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Alarmierender Weltklimabericht

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Für die Klima-Rettung bleiben nur noch 30 Monate,
doch vier Dinge machen Hoffnung

Es bleibt kaum noch Zeit, wenn die Menschheit die globale Erwärmung auf ein Mindestmaß begrenzen will – das zeigt der neue Bericht des Weltklimarats. UN-Generalsekretär Guterres spricht von einem „Dokument der Schande“. Aber es gibt auch Lichtblicke.

Teile eines großen Eisbergs schmelzen im August 2019 an der grönländischen Küste ab (Archivbild) AP Photo/Felipe Dana

Am Ende lassen sich diese insgesamt 2913 Seiten auf eine einfache Zahl reduzieren: Dreißig. So viele Monate haben wir noch Zeit, wenn wir die Erwärmung der Erde auf maximal 1,5 Grad begrenzen wollen, wie es 2015 im Pariser Klimaabkommen vereinbart wurde. Spätestens ab 2025 müssen die weltweiten Treibhausgasemissionen sinken, statt weiter zu steigen, das ist die Schlussfolgerung des sogenannten sechsten Sachstandberichts des Weltklimarats (IPCC).

Für den Report, der am späten Montagnachmittag deutscher Zeit erschienen ist, brüteten hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 65 Ländern jahrelang über zehntausenden Studien. Der Bericht gilt als wichtige Handlungsanleitung für Entscheider in Wissenschaft und Politik. Die Veröffentlichungen des Weltklimarats stellen den umfassendsten und international anerkanntesten Stand der Klimaforschung dar. Der neue Teilbericht, der sich mit Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels befasst, war daher mit Spannung erwartet worden.

Düstere Aussichten auf fast 3000 Seiten – doch es gibt Hoffnung

Doch diese fast 3000 Seiten zu lesen, ist kein Vergnügen. Denn die Aussichten sind düster. „Es ist ein Dokument der Schande, ein Katalog der leeren Versprechen, die die Weichen klar in Richtung einer unbewohnbaren Erde stellen“, urteilte UN-Generalsekretär Antonio Guterres in einer Videobotschaft am Montag. Die wahren gefährlichen Radikalen seien nicht Klimaaktivisten, sondern jene Länder, die die Produktion von fossilen Brennstoffen ausbauen. „Moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn“ sei das, sagte Guterres.

Allerdings hält der Klimabericht auch fest: Es läuft nicht alles schlecht. In manchen Bereichen haben Politik und Wirtschaft mittlerweile die Dringlichkeit der Lage erkannt – und in anderen Bereichen hilft die rasante technologische Entwicklung. In welchen Punkten gibt es Grund zur Hoffnung?

1. Unsere Klimapolitik zeigt Wirkung

Gleich die allererste Grafik im Weltklimareport wirkt ernüchternd: Im Schnitt um jährlich 1,3 Prozent sind die menschgemachten Treibhausgasemissionen innerhalb des Jahrzehnts von 2010 bis 2019 angestiegen. Doch die Autoren halten auch fest, dass es sich hier um eine Verbesserung handelt im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt: Dort war noch ein jährlicher Anstieg von 2,1 Prozent zu verzeichnen. Die sogenannte „Kohlenstoffintensität“, die den CO2-Anteil pro verwendeter Einheit Energie misst, ist sogar leicht um 0,3 Prozent pro Jahr zurückgegangen.

Mit anderen Worten: Die Energie, die wir verwenden, wird sauberer. „Das ist eine Umkehr zum Trend, der zwischen 2000 und 2009 beobachtet wurde“, heißt es im Bericht. Die Autoren führen diese Trendwende darauf zurück, dass Gas und Erneuerbare Energien die besonders schmutzige Braun- und Steinkohle zunehmend verdrängen.

Der Anstieg bei den Emissionen ist noch vorhanden – aber er verlangsamt sich, wie diese Grafik aus dem IPCC-Bericht zeigt

Das bedeutet auch: Die Klimapolitik der internationalen Gemeinschaft zeigt Wirkung – sie ist nur noch nicht konsequent genug. Seit dem letzten Klimabericht habe es „eine konsistente Ausweitung von Maßnahmen und Gesetzen“ zur Eindämmung des Klimawandels gegeben, urteilen die Autoren. „Das hat zur Vermeidung zu Emissionen geführt, die ansonsten entstanden wären“. Als Beispiele nennt der Bericht die Einrichtung eines CO2-Emissionshandels, Subventionen klimafreundlicher Technologien und das Verbot besonders schädlicher Praktiken in Industrie und Landwirtschaft.

Die Folge: Die ganz großen Katastrophen-Szenarien sind mittlerweile vom Tisch, die Wissenschaft ist optimistischer geworden. Eine durchschnittliche Erderwärmung von vier bis fünf Grad bis zum Jahr 2100 erschien im letzten Weltklimareport noch als realistische Möglichkeit, jetzt gilt sie kaum mehr als wahrscheinlich. Nun gehen die Forscher von einer Erwärmung zwischen 2,2 und 3,5 Grad aus – immer noch zu viel, aber ein großer Schritt in die richtige Richtung.

2. Der technische Fortschritt ist rasant

Ein wesentlicher Grund für die langsame Trendwende im letzten Jahrzehnt ist aber ein anderer: Die Technik hat sich rasant weiterentwickelt, viel schneller als erwartet. Solarpanels, Windkraftanlagen und Elektroautos sind nicht nur deutlich leistungsfähiger als noch vor zehn Jahren, sie sind zu einem großen Teil auch kostengünstiger als die Alternativen geworden. „Wir haben die Werkzeuge und das Wissen, um die Erwärmung zu begrenzen“, sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee am Montag.

Die Kosten für Solarpanels und Lithium-Batterien für Elektroautos haben sich binnen zehn Jahren um jeweils 85 Prozent reduziert, während sich ihre Nutzung verzehnfacht beziehungsweise verhundertfacht hat, schreiben die Autoren. Staatliche Investitionen in Forschung und Förderung hätten sich als effektiv erwiesen. Wind- und Solarenergie etwa sind in der Erzeugung mittlerweile wesentlich günstiger als Kohle, Gas oder Atomkraft – ohne sie wäre der Strom noch teurer, als er ohnehin schon ist.

Diese IPCC-Grafik zeigt, wie rasch die Preise für Photovoltaik und Batterien für Elektroautos gesunken sind – und wie stark gleichzeitig die Nutzung anstieg

3. Klimaschutz steigert unseren Wohlstand

Das bedeutet auch: Effektiver Klimaschutz verringert nicht den Wohlstand, wie Politiker gerne behaupten. Das Gegenteil ist der Fall. „Der globale wirtschaftliche Nutzen einer Beschränkung der Erwärmung auf zwei Grad Celsius übertrifft dessen Kosten in einem Großteil der herangezogenen Literatur“, schreiben die Autoren. Das weltweite Bruttowirtschaftsprodukt steige in allen durchgerechneten Szenarien. Die gigantischen Kosten zur Bewältigung von Naturkatastrophen, die der Klimawandel begünstigt, seien da noch gar nicht mit einberechnet.

Tatsächlich zeigen Studien schon seit Jahrzehnten, dass jeder Euro für den Klimaschutz gut investiert ist. Die globalen Lieferketten der Wirtschaftswelt sind anfällig für Störungen durch Naturkatastrophen. Extreme Wetterereignisse wie Dürren oder Stürme belasten die Landwirtschaft. Industrie und Haushalte profitieren von niedrigeren Strompreisen. Neue Technologien schaffen Arbeitsplätze. Und eine Welt, in der die globale Erwärmung und der Ausstoß von Kohle begrenzt werden, ist eine gesündere Welt: Arbeitnehmer können länger arbeiten, das Gesundheitswesen wird weniger stark belastet.

Bilder wie der teilweise ausgetrocknete Rhein aus dem Sommer 2019 werden durch den Klimawandel häufiger. Bild: Christophe Gateau/dpa

„Klar ist: Der Nutzen des Klimaschutzes übersteigt seine Kosten deutlich“, sagt Elmar Kriegler vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, der selbst am Bericht mitgeschrieben hat. „Effiziente Industrieländer wie Deutschland, die derzeit noch fossile Brennstoffe importieren und dann umstellen, sind die Gewinner.“ Auf Entwicklungsländer könnten hingegen höhere Kosten zukommen, sagt Kriegler, ein fairer Ausgleich sei deshalb erforderlich.

4. Jeder kann einen Beitrag leisten

Erstmals untersuchten die Autoren des Berichts auch, wie effektiv gewisse Verzichtsmaßnahmen sind, die jeder Mensch für sich treffen kann: Weniger Fleisch zu essen etwa, oder weniger Flugreisen zu unternehmen, oder Strom zu sparen. Bis zu 70 Prozent aller Emissionen durch Privatpersonen könnten auf diese Weise eingespart werden, heißt es im Bericht. „Die Art, wie wir uns bewegen, wie wir essen, wie wir Energie erschaffen – alles muss sich ändern“, sagte der britische Umweltwissenschaftler Peter Smith, ein Mitautor des Reports.

Es liege aber an der Politik, diesen Verzicht auch attraktiv zu machen, das ist den Verfassern wichtig zu betonen. Wenn energetisch effizientes Bauen gefördert wird, fällt es Privathaushalten auch leichter, Strom zu sparen. Und wem ein gut ausgebautes Schienennetz zur Verfügung steht, spart sich die ein oder andere Flugreise.

Besonders in der Pflicht sehen die Autoren übrigens reiche Menschen und Stadtbewohner in den Industrieländern – zum Beispiel Deutschland. Aber auch das könne eine Chance sein, heißt es im Bericht. Wenn Städte „menschenzentriert“ gestaltet würden, also fußgänger- und fahrradfreundlich, mit dichter und gleichzeitig grüner Besiedlung, mit kurzen Distanzen zum Arbeitsplatz – dann ließe sich nicht nur auf das Auto verzichten. Die Stadt wäre auch lebenswerter.

Quelle: FOCUS-Online vom 05.04.2022 von Redakteur Florian Reiter

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