BI Driftsethe

Bürger-Initiative gegen die Bauschuttdeponie in Driftsethe

Kampf gegen Deponie

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Gemeinde Hagen im Bremischen will Genehmigung auf dem Klageweg verhindern

Hagen. Die Aussicht von den heute bewaldeten und verbuschten Anhöhen in Driftsethe-Weißenberg muss einst großartig gewesen sein. Vom hohen Geestrücken aus konnte man weit über das breite Urstromtal der Weser mit seinen Marschen und Mooren schauen. Kein Wunder, dass vor rund 4000 Jahren die Sandberge eine Kultstätte waren, von der heute noch die vielen Hügelgräber zeugen.

Ein paar Tausend Jahre später nutzten die Marschbewohner entlang der Weser die mit knapp 20 Meter höchsten Erhebungen in der Umgebung für die Sommerfrische, wenn die Luft im sumpfigen Gelände stickig war und Insekten plagten. Im 19. Jahrhundert entstanden auf den kargen Heideböden am Weißenberg wohl die ersten Häuser.

Als sichtbares Zeichen ihres Protestes versammelten sich Ende September rund 500 Bürger zu einer Kundgebung gegen die Deponie. Foto: Archiv/Luise Bär

Die Idylle wurde gestört, als Anfang der 1990er-Jahre am Weißenberg der industrielle Sandabbau durch die Firma Bunte begann. Der Rohstoff Sand wurde überwiegend beim Bau des Wesertunnels gebraucht. Als die fast ausgebeutete Grube dann Mitte der 2000er-Jahre an die bundesweit agierende Abbruch und Recyclingfirma Freimuth aus Bülkau verkauft wurde, gab es neue Nutzungspläne. Statt der ursprünglich vorgesehenen Renaturierung der rund 20 Hektar großen Fläche sollte nun eine Deponie der Klasse 1 für nicht recyclingfähige, gering mit Schadstoffen belastete Baumaterialien wie Beton, Ziegel, Bitumen, Boden und Steine entstehen.

Die Nachricht rief sofort Bürgerproteste auf den Plan. Die Strukturen einer Bürgerinitiative namens Geda standen bereits. Die hatte sich circa ein Jahr zuvor gegründet, als die damals noch selbstständige Gemeinde Sandstedt die Ansiedelung der Firma Dekonta an der Autobahnauffahrt Sandstedt befürwortete, die Wäsche und Instrumente aus Atomkraftwerken dekontaminieren wollte. Aus den Plänen wurde nichts, die Firma zog ihren Antrag zurück. Diese Bürgerinitiative (BI) lebte unter dem neuen Namen M.U.T. (Mit us tosamen) wieder auf und sorgt gemeinsam mit einer weiteren BI, „Driftsethe gegen Deponien“, bis heute dafür, dass ein breiter Widerstand gegen eine Deponie am Weißenberg besteht.

Protest seit 14 Jahren

Seit nunmehr 14 Jahren fordern sie und mit ihnen weitere Bürger, der Gemeinderat der jetzt Einheitsgemeinde Hagen und die Verwaltung, den Standort für Natur und Naherholung vorzuhalten und keine Bauschuttdeponie zuzulassen. Mit einem rechtskräftigen Bebauungsplan für ein benachbartes Grundstück zur geplanten Deponie – ebenfalls eine ausgebeutete Sandgrube, die teilweise wieder verfüllt wurde, – schaffte die Kommune erste Freizeit- und Sportanlagen für einen geplanten Erlebnisraum Sand namens „Schatzgrube Weißenberg“.

Die Entscheidung über den Bau einer Deponie liegt allerdings beim Gewerbeaufsichtsamt (GAA) Lüneburg, das den Planfeststellungsantrag der Firma Freimuth bearbeitet. „Wir müssen abwägen, ob die Belange der Abfallwirtschaft gegenüber den städtebaulichen Belangen der Kommune überwiegen“, hatte die stellvertretende Leiterin der Landesbehörde, Christine von Mirbach, bei der Anhörung zum Planfeststellungsverfahren betont.

Das Land Niedersachsen sehe einen Bedarf an Deponien, habe jedoch im Landes-Raumordnungsprogramm keine Standorte dafür ausgewiesen. Stattdessen heißt es, es soll flächendeckend – jeweils im Radius von 35 Kilometern – eine Deponie der Klasse 1 vorgehalten werden. Im Landkreis Cuxhaven gibt es keinen Platz für diese Art der Abfälle; die letzte kommunal betriebene Boden- und Bauschuttdeponie in Neuenwalde wurde 2009 geschlossen. Zurzeit suchen die Behörden auf Beschluss des Kreistages nach einem geeigneten Standort.

Für die Prüfung, Antragsbearbeitung und Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen und Bedenken zu den Freimuth-Plänen benötigte das Gewerbeaufsichtsamt über sieben Jahre. Anfang September kam nun der Planfeststellungsbeschluss, der das Vorhaben genehmigte. Die Gegner der Deponie wollen die Entscheidung nicht hinnehmen. Als sichtbares Zeichen ihres Protestes versammelten sich Ende September rund 500 Bürger zu einer Kundgebung. Sie fürchten einen Schuttberg mit schädlichen Stoffen für die Umwelt, Staub und Verkehr. Und womöglich könne auch der freigemessene Bauschutt aus dem nahen Atomkraftwerk Unterweser eingelagert werden. Das Kernkraftwerk ist bereits abgeschaltet und befindet sich im Rückbau.

Ortstermin mit Minister

Der Hagener Bürgermeister Andreas Wittenberg (parteilos) kündigte die Klage der Gemeinde an, ebenso wollen mehrere Bürger von ihrem Klagerecht Gebrauch machen, erklärt Karla Mombeck, Sprecherin der Bürgerinitiative M.U.T.. Am Dienstag, 4. Oktober, wird Olaf Lies (SPD), niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, auf ein Gespräch nach Driftsethe kommen. In einer nicht öffentlichen Veranstaltung wollen dann Ratsmitglieder, Landtagskandidaten aus dem Wahlkreis Unterweser und Vertreter der BI ins Gespräch kommen. Die Entscheidung von Lies‘ Dienstbehörde GAA stößt auch in der Lokalpolitik auf wenig Verständnis: Sämtliche Ratsparteien unterstützen den Widerstand gegen die Pläne.

Quelle: Weserkurier vom 1./2./3.10.2022 von Luise Bär

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