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Warum Kippen eine Belastung sind

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Müllsammler finden 500 Zigarettenstummel am alten Dedesdorf Fähranleger – Eine Gefahr für die Umwelt

Dedesdorf. Auf den ersten Blick haben die Müllsammler in Dedesdorf am ersten Herbsttag des Jahres wenig zu tun. Doch wer genau hinschaut, findet die große Sauerei: Kippen noch und nöcher. Warum der kleine Müll Probleme machen kann…

Bernd Thöle kann mit seinen Gummistiefeln raus in den Matsch. Er findet Köpfe von Silvesterraketen, Hundespielzeug, Flaschen und Plastikdeckel.

Handschuhe an, Säcke verteilen und los. Die rund 20 Freiwilligen strömen am alten Fähranleger Dedesdorf in alle Richtungen aus. Ihre Augen scannen den Boden vor ihren Füßen, lassen den Blick suchend über Buschwerk und Schilf gleiten. Sie suchen eines: Müll.

Der neun Jahre alte Frederik und Anton (6) Probst haben sogar ihren eigenen Müllbeutel dabei. Müllsammeln war ein Thema im Kindergarten – und dort setzen die Brüder die Theorie in die Praxis um.

Frauke Bartosch läuft zielstrebig zur nächsten Grünfläche und dann am Deich entlang. Nach einigen Metern ist der Sack noch ziemlich leer. An diesem ersten Herbsttag scheint die Beute mau. Das Schilf ist zu dicht, der Boden zu nass, um in der Tiefe zu suchen. Am Wegesrand gibt‘s hier Taschentuch oder da Plastikteil. Der ganz große Dreck sei vor allem im Frühjahr zu finden, erklärt ein erfahrener Müllsammler, der neben ihr das Gras untersucht.

Frauke Bartosch sucht auch auf Augenhöhe: „Manchmal hängen tatsächlich Hundekotbeutel im Baum.“ Fotos: Gallas

Bartosch wagt sich – soweit es geht – ins Gestrüpp. Hier bleibt ihr Blick nicht nur gesenkt. Die 50-Jährige sucht die Bäume und Büsche ab. „Manchmal hängen tatsächlich Hundekotbeutel im Baum.“ Hilfreich wäre sicher die Perspektive des Seeadlers, der über ihr entlang des Ufers seine Kreise zieht.

Früher hätten sie hier schon Fernseher, Campingklos oder Reifen gefunden. Heute sei es sauberer als sonst. Das sieht man am Ende der Aktion auch dem „Müllhügelchen“ an, den die Freiwilligen innerhalb von zwei Stunden auftürmen. „Aber Kleinvieh macht auch Mist.“

Und dieses Kleinvieh macht nicht nur Mist, sondern kann Tieren und Umwelt gefährlich werden. Optisch wenig eindrucksvoll versteckt sich in den Tüten nämlich etwas, das zahltechnisch einiges hermacht: rund 500 Zigarettenstummel.

Mit diesem Ergebnis sind die Dedesdorfer Müllsammler in guter Gesellschaft. Die Meeresschutzorganisation Ocean Conservancy berichtet, dass Zigarettenstummel bis 2019 die häufigsten Cleanup-Funde weltweit waren. Dann wurden sie erstmals von Lebensmittelverpackungen überholt. Kein Wunder: Geschätzt 4,5 Billionen Zigarettenkippen werden jedes Jahr achtlos in die Umwelt geworfen.

Liegen die Stummel erst mal am Boden, werden sie leicht vom Wind verweht oder Regen weggespült. So landen sie auch in der Weser und der Nordsee, verschmutzen die Natur und bringen Pflanzen und Tiere in Gefahr.

Tabak enthält bis zu 7.000 giftige Chemikalien

Problem Nummer 1: Der Tabak. Er enthält bis zu 7.000 giftige Chemikalien, darunter natürlich Nikotin, aber auch andere krebserregende Stoffe und Schwermetalle wie Formaldehyd, Arsen und Blei. Problem Nummer 2: Die Filter. Sie bestehen aus dem Kunststoff Celluloseacetat und sie zerfallen nur sehr langsam. Die Überreste belasten Gewässer mit Mikroplastik.

Bereits eine einzige gerauchte und weggeworfene Zigarette kann bis zu 1.000 Liter Wasser verunreinigen. Bei Wattwürmern haben Forscher Veränderungen des Erbgutes nachgewiesen. Ein Filter reicht, damit die Hälfte aller Wasserflöhe und Fische in einem Liter Wasser sterben. Und über den Umweg Speisefisch, könnte die Kippe als Mikroplastik bei uns auf dem Teller landen. Alles in allem ungünstig bis unappetitlich.

Von außen sieht es nicht nach großer Beute aus, doch in den Säcken verstecken sich Unmengen Zigarettenstummel, die Freiwillige am alten Dedesdorfer Fähranleger gefunden haben.

Warum gehen Raucher so achtlos mit ihren Glimmstängeln um? Ein Grund mag Bequemlichkeit sein – ein anderer Unwissenheit. Laut einer Umfrage des Bundesverbands Verbraucherzentrale glaubt jeder fünfte Befragte, dass Zigarettenstummel nicht die Umwelt belasten, da sie sich auf natürliche Weise in der Natur zersetzen würden. Besser als sie wieder aufzusammeln wäre, sie gar nicht erst wegzuwerfen. Doch so hat sich die Aktion, organisiert von der Nordsee GmbH, auch ohne riesige Funde gelohnt.

76-Jährige unterstützt dieses Mal vom Buffet aus

Während die letzten Freiwilligen noch ihre Runden ziehen, schnippelt Helga Schobloch Zwiebeln und Gurken in der Hütte. Die 76-Jährige sammelt seit 15 Jahren jeden Freitag auf ihrer Walking-Runde Müll mit ihrer Freundin. „Ich finde es unmöglich, dass dieses Plastik überall rumliegt. Warum nehmen die Leute ihren Müll nicht wieder mit nach Hause? Mich ärgert das.“ Deswegen unterstützt sie gerne die Sammelaktion, heute aber vom Buffet aus.

Bei Fischbrötchen und Garnelensalat greifen die Müllsammler gerne zu, als Landwirt und Oberdeichgräfe Hans-Otto Hancken mit mittelschwerem Gerät um die Ecke kommt, um den Müll einzusammeln. Der kleine Haufen verwundert ihn nicht. Früher habe es deutlich mehr Zivilisationsmüll hier gegeben, es sei gewaltig zurückgegangen. Warum? „Die Leute sind alle lieb hier“, sagt er, lacht und meint es nur halb im Scherz. Menschen hätten wohl ein anderes Bewusstsein für das Thema entwickelt, mutmaßt er. „Es bleibt weniger liegen und es wird nicht so viel über Bord oder von der Hafenkante geworfen.“ Eine gute Entwicklung.

Nichtsdestotrotz wird in Dedesdorf weiter Müll gesammelt. Im kommenden Jahr will sich die Nordsee GmbH wieder mit der Sammelaktion des Gemeindejugendrings und der Feuerwehr zusammentun. Auch dann werden sie sicher wieder einiges aus Schilf und Gebüschen holen, darunter eine Menge Kippen.

Quelle: Nordsee-Zeitung vom 25.09.23 von Katja Gallas

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