BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Mediation endet mit Kompromiss

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Kernkraftgegner zieht Klage gegen KKU zurück, ist mit der getroffenen Vereinbarung aber nicht wirklich glücklich

Kernkraftwerk Unterweser Foto: dpa

Landkreis Wesermarsch. Im Mediationsverfahren über die beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg anhängige Klage gegen die 1. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für das Kernkraftwerk Unterweser(KKU) konnte eine Einigung erzielt werden. Der von regionalen Anti-Atomkraft-Initiativen unterstütze Paul Bremer aus Rechtenfleth (Landkreis Cuxhaven) hat seine Klage gegen das niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz zurückgezogen.

„Damit sind alle Klageverfahren gegen die erteilten Rückbaugenehmigungen unserer Kraftwerke beendet und die Genehmigungen sind nunmehr ohne jede Änderung bestandskräftig“, freut sich der bei KKU-Betreiberin Preussen Elektra zuständige Geschäftsführer Michael Bongartz. „Wir sehen uns damit in unserer Vorgehensweise beim Rückbau unserer Kernkraftwerke umfänglich bestätigt.“

Teil der Einigung ist, dass die maximal zulässigen Werte für die Abgabe radioaktiv belasteter Abwässer in die Weser nicht ausgeschöpft, sondern deutlich unterschritten werden. Preussen Elektra sagte die Reduzierung zu, ohne eine dahin gehende Rechtspflicht anzuerkennen. Stattdessen soll ein Eintrag im Betriebshandbuch gewährleisten, dass die Belastung der Abwässer mit Tritium um 71 Prozent und die mit anderen radioaktiven Stoffen um 46 Prozent sinkt. Die Zustimmung erfolgte laut Betreiberin, weil der Rückbau schon weit fortgeschritten ist und das zuletzt im Kontrollbereich vorhandene Wasserreservoir bereits entfernt wurde. Darüber hinaus wurde ein Fachgespräch zum Hochwasserschutz im Bereich des Kraftwerksgeländes vereinbart.

Darin soll geklärt werden, ob der auf zwei Abschnitten nahe des KKU besonders niedrige Weserdeich ausreicht, um die auf dem Gelände verbleibenden drei Zwischenlager für hoch-, mittel- und schwachradioaktive Abfälle auch bei schwersten Sturmfluten vor einer Überschwemmung zu schützen. Kläger und Initiativen bezweifeln das und fordern einen zusätzlichen Ringdeich um das größtenteils unter Normalnull liegende Gelände.

KKU-Leiter StephanKrüger zeigte sich mit dem Verlauf des Verfahrens zufrieden: „Die Mediation fand in einer offenen Atmosphäre statt. So konnte eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung für zentrale Kritikpunkte der Kläger gefunden werden. Damit können wir uns wieder voll und ganz dem zügigen Rückbau des KKU widmen.“

Ganz anders sieht das Hans-Otto Meyer-Ott, einer der Sprecher der Initiativen. „Das Gericht hat eine erbärmliche Leistung gebracht. Es hat nichts getan und uns in eine Mediation gedrängt.“ Vorausgegangen war ein Erörterungstermin zum KKU-Rückbau in Rodenkirchen im Februar 2016. Mehrere Tage trugen die Initiativen ihre Argumente vor, in der Rückbau-Genehmigung blieben sie weitgehend unberücksichtigt.

Als auch spätere Versuche scheiterten, die wichtigsten 20 Dissenspunkte zwischen ihnen und der Genehmigungsbehörde zu klären, wählten die Initiativen vier davon aus und verklagten das Ministerium auf Nachbesserung. 2020 – der Rückbau hatte längst begonnen – erfuhren sie, dass das personell unterbesetzte Gericht die Klage nicht so bald verhandeln könne. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, ließen sich Initiativen und Kläger auf das Mediationsverfahren ein, wohl wissend, dass Paul Bremer seine Klage würde zurückziehen müssen, wenn es zu einer Einigung käme.

Das ist nun geschehen. Bremer und den Initiativen fiel der Schritt sichtlich schwer. Denn mit der Reduzierung der Belastung der Abwässer und der Überprüfung der Sturmflutsicherheit haben sie lediglich zwei der Ziele erreicht, um die es ihnen in ihrer 180 Seiten umfassenden Klageschrift von 2018 ging. „Es ist ein Hammer, wie wenig Substanz das hat“, kritisiert Meyer-Ott das Ergebnis der Mediation. „Das ist ziemlich enttäuschend.“

Für die Zustimmung zu der Vereinbarung gab es aus Sicht der Initiativen dennoch einen guten Grund, denn ob sie vor Gericht mehr erreichen könnten, ist ungewiss. „Würden wir die Klage wieder aufnehmen, wäre völlig unklar, wann verhandelt worden wäre“, gibt Meyer-Ott darüber hinaus zu Bedenken. „Bis jetzt wissen wir nicht einmal, ob die Klage jemals gelesen worden ist“, hatte sein Mitstreiter Karsten Langbehn schon vor Wochen beklagt.

Unzufrieden sind Kläger und Initiativen weiterhin auch mit der Umgebungsüberwachung. Laut Vereinbarung ist die Überwachung der Reithflächen und des darunterliegenden Watts vor dem KKU „vollständig und abdeckend“. Ein zusätzlicher Messpunkt auf der Reithmähfläche des Klägers wurde abgelehnt. Wo es Messpunkte gibt, würden von fünf Strahlungsarten (Alpha,Beta, Gamma, Röntgen und Neutronen) nur die Gammastrahlen regelmäßig gemessen, lautet eine weitere Kritik.

Die Initiativen prüfen nun, ob sie mit einer Klage gegen den für die wasserrechtlichen Fragen zuständigen Landesbetrieb für Wasser-, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vielleicht doch noch etwas mehr im Sinne einer geringeren Belastung von Weserwasser, Watt und Reithflächen erreichen könnten.

Historie des KKU

Das Kernkraftwerk Unterweser ist 1978 in Betrieb gegangen. Unter dem Eindruck der von einem Erdbeben und einem Tsunami ausgelösten Unfallserie im japanischen Kernkraftwerk Fukushima wurde es 2011 zusammen mit sechs weiteren älteren Kernkraftwerken und dem Pannenreaktor Krümmel abgeschaltet. Im Februar 2018 erhielt Eigentümerin Preussen Elektra, die Kernenergie-Sparte des Eon-Konzerns, die erste von zwei Genehmigungen für Stilllegung und Abbau. Derzeit sind noch etwa 170 Mitarbeiter des Unternehmens am KKU-Standort beschäftigt. Die umstrittene Entsorgung von bis zu 11.900 Tonnen Dämmmaterial, Beton, Bauschutt und sonstiges Rückbaumaterial auf der Deponie Käseburg bei Brake spielte in der Mediation noch keine Rolle. Die Initiativen halten die erlaubte Reststrahlung von maximal zehn Mikrosievert pro Person und Jahr für zu hoch. Sie fordern deshalb, den Bauschutt vorerst auf dem KKU-Gelände zu belassen, bis es ein Zentrallager für derartige Abfälle aus dem gesamten Bundesgebiet gibt. GJ

Quelle: Die Norddeutsche vom 30.05.2022 von Georg Jauken

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