dem Kreml derzeit vor allem um die Durchsetzung der eigenen machtpolitischen Ambitionen. Der Klimaschutz sei dem gegenüber untergeordnet beziehungsweise „soll sich in diese Vorstellungen einfügen“.

Gleichwohl bildeten die unübersehbaren Klimawandelfolgen Ansatzpunkte, um wieder zu gemeinsamen Interessen und neuen Kooperationsperspektiven zwischen Ost und West zu gelangen – auch wenn diese derzeit äußerst schwach und nur langfristig erreichbar seien.

Direkte Klimafolgen des Krieges

Natürlich hat ein Krieg auch immer direkte Klimafolgen. In der Ukraine ist das seit 2014 bereits der Fall. Damals annektierte Russland die Halbinsel Krim und unterstützte die Separatisten in der Ostukraine. Die Kriegshandlungen hätten, so die Forscherin, dazu geführt, dass in einigen Regionen Bergwerke geflutet wurden und das Grundwasser verseucht wurde. Dies könne zu Bodenabsenkungen führen, die Häuser, Straßen und Versorgungsnetze gefährden. Giftstoffe und radioaktive Partikel gelangten zudem über die Flüsse in andere Regionen des Landes und ins Meer.

Und das, sagt Astrid Sahm, sei längst nicht alles: „Seit der Krim-Annexion blockiert Kiew die Wasserversorgung der Halbinsel über den Nord-Krim-Kanal. Dadurch kommt es im Sommer zu Dürren. Durch neue Kriegshandlungen werden sich all diese Probleme verschärfen. Der absolute Super-GAU wäre, wenn Kriegshandlungen einen der bestehenden Atommeiler zerstören würden. Aktuell können wir nur hoffen, dass die Lage nicht zum Allerschlimmsten führt.“

Eine F-35 der US-Luftwaffe über Spangdahlem in der Eifel. Maschinen dieses Typs wurden soeben dorthin verlegt. Bild: picture alliance/dpa | Harald Tittel

Mehr Militär, mehr erneuerbare Energie

In anderen Kriegsregionen seien die Schäden infolge des Einsatzes von Chemiewaffen und anderer verbotener Substanzen bisweilen noch schwerwiegender. Insgesamt habe Militärtechnik meist einen hohen Schadstoffausstoß und sei weder klima- noch umweltfreundlich, sagt Astrid Sahm. Hinzu komme: Infolge der neuen Konfrontation mit Russland würden Deutschland und andere EU-Staaten ihre Militärausgaben erhöhen. „Immerhin“, meint Astrid Sahm, „dürften die Ausgaben für den Klimaschutz ebenfalls steigen – nicht zuletzt, weil der Ausbau erneuerbarer Energien als Alternative zum russischen Gas vorangetrieben werden muss.“

Umweltprobleme als Krisenfaktor

Krieg ist aber nicht nur eine Gefahr für das Klima. Mit dem Fortschreiten des Klimawandels, sagt Astrid Sahm, steigt zugleich das Risiko, dass Umweltprobleme zum Krisenfaktor werden. Diese Erkenntnis sei nicht neu. Vor Kriegen um knapper werdende Umweltressourcen und dem Auftauchen von Umweltflüchtlingen hätten Experten bereits in den 1980er Jahren gewarnt. Das Pentagon habe schon 2007 vom Klimawandel als „Bedrohungsmultiplikator“ gesprochen.

Daran habe sich nichts geändert. Im Gegenteil: „Mit fortschreitendem Klimawandel gibt es insgesamt mehr Umweltprobleme, die zum Krisenfaktor werden können. Ob sie konstruktiv oder konfrontativ angegangen werden, hängt jedoch wesentlich von anderen Faktoren historischer, kultureller, politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Art ab.“

Hinzu komme, gibt Astrid Sahm zu bedenken, dass die Umweltprobleme nicht nur die Kriegsparteien träfen, sondern sich auch auf Nachbarstaaten und – im Falle von Flüchtlingskrisen oder größeren Umweltkatastrophen – auf weitere Länder auswirkten: „Dies kann Abschottungstendenzen auslösen oder zu einem verstärkten Engagement in den Kriegsregionen führen.“

Trotz dieser komplexen Problemlage lasse sich jedoch eines mit Sicherheit sagen: „Der Klimawandel lässt sich nicht im nationalen Alleingang stoppen“, so Astrid Sahm.

Quelle: Bayrischer Rundfunk vom 28.02.2022 von Michael Kraa

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